“Schon gesehen? Das neue Sleeper Shreddit ist raus!” – unter Downhill-Fans sind die Actionclips der Engländer ein absolutes Highlight unmittelbar nach jedem Worldcup. In der Szene genießen die kurzen Vollgas-Zusammenschnitte Kultstatus. Doch wer sind die Typen, die uns die Action frei Haus liefern, was treibt sie an, wie verdienen sie damit ihr Geld und wie schaffen sie es, überall zu sein und in kürzester Zeit die krassesten Momente in 3,5 Minuten zusammen zu fassen? Wir haben einen der Sleeper-Chefs, Max Rendall, gefragt.
BIKE: Die Fan-Gemeinde der Sleeper Shreddits wird immer größer. Auch wir hier bei BIKE sind große Fans und freuen uns auf jedes neue Shreddit. Wie kam es dazu?
MAX RENDALL (29): Da steckt eine witzige Geschichte dahinter. Wir waren damals in Fort William beim Worldcup und wir hatten einen jungen Praktikanten engagiert. Er hatte viel Talent, doch wenig Erfahrung. Wir nahmen ihn mit zum ersten Worldcup. Der Herr Praktikant schlug dann vor, aus all der Footage des Worldcups ein spritziges Edit zusammen zu schneiden. Gute Idee, aber unsere Crew war voll am Anschlag. Deswegen setzte er seine Idee selbst um und schnitt tatsächlich er das erste Shreddit zusammen.
Wie?! Es war die Idee des Praktikanten?
Ja, verdammt, es war nicht mal unsere Idee, sondern seine. Die Idee eines 18jährigen Praktikanten.Er heißt Archie Macdonell.
Verrückt. Und was war euer Auftrag in Fort William?
Wir sind eine vierköpfige Filmcrew, die Sleeper. In Fort William hatten wir für Pinkbike Racing gefilmt. Du weißt: die Serie von Ben Cathro. Aber wir filmen auch für andere Auftraggeber während des Worldcups. Z.B. für Red Bull oder verschiedene Hersteller.
Eure Firma heißt Sleeper, Schläfer auf Deutsch. Ein komischer Name für Filmemacher. Wer will schon Schlafmützen engagieren.
„Sleeper“ heißt auch Eisenbahnschwelle. Das Wort kam mir in den Sinn, weil wir als Kinder auf einem Bahndamm herumtollten. Wir verbrachten so viel Zeit dort, dass wir wie Eisenbahnschwellen („Sleepers“) wirkten – immer an den Gleisen. Ich mochte das Wort, weil ich es auch als Beschreibung gehört hatte für ein äußerlich normales Auto mit etwas Besonderem unter der Motorhaube – ein VW Käfer mit Porsche-Motor. Es brachte mich zu der Überzeugung, dass jeder Mensch etwas Besonderes oder Einzigartiges an sich hat und jeder eine Geschichte erzählen kann, die es wert ist, erzählt zu werden. Geschichten von Außenseitern finde ich am inspirierendsten.
Was ist aus eurem Praktikanten geworden?
Archie studiert gerade an einer Filmhochschule, doch er wird sicher wieder zu uns stoßen.
Wie wurde aus dem Shreddit eine Serie?
Der Auftakt-Clip unseres Praktikanten kam gut an, deswegen machten wir einfach weiter und am Ende der Saison schnitten wir noch ein Best-Off zusammen. Das war Ende 2023, wenn ich mich richtig erinnere.
Ein Erfolg, will ich mal annehmen.
Und was für einer. Der Clip wurde 1,7 Millionen mal angeschaut. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet.
Da steckt aber auch eine Menge Arbeit drin. Könnt ihr damit Geld verdienen?
Wir machten’s nur zum Spaß. Für die Bike-Szene. Allerdings kann man ab diesem Jahr Merchandise kaufen. Das Geld verdienen wir mit unserer Filmerei für Auftraggeber. Das Shreddit ist ein Nebenprodukt, das uns eine Menge Spaß macht, daher wollen wir damit auch weiter machen.
Die Clips erinnern mich an die frühen Sprung- und Earthed-Filme. Also eine Mischung aus Klamauk, Vollgas-Action, Stürze, Komik und Seitenblicken. Haben euch diese Filme inspiriert?
Dafür bin ich zu jung. Ich kam erst 2012 zum Downhillen, also eher in der Aaron-Gwin-Ära. Das war ein bisschen spät für die Earthed-Filme. Die waren vor meiner Zeit.
Kennst du sie gar nicht?
Doch. Wir haben uns die Streifen im Team nachträglich angeschaut. Diese Art Filme ist leider verschwunden. Die Lücke wollen wir jetzt schließen. Unser Ansatz: Wenn es uns gelänge, die Clips unmittelbar nach dem Worldcup rauszubringen, also einen Tag später im Idealfall, würden sich die Leute das sicher gerne anschauen. Mehr als ein Tag Schneiden war also nicht drin.
