Mit ihrem Gravelbike mit geradem Lenker ist die mittlerweile 30-jährige Wiebke Lühmann auf der bisher größten Reise ihres Lebens: eine Radtour nach Südafrika. Seit unserem letzten Bericht über Wiebkes Reise ist einiges geschehen. Es ist höchste Zeit für ein Update.
Senegal, das erste Land südlich der Sahara nach Mauretanien, war ein aufregender Meilenstein. “Die Grenze war sehr aufregend, weil es auf einen Schlag viel grüner geworden ist und die Sahara geschafft war”, erzählt Wiebke Lühmann. Die Vielfalt wilder Tiere nahm deutlich zu – Vögel und Warzenschweine zeigten sich überall. War es bisher schon heiß, kam jetzt noch die Schwüle dazu – der Wahoo zeigte 45 Grad Celsius. Auf ihrem Fahrrad fühlte Wiebke den heißen Wind und den von der Sonne erhitzten Asphalt unter sich. Sie fuhr zügig durch das Land, aber nicht ohne einen kurzen Halt bei einem Projekt zum Mangrovenaufbau im Saloumdelta einzubinden.
Die Reise führte weiter nach Gambia, wo Wiebke ein oder zwei Nächte bei einem deutsch-gambischen Paar in der Hauptstadt verbrachte. Die Überfahrt des Gambia-Flusses mit einer Piroge war bis jetzt eines der größten Abenteuer. Da Gambia das kleinste Land auf dem Kontinent ist, war die zu bewältigende Distanz für Wiebke erfreulich kurz.
Als nächstes ging es nach Guinea-Bissau, das bisher abwechslungsreichste Land auf der Radreise von Freiburg im Breisgau nach Kapstadt. Die Unabhängigkeit von Portugal erlang das Land erst 1973. Die Amtssprache ist portugiesisch. Praktisch für Wiebke, denn so konnte sie sich dank ihrer Spanisch-Kenntnisse gut verständigen. Zum ersten Mal in ihrem Leben wilde Schimpansen zu sehen, war hier definitiv ein Highlight. In großen Nationalparks wird sich um den Erhalt der Artenvielfalt bemüht. Vielerorts ist vieles an Wildtieren schon ausgestorben und wird oder wurde gejagt.
In Guinea-Bissau war Ausharren angesagt, denn Wiebke Lühmann musste tagelang auf ihr Visum für Guinea warten - gemeinsam mit Julien Soleil, ihrem Gefährten, der ihre Reise ein Stück begleitet - mehr dazu später. Kennengelernt haben sich die beiden in der Sahara. Die Wartezeit haben sie gut genutzt und einen Ausflug auf die Insel Bubaque unternommen. “Die Insel war traumhaft schön” erinnert sich Wiebke. Es gibt etwas Infrastruktur mit Hotels, Restaurants aber auch Strände, die weder bebaut noch bewohnt sind. “Da haben wir eine Nacht wild gezeltet und hatten den ganzen Strand für uns alleine. Wir haben Delfine im Wasser gesehen”, erzählt sie.
Dann kamen die Visa und die Reise ging weiter. “Der Grenzübergang war super anstrengend und hat uns viele Körner gekostet”, erinnert sich die Radreisende. Der Weg war Gravel und führte durch den Dschungel, wo es auch zwei Tage lang keinen Handy-Empfang gab. Zwischen den Grenzen (Aus- und Einreise) lagen 40 anstrengende Kilometer. “Wir haben uns etwas verloren gefühlt, mussten gut planen und viel Verpflegung mitnehmen”, berichtet Wiebke in einer Sprachnachricht und sagt weiter, dass sie sich auf längere Wartezeiten und Unannehmlichkeiten einstellen mussten. Aber alles hat gut geklappt - abgesehen von zwei kleinen Stürzen.
