Stefan Frey
· 10.08.2025
Die Zeltplane zittert und meine Ohren dröhnen als der Airbus A350 mit vollem Schub über mein Einmann-Mobilheim donnert. Es ist 22:20 und obwohl ich hundemüde bin, ist an schlafen nicht zu denken. Eigentlich gilt am Münchner Flughafen ein Nachtflugverbot ab 22 Uhr, eigentlich. Dass aber noch bis elf in der Nacht Flugzeuge mit Sondergenehmigung starten dürfen, erklärt mir mein Freund ChatGPT erst, als ich schon gemütlich eingemummelt im Schlafsack liege. Starten dürften aber nur Maschinen mit sehr geringem Lärmpegel, schiebt der Schlauberger hinterher, als gerade der nächste Flieger über mir röhrt, dass die Buchstaben auf dem Handy-Display wackeln.
Diese 3 Taschen für’s Bike hat Stefan auf seiner Tour getestet:
Dass ich eine Nacht kurz hinter Hallbergmoos verbringen würde, hatte ich recht kurzfristig beschlossen. Decathlon wollte seine neuen Bikepacking-Taschen zum Test schicken. Lenkertasche, Framebag, Arschrakete und Co. mit solider Funktion zum Schnäppchenpreis, versprach der französische Outdoor-Riese - und ein Overnighter aus dem Homeoffice in die Redaktion nach München stand schon lange auf dem Plan. Seit Corona führt mein Arbeitsweg nämlich viermal pro Woche aus dem Schlafzimmer einmal quer über den Flur ins Office – da ist Bewegungsmangel vorprogrammiert.
Der Weg mit dem Bike von Landshut in die Münchner Redaktion schien mir die ideale Abwechslung und ein perfekter Einstieg in die Welt der Mikroabenteuer – man muss es ja nicht gleich übertreiben. Die Route war schnell ausgearbeitet: Größtenteils sollte es am Isarradweg entlang über Moosburg und Freising nach Hallbergmoos gehen, mit ein paar Abstechern aufs Isar-Hochufer – 68 Kilometer am Montag kurz nach Feierabend, das schien gut machbar, und am Dienstagmorgen noch gemütlich 30 weitere quer durch den Englischen Garten und durch München nach Obersendling.
Als gerade der nächste Jet seine Triebwerke auf Volllast hochdreht, frage ich mich, wie ich dieses 1618 Hektar große Detail “Münchner Flughafen” bei der Planung auf der Karte bloß übersehen konnte. Der Dialog meiner Netflix-Serie zerreißt im Getöse zu Wortfetzen und ich schiebe mir meine Ohrstöpsel bis auf Anschlag in den Gehörgang. Doch selbst mit den guten Wachspfropfen fühle ich mich, als hätte ich die Isomatte direkt auf der Startbahn ausgerollt. Ich versuche mich abzulenken und überlege, wie ich am nächsten Morgen vielleicht mein Taschen-Setup noch etwas optimieren könnte.
Als Lastenesel für mein Vorhaben habe ich mein altes Trail-Hardtail gewählt. Ein Ghost Asket, das ich vor einem halben Jahr mühevoll vom Lack befreit, liebevoll mit neuem Farbglanz versehen und zum leichten Kilometerfresser umgerüstet hatte. Klar, ich hätte auch einfach dem Trend folgend meine Siebensachen auf ein hippes Gravelbike schnallen können. Doch anders als meine Kollegen Dimi und Laurin, die seit kurzem die Liebe zum Rennlenker entdeckt haben, mag ich keine Dropbars. Dafür schätze ich die Kontrolle eines MTB-Lenkers, komfortabel dämpfende 2,4er Race-Reifen und die handgelenkschonende Funktion einer Federgabel umso mehr.
Nach einer Packliste für meinen ersten Overnighter musste ich nicht lange suchen. Das Netz ist voll davon und ich bin scheinbar einer der letzten, die sich noch nicht auf diese Art von Mikroabenteuer eingelassen haben. Als ich alles zusammengekramt hatte, überlegte ich noch kurz, ob ich das kleine MSR Hubba Hubba Bikepacking Zelt nicht doch lieber zuhause lassen sollte, so groß war der Haufen an Equipment, der sich vor mir auftürmte. Doch obwohl ich die Natur liebe, schlafe ich nicht gerne unter freiem Himmel – Käfer, Mücken, Spinnen, was einem da nicht alles in die Nase kriechen könnte. Also rein damit in die Lenkertasche und ran ans Rad. Letztlich war ich doch überrascht, wie easy alles in den Bikepacking-Taschen Platz fand.
Das MSR Hubba Hubba Bikepacking Zelt kostet 620 Euro, aber bei Amazon, Sport-Bittl oder Bergfreunde gibt es aktuell im Angebot.
Kurz nach 16 Uhr: Laptop zuklappen, in die Bibshort schlüpfen, Trinkflaschen auffüllen. Noch ein paar Riegel zur Sicherheit in die Foodpouch gestopft. Kinder umarmen, Ehefrau küssen, einklicken. Jetzt konnte es losgehen. Die ersten Kilometer rollte ich entspannt an der Isar entlang – überrascht, wie leicht sich