Dimitri Lehner
· 07.12.2023
FREERIDE: Deinen ersten Run musstest Du abbrechen. Und schienst sehr verärgert.
Cam Zink: Ich war richtig wütend. Wie ein Teenager. Doch dann schaltete ich in den Killer-Modus, denn ich wollte gewinnen. Die Folge: ultimativer Fokus und kein Gedanke an Sicherheit und Risiko . Ich wollte alles geben – dieses Wettkampf-Mindset fühlt sich klasse an.
Also nur noch eine Chance, immenser Druck für den zweiten Run. Was ging Dir durch den Kopf?
Natürlich mein Backflip-Drop. Ich wollte ursprünglich einen Backflip Can machen, doch vermasselte den Absprung. So ist das nun mal, nichts läuft wie geplant. Das machte mir diese Rampage besonders deutlich. Aber es war nicht so wie in früheren Rampage-Runs, wo ich Zweifel hatte, ob meine Stunts überhaupt möglich sind. Dieses Mal, wusste ich, dass ich alle Stunts drauf habe. Dennoch war ich nervös und dennoch hatte ich Angst vor den ultimativen Konsequenzen, wenn was richtig schlief laufen würde.
Was hattest Du ursprünglich geplant?
Hätte ich den ersten Run sicher ins Ziel gebracht, wollte ich über den ersten Drop einen Toboggan machen. Der Drop ist so ausgesetzt, dass ein Fehler den sicheren Tod bedeutet hätte, besonders, wenn es mich etwas nach links getragen hätte. Dann wollte ich einen Frontflip über den 55-Fuß-Jump machen, direkt vorm Icon Sender und eine Cashroll weiter unten.
Wilder Plan. Schon Dein Backflip sah wild aus. „Rowdy“ nannte Nicholi Rogatkin den Absprung.
Das hatte mich selbst überrascht, doch durch eine lebenslange Erfahrung im Flippen ist es mir gelungen, den Backflip irgendwie zu bändigen. Näher an einem Sturz hätte ich kaum sein können, ohne tatsächlich zu stürzen. Beim Absprung kam ich an den Rand, wo die Erde weich war und die Sandsäcke lagen. Und ich setzte ganz dicht am Rand der Landung auf. Todd Barber, der Event-Organisator stand dort und war fest überzeugt, dass ich es niemals in die Landung schaffen würde als er mich durch die Luft fliegen sah. War es der Wind, der mich zurück drückte oder Glück oder Gott? Wer weiß. Ich will mir nicht ausmalen, was passiert wäre, hätte ich die Landung verpasst wie damals Graham Agassiz.
War das der höchste Backflip-Drop, den Du je gemacht hast?
Ja. Ich glaube, das ist der höchste Backflip-Drop, der je gemacht wurde. Da kann mir kaum jemand widersprechen. Dazu kommt, dass die Anfahrt dorthin extrem technisch war mit einem 12-Meter-Drop und einem 17-Meter-Double direkt davor.
Hast du dir das Replay noch mal in Ruhe angeschaut?
Habe ich. Normalerweise mache ich das nicht. Doch dieses Mal gab es so viel Kontroverse wegen dem Judging, dass es mich interessiert hat. Ich kenne alle Lines, hab alles gesehen und jetzt kannte ich die Wettkampf-Urteile. Ich habe mich sehr über die Reaktionen der Wettkampfrichter gefreut als sie meinen Run gesehen haben. Und über Nicholi Rogatkins Kommentare bei der Moderation. Ich weiß, dass einige behaupten, die Wettkampfrichter wären meine Freunde und daher voreingenommen. Doch die Reaktionen sprechen für sich, finde ich. Und die Wettkampfrichter sind mit allen Ridern befreundet, nicht nur mit mir. Wir sind alle Freunde. Und die Wettkampfrichter waren alle Rampage-Fahrer, das ist Voraussetzung für diesen Job.
Welche Stunts haben Dich sonst beeindruckt?
Oh, schwierige Frage. Der Caveman von Tom Van Steenbergen. Zwar hat den Stunt Brandon Semenuk im Vorjahr schon gezeigt, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass er richtig krass ist. Super beeindruckend auch der Opposite-Tailwhip-Drop von Emil Johansson über eine beachtliche Klippe – und das auf einem schweren Bike mit Downhill-Reifen. Das ist weit mehr als ein Slopestyle-Trick, wie viele seinen Stunt bezeichnet hatten.
Und welche Rider?