In der Hauptstadt Guineas, Conakry, bremste ein Bürokratie-Marathon aus: Wieder waren Visa für die Elfenbeinküste und Liberia nötig und Wiebke musste sich auf die Suche nach Paketen machen, die für sie angekommen sein mussten: wichtige Ersatzteile. Als diese Pakete schließlich gefunden waren, waren Schmiergelder zu bezahlen, um sie auch ausgehändigt zu bekommen. Nicht nur deshalb hat sie sich in dieser Stadt nicht wohl gefühlt. “Die Stadt war überhaupt nicht schön, ich glaube die schlimmste Stadt auf meiner Reise”. Und doch musste sie hier wohl oder übel einige Tage verbringen. Tagsüber gab es keine Elektrizität, es gab viel Elend.
Endlich ging es weiter, schnellstmöglich nach Sierra Leone. Hier war es angenehmer. Viele Straßen waren neu gemacht und das Reise-Duo kam gut voran. Die Amtssprache ist englisch, außerhalb der Hauptstadt sprechen das zwar nur 10 Prozent der Bevölkerung - aber die Verständigung war hier einfacher.
Uff, dann kam Liberia. Das war wieder super anstrengend. Wiebke und Julien haben sich für eine 500-Kilometer-Route durch den Dschungel entschieden. Dort gab es kaum Empfang. Es gab kein Hotel, und wenn es ein Restaurant oder ähnliches gab, dann war das Essen viel zu scharf für Wiebke und Julien. Satt essen: Fehlanzeige. Also war Selbstversorgung angesagt.
In Liberia haben wir nur von Nudeln und Thunfisch gelebt.
Die Fahrt war dank der einsetzenden Regenzeit erschwert. Die Straßen sind hier ohnehin nicht gut, nun glichen sie aber teilweise Schlammlöchern, durch die die Räder gehievt werden mussten. Zusätzlich war die Zeit emotional sehr belastend. Die Menschen, denen sie unterwegs begegnet sind, erzählten, dass es ihnen nicht gut geht, sie bekommen keine Unterstützung und fühlen sich vom Staat vergessen - Stichwort: Straßenverhältnisse.
Ein Tag war besonders schlimm. Wiebkes 30. Geburtstag. Sie saß im Regenwald fest mit wenig Empfang, das gemeinsam Reisen war gerade... sagen wir... schwierig und die Gesamtsituation emotional belastend und aufwühlend.
“Ich war so erleichtert, als wir in Cote d’Ivoire ankamen” - man hört Wiebke die Erleichterung an. Die Straßen waren viel besser, es gab wieder Hotels und Restaurants. Das Beste war ein Wiedersehen. Ein Wiedersehen mit Fabienne Engel, die nach Abidjan gereist war, um Videoaufnahmen für den geplanten Film zu produzieren - und um ihre Freundin Wiebke zu umarmen. Fabienne war fast 10 Tage dort. “Es war fast, als würde die Heimat zu mir kommen, das tat gut und konnte mein Heimweh etwas beruhigen”, erzählt Wiebke. Die gemeinsame Zeit verging wie im Fluge. Sie war geprägt von intensiven Gesprächen, Emotionen und viel Entdecken.
Generell hat die Cote d’Ivoire für Wiebke viel Veränderung bedeutet.
Wiebke Lühmann und Julien Soleil haben sich in der Sahara kennengelernt. Aus einer Begegnung und noch einer, wurde gemeinsam unterwegs sein und schließlich gemeinsam reisen. Eigentlich sollte es für Julien von Dakar aus nach Hause gehen. Statt dessen hat er sich entschieden, Wiebke noch ein Stück auf ihrer Reise zu begleiten, nicht ohne das Einverständnis seiner Oma. Gemeinsam ging es durch Senegal, Gambia, Guinea-Bissau, Guinea, Sierra Leone, Liberia bis an die Cote d’Ivoire. In Abidjan hieß es schließlich, Abschied nehmen.