Ein Tag nur – wow! Ich wette, ihr habt eine Menge Footage, die da gesichtet werden muss. Wie groß ist dein Team?
Wir sind zu viert. Also vier Filmer am Berg. Daher kriegen wir von den Rennen eine Menge mit. Pro Worldcup schießen wir 3,5 bis 5,5 Terrabites am Wochenende. Doch wir taggen sofort, das heißt, wir markieren unmittelbar: Sturz, Fahrer, Team oder Sleeper. Alles was mit Sleeper getaggt ist, wandert ins Shreddit. Nur so gelingt es uns, ein Shreddit schnell zusammen zu stellen. Ansonsten müssten wir alles noch mal sichten, was ewig dauern würde. Kurzum: Das Schneiden ist eine Ein-Mann-Nummer in kürzester Zeit.
Ein-Mann-Nummer?
Ja, wir wechseln durch. Jeder im Team kommt dran und darf ein Shreddit zusammenstellen. Daraus hat sich eine Art Wettkampf entwickelt. Jeder versucht natürlich, denn erfolgreichsten Shreddit zu machen.
Wer führt gerade?
(Lacht) Ich. Letztes Jahr habe ich 100 € für den Sieger ausgelobt. Die muss ich nun gottseidank nicht zahlen, denn ich habe sie selbst gewonnen.
Welches war der Sieger-Shreddit?
Neben den Jahresrückblicken, die am meisten Klicks bringen und außer Konkurrenz laufen, Polen und Red Bull Hardline – beide habe ich geschnitten. (lacht) Mein Business-Partner Glen Thomson – wie sind jeweils zu 50 Prozent an der Firma beteiligt – hat letztes Jahr das Les Gets Edit geschnitten, das ziemlich durch die Decke ging. Doch eigentlich wird die Anzahl der Viewer dem Edit nicht ausschließlich gerecht. Es ist die Qualität des Ganzen und was für Gefühle es bei dir hervorruft.
Würdest du nicht sagen, dass der Clip, der dich besonders packt, auch am meisten angesehen wird?
Manchmal ja, manchmal auch nein. Ein Clip kann super geschnitten sein, doch die Musik trifft nicht genau den Geschmack der Leute. Dazu kommt, dass wir nicht immer das Gleiche machen wollen, nur um erfolgreich zu sein. Sondern auch mal einen anderen Stil wählen. Unsere Devise: keine Regeln, keine Grenzen, mach, was sich gut anfühlt. Manchmal gibt es einen Clip, den nicht alle mögen, aber manche lieben und anders herum.
Das Motto eurer Mechandise-Produkte lautet: Hesitation kills. Also: Zögern tötet. Wer kam darauf?
Da brachte uns ein Worldcup-Zuschauer in Fort William drauf. Ich glaube, das war 2024. Er hatte rutschige Schuhe an und ich rief ihm zu: Hesitation kills. Das galt für ihn wie auch für unseren Sport. Denn oftmals ist es sicherer, entschlossen oder sogar über-entschlossen ran zu gehen als zu zögern.
Kriegt ihr Feedback von den Fahrern?
Die meisten Fahrer lieben die Shreddits und freuen sich, wenn sie drin vorkommen. Ronan Dunne zum Beispiel kam zu uns und hat sich bedankt für das Shreddit aus Les Gets, wo er drin vorkam.
Ronan Dunne ist ein dankbarer Protagonist, nehme ich mal an. Der Typ ist ja meist super sketchy unterwegs und voll am Limit.
Ja, Ronan macht es uns leicht. Auch der Junior-Racer aus Kanada Bodhi Kuhn ist extrem stylish. Jackson Goldstone kann ebenfalls verdammt stylish aussehen. Amaury Pierron wirkt auf Filmaufnahmen irre schnell – auch super fürs Shreddit. Doch das wechselt von Race-Wochenende zu Race-Wochenende, je nachdem, wer gerade voll in Form ist.
Wenn ich jemanden die Faszination Downhill Racing mitteilen will, schicke ich ein Shreddit.
Dieses Jahr gab es sogar eins von der Red Bull Hardline. Wie kam es dazu?
Ja, das war das erste Mal. Das lag daran, dass wir ein Projekt mit Asa Vermette filmten im Auftrag von Red Bull. Und da fragten wir Red Bull, ob wir ein Shreddit machen dürfen und bekamen grünes Licht. Die Red Bull Hardline ist wie gemacht für Shreddit, denn jedes Feature hat Shreddit-Potenzial.
Kannst du dir vorstellen, das Shreddit-Konzept auch auf Enduro oder sogar Cross-Country anzuwenden?
Ich finde die Idee großartig. Enduro bräuchte genau so was für sein Image. Doch wir sind gerade voll auf Downhill fokussiert und haben alle Hände damit zu tun. Es würde unseren Terminplan völlig sprengen, müssten wir da noch was reinpacken. Aber ich würde es irre gerne mit Enduro ausprobieren.