Drei Fahrer haben mich beeindruckt, aus unterschiedlichen Gründen. 1. Der Newcomer, der mich am meisten geflasht hat dieses Jahr und alle überrascht, war ohne Zweifel Talus Turk. Wir wissen, dass Talus momentan einer der besten Freerider der Welt ist – doch bei der Rampage ist das noch mal ganz anders. Hier die richtige Line zu wählen, zu entscheiden, was möglich ist und in der Zeit umsetzbar und dann noch mit den Bedingungen klar zu kommen, das ist richtig heftig. Talus hat das hinbekommen und eine irre Show abgeliefert. In meinen Augen hätte er den 4. Platz verdient. Talus ist die Zukunft des Freeriding zusammen mit Typen wie Hayden Zablotny und Aiden Parish. 2. Kyle Strait. Kyle hat mich tief beeindruckt. Er hatte letztes Jahr einen so heftigen Crash auf seiner Rampage-Line, dass er sich den Rücken brach. Er hätte nach so einem Crash auch tot sein können oder gelähmt. Und ein Jahr später ist er wieder da und zieht seinen Run durch. Was ein Comeback! He is THE BOSS. 3. Bienves Run hat mich super gefreut. Für mich war sein Flip über den Canyon nicht so überraschend, weil ich weiß wie gut er in Frontys ist und wie sehr routiniert er Frontflips über fette Sprünge macht. Mich hat eher eher sein 360er-Drop überrascht, denn ich habe ihn noch nie bei einem 3er mit dem Downhillbike über einen Klippe gesehen – und so geschmeidig.
Alter scheint bei der Rampage keine Rolle zu spielen.
Ich bin fast der ältester Rampage-Teilnehmer mit 37 – ich sage „fast“, denn Gee Atherton ist 38 und ich zähle ihn zu den Rampage-Teilnehmern, auch wenn er im Finale nicht starten konnte. Mir wurde oft nahe gelegt, geraten, ja schier befohlen von Freunden, der Familie, meiner Frau, dass ich das sein lassen soll. Besonders meine Frau ist da eifrig dabei und sagt immer wieder: „Lass das sein!“ (Lacht) Sie will, dass ich aufhöre, doch sie respektiert meine Entscheidungen auch. Ich liebe es einfach zu sehr. Die Zeit da draußen in der Wüste Utahs ist die beste meines Lebens. Der Sieg dieses Jahr war der beste Tag in meinem Leben. Auch deshalb, weil meine Kinder dabei waren. Sie haben meine früheren Siege bei der Rampage oder Crankworx ja noch nicht mitbekommen. Doch um deine Frage zu beantworten: Ich habe mit 37 sogar das Gefühl noch besser zu werden. Aber klar weiß ich, dass das Alter eine Rolle spielt, der Testosteron-Spiegel sinkt usw. Vielleicht war dieses Jahr meine letzte Rampage, vermutlich aber nicht.
Hungrig auf einen dritten Rampage-Sieg?
Definitiv bin ich hungrig, ein drittes Mal zu gewinnen. Ich bin der Meinung, dass ich schon ein paar Mal hätte gewinnen müssen, doch das ist nur meine Meinung. Die Wettkampfrichter sahen das anders. Ja, ich werde zurück kommen, genau so hungrig wie all die Jahre zuvor. Ich würde bei der Rampage nicht auftauchen, wüsste ich nicht, dass gewinnen kann. Ich will keinem Newcomer den Platz weg nehmen, nur um dabei zu sein und TV-Zeit zu kriegen. Ich bin sehr erleichtert, dieses Jahr gewonnen zu haben und habe damit auch ein etwas inneren Frieden gefunden. Doch ich will ein drittes Mal gewinnen. See You in 2024 bei der Rampage!
Noch einen Satz zu Gee Atherton. Auch ein krasser Typ, der den Toughness-Award verdient hätte?
Oh Gee, was für eine krasse Nummer. Es war krank, den Drop zu machen. Es kam mir ein bisschen so vor, als hätte Gee die Entwicklung der letzten Jahre etwas verpasst. Wir sind mittlerweile so viel besser geworden im Bau von Landungen. Auch dank fließendem Wasser. Daher bauen wir Landungen jetzt viel länger, breiter, härter. Er hätte auch noch viel mehr Zeit gehabt. Doch er wollte es wagen, war bereit und hat’s gemacht. Doch ich hätte ein bis zwei Tage mehr an der Landung gebaut. Grundsätzlich ist der Drop möglich. Der Wind hatte ihn vielleicht etwas zur Seite gedrückt, dass er in weicher Erde gelandet ist. Ja, Hut ab vor Gee, dass er den Drop versucht hat. Der Drop ist krass!