Freundin Fabienne brachte Utensilien für einen Equipment-Wechsel mit. Von den zwei Satteltaschen hinten hat Wiebke jetzt zu ihrer geliebten Arschrakete von Ortlieb gewechselt. Laptop, Wanderschuhe und mehr sind gemeinsam mit Fabienne in die Heimat geflogen.
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Was hat Wiebke alles dabei und wo hat sie es am Rad verstaut hat, jedenfalls bis zum Wechsel zu anderen Taschen? Zu dem Thema hat sie ein Video bei YouTube veröffentlicht:
Und so sieht das neue Setup aus. Damit fühlt sich Wiebke Lühmann viel agiler und wohler.
Nach dem doppelten Abschied, von Julien und auch wieder von Fabienne, ist Wiebke wieder allein unterwegs. Sie vermisst die gemeinsame Zeit, ihr Heimweh wächst schnell. Gleichzeitig hat sie schon über die Hälfte der Strecke von Freiburg im Breisgau bis nach Kapstadt zurückgelegt, es braucht Zeit, das zu realisieren. Wenn Wiebke auf andere Radreisende trifft, ist die Freude groß, das bringt Ablenkung und Austausch.
Fast täglich ist Wiebke mit Planen beschäftigt. Mit dem Planen des nächsten Tages und mit dem Planen der nächsten Zeit und der genauen Reiseroute. Sie beginnt zu überlegen: Lohnt sich dieser Umweg? Oder jener? Kann dies oder das noch in die Reiseroute integriert werden? Zu diesen Überlegungen inspiriert sie auch der Podcast von Lael Wilcox, die aktuell versucht, einen neuen Weltrekord für eine Weltumrundung per Fahrrad ohne Support-Team zu erreichen. Der aktuelle Rekord liegt bei 124 Tagen, den die Schottin Jenny Graham 2018 aufgestellt hat. Lael Wilcox will es in 110 Tagen schaffen. In ihrem Podcast “Lael rides around the world” berichtet sie täglich über ihre Tour. Sie erzählt auch, dass sie das ein oder andere Highlight in ihren Track eingeplant hat, statt der schnellsten Route zu folgen, weil es eine “once in a lifetime possibility” - eine einmalige Möglichkeit - ist.
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In Ghana war Wiebke bei GiZ-Mitarbeiterinnen zu Gast, die für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Westafrika leben und arbeiten. Für Wiebke fühlte sich die Zeit, genau wie der Besuch von Fabienne, nach zu Hause an. Sie konnte in den europäischen Luxus der Expats eintauchen. Ihre Radfahrt führte so also von “Insel zu Insel”.
In Togo kam Wiebke bei der ständigen Vertreterin des Botschafters unter, die auf dem Botschafter-Campus lebt. Wiebke hat sich die letzten Wochen etwas Ruhe gegönnt, denn ihre Sehnsucht nach Pause und Ruhe war groß. Es tat gut, das zuzulassen.
Wiebkes Route ist eine Grobplanung, genau genommen ist nur das Ziel gesetzt: Kapstadt. Außerdem will sie Weihnachten wieder mit der Familie feiern. Aber jetzt ist erst einmal Zeit für eine andere Freude. Bald ist sie nicht mehr allein unterwegs. Julien kommt zurück und begleitet sie weiter. “Ich habe ihn überzeugt, dass es zusammen schöner ist”, sagt sie.
Wiebke freut sich riesig! Nur ein Problem gibt es noch. Sein Rad ist nicht angekommen. Aufregung, denn das Visum für Togo läuft bald aus. Der Plan ist, gemeinsam durch Nigeria, Kamerun und Kongo zu fahren. Drei politisch etwas instabilere Länder. Wiebke beschreibt die Situation wie folgt: “Nigeria ist, was die Sicherheitslage angeht, seit vielen Jahren sehr kritisch, deshalb muss man da besonders aufpassen. Ich bin sehr froh, dass ich nicht alleine fahren muss.”