Henri Lesewitz
· 23.11.2022
Klassiktreffen, wie das L’Eroica, erfreuen sich in der Rennrad-Szene seit Jahren steigender Beliebtheit. Für Mountainbiker gab es solche Events bisher nicht. Zumindest nicht im größeren Rahmen. Das soll sich nun ändern. Vom 22. bis 24. September 2023 wird mit dem Vintage Bike Masters im Schweizer Klosters das erste internationale Festival für Oldtimer-Fans zelebriert.
Zum Auftakt des Vintage MTB-Festivals gibt es gleich ein beeindruckendes Programm:
Der Organisator der Vintage Bike Masters, Alex Beeler, erklärt im Interview, was es mit dem Event auf sich hat.
BIKE: Was fasziniert Mountainbiker so an den Neunzigerjahren?
Alex Beeler: Damals wurde das Fahrrad neu erfunden. Und das MTB berührte Menschen, die zuvor nichts mit Rädern am Hut hatten. Es stand für Freiheit, für Kreativität. Aus technischer Sicht war die Dekade 1989 bis 1999 sicher die spannendste der Fahrradentwicklung. Nicht nur beim MTB. 1989 trat die Weltelite beim Grundig-Weltcup oft noch mit ein und demselben Bike beim Downhill sowie beim Cross Country an, komplett ungefedert. Ein Jahr später hatten fast alle eine Federgabel. Bei der EM 1993 in Klosters, also nur drei Jahre später, holte Jürgen Sprich Downhill-Gold mit einem Scott DHR-Fully-Prototyp aus Carbon, der nun nichts mehr mit den Mountainbikes zu tun hatte, wie man sie bisher kannte. Das Teil kostete damals unfassbare 15.000 DM.
Diese Spitzentechnologie war wiederum nur zwei Jahre später bereits Standard bei den Spitzenmodellen der meisten Hersteller. 1999 konnten die ersten 29er Bikes im Laden gekauft werden, mit komplett veränderter Rahmengeometrie. 10 Jahre für den Sprung in eine absolut neue Welt! Für Fans besonders spannend sind natürlich die unzähligen Irrwege, die in dieser Expressentwicklung eingeschlagen worden sind. Tolle Ideen von Kleinstherstellern, die wirtschaftlich floppten, heute aber grosses Geschichtenpotenzial bieten.
Wie kamst Du auf die Idee mit dem Vintage Bike Masters?
Ich habe mich sehr lange in der Auto-Oldtimer-Szene bewegt, auch als Rennfahrer und Veranstalter von Oldtimer-Motorsportevents. Vor gut 10 Jahren habe ich mich entschieden, beruflich deutlich kürzer zu treten und gleichzeitig verlor ich aus verschiedenen Gründen den Spass an den Autos. Da kam ich auf das Fahrrad und eigentlich gleich von Anfang an zum Vintage Fahrrad. Das hat mich so richtig gepackt und ich wurde umgehend zum Sammler, zuerst von klassischen Rennrädern. In Schweizer Sammlerkreisen gab es schon länger das Bedürfnis nach einem Vintage Event nach L’Eorica-Vorbild. Mit meinem Hintergrund als Veranstalter und der neuen Freude an Vintage Rädern, stellte ich 2017 das Vintage Treffen BERGKÖNIG auf die Beine, dass ich seither jährlich durchführe und was immer einige Hundert Teilnehmer anzieht.
Schon bald kam die Frage auf, ob wir denn nicht auch Vintage Mountainbikes in den BERGKÖNIG integrieren können. Mir war aber schnell klar, dass die Welten zu unterschiedlich sind und die «Wilden» einen eigenen Event verdienten. Bereits 2018 streckte ich die Fühler aus nach einer geeigneten Destination. Es hat eine Weile gedauert, bis wir mit Klosters die ideale Spielwiese mit entsprechendem geschichtlichem Hintergrund und gleichzeitig einen sehr starken Partner gefunden haben.
Wer ist die Zielgruppe und welchen Fokus hat die Veranstaltung?
Der Fokus ist ganz klar auf Spaß und Genuss gerichtet. Ein Festival ist ein Ort der Freude, Freude an den Bikes von damals, an guten Gesprächen mit coolen Gleichgesinnten, an gutem Essen und guten Drinks, an Schnäppchen auf dem Teilemarkt, an Ausfahrten auf Strecken wie damals. Die Zielgruppe sind sicher in erster Linie Menschen, die die Pionierjahre aktiv miterlebt und mitgestaltet haben und noch immer mit dem Bike unterwegs sind, mit Fokus Genuss. Die Vintage Bike Masters sprechen sicher auch Sammler an, die sind, aus meiner BERGKÖNIG-Erfahrung, aber eher der kleinere Teil. Es braucht eine gewisse Fitness, um bei den Vintage Bike Masters teilzunehmen, und die ist bei vielen Sammlern nicht besonders ausgeprägt.
Wie groß wird die Veranstaltung?
Das ist sehr schwer zu sagen, da der Event absolut neuartig ist und wir somit keine Vergleichswerte haben. Es sind die Teilnehmer, die über die Größe entscheiden. Als grobe Schätzung erwarten wir bei der Erstdurchführung rund 300 Teilnehmende über die drei Veranstaltungstage. Mittelfristig vielleicht das Doppelte. Es könnten aber auch deutlich mehr werden. Die Swiss Bike Masters hatten bei der Erstdurchführung 1994 über 2500 Startende und steigerten sehr schnell auf 4000. Das ist eine gewaltige Zahl, viele der Damaligen sind noch immer aktiv auf dem Bike und vermissen diesen einzigartigen Event, der vor 10 Jahren eingestellt worden ist.
Ein Highlight ist der Marathon auf Teilen der historischen Swiss Bike Masters-Strecke. Wie kann man sich das vorstellen?
Die Strecke wird so original sein, wie irgendwie möglich, in allen drei Varianten von 30 Kilometern mit 1500 Höhenmetern bis zur Langstrecke mit 120 Kilometern und 5000 Höhenmeter. Wir machen aber kein echtes Rennen, sondern wir sprechen von Joy Rides. Wir spicken die Strecke mit ganz vielen coolen Verpflegungsposten, die lokale Spezialitäten kredenzen, tolle Ausblicke bieten und einen wunderbaren Rahmen für viel Bike-Latein unter Gleichgesinnten. Klar, wer sich an die 120 Kilometer-Distanz wagt, der hat einen harten Tag vor sich, trotz der gemütlichen Verpflegungsposten.
Wie streng wird die Originalität der Bikes kontrolliert?
Aus Erfahrung beim Bergkönig reguliert sich die Originalität von Rädern und Outfits sehr schnell von selbst. Wir wollen grundsätzlich niemanden nach Hause schicken. Teilnehmende, die nicht passen, fühlen sich automatisch deplatziert. Bei den beiden Rennen, dem Downhill am Freitag sowie dem Cross Country am Sonntag, schauen wir natürlich genauer hin. Zulässige Bikes müssen den technischen Spezifikationen der Zeit vor 1999 entsprechen. Bei den Rennen mit Wertung teilen wir, eben aufgrund der eingangs beschriebenen sprunghaften technischen Entwicklung in der Pionierzeit, auf in die drei Kategorien Vor-1990, 1990 bis 1995 und 1996 bis 1998.
Gibt es Sponsoren für das Event?
Das ist ein sehr schwieriges Thema. Wir passen mit unserem Event in kein Raster. Wir sind nicht Sport, nicht Kultur. Und die Fahrradbranche ist aus Marketing-Sicht leider noch in der Steinzeit. Ein Blick auf die Autowelt verdeutlicht, wie wichtig Traditionspflege für eine starke Marke ist. Nicht nur Mercedes oder Porsche investieren Millionen in Oldtimer-Events, Museen, Markenclubs und vieles mehr, sondern auch Massen-Brands wie Toyota. Zum Vergleich: bei Scott am Hauptsitz stehen gerade mal drei, vier Räder aus den frühen Jahren. Und das ist im Vergleich zu anderen Bike-Herstellern schon viel. Gleichzeitig streben wir aber auch keinen superkommerziellen Event an. Das würde nicht zu der Zielgruppe passen und die Authentizität stören.
Werden auch Promis von damals erwartet?
Wir haben noch nicht viele Kontakte geknüpft, aber die Resonanz ist überwältigend. Man sieht einmal mehr, dass keine Sportart so ungnädig mit ihren ehemaligen Spitzenleuten umgeht, wie der Radsport. Dabei freuen sich diese ungemein, wenn sie ihre alten Kollegen und Kolleginnen mal wieder treffen und auch etwas gefeiert werden. Bisher zugesagt haben drei Frauen der absoluten damaligen Weltelite, Chantal Daucourt, Silvia Fürst und Giovanna Bonazzi. Wir haben auch mehrere informelle Zusagen von Männern der damaligen Weltelite, die aber noch abhängig sind von eventuellen Terminüberschneidungen. Fest dabei ist der ehemalige Worldcup-Gesamtsieger Christoph Sauser, der 1993 in Klosters seine erste internationale Meisterschaft fuhr. Leider haben wir auch schon eine ganz große Absage: Thomas Frischknecht hat unseren Event gelobt, ist zu besagtem Termin aber bereits mit seinem Team in USA für Weltcup-Rennvorbereitungen.
Anmerkung der Redaktion: Auch die deutsche Ex-Worldcup-Fahrerin Laura Burckhardt, die in den Neunzigern sowohl im Cross Country als auch im Downhill internationale Erfolge feierte, will zum Vintage Bikes Masters kommen.
Was für ein großartiges Event! Ich bin schon jetzt ziemlich aufgeregt bei der Vorstellung, die EM Strecke von damals mit einem Bike von 1993 zu fahren. Als Mitglied der Deutschen Nationalmannschaft hatte ich zwar damals top Material und ich war sogar in beiden Disziplinen, Downhill und Cross Country, am Start. Ja, das ging damals! Der große Fortschritt war 1993, dass wir zwei verschiedene Bikes hatten für Downhill und Cross Country. Im Jahr zuvor war es noch ein und dasselbe Bike für beide Disziplinen, mit zarter Federgabel und Körbchen-Pedalen.
Termin: 22. bis 24. September 2023
Ort: Klosters / Schweiz
Programm: Downhill- und Cross Country-Rennen, Joy-Ride auf der Original-Strecke des ehemaligen Swiss Bike Masters (30 Km, 70 Km, 120 Km), Party, Teile-Börse
Zugelassene Bikes: Baujahr vor 1999
Alle Infos: vintagebikemasters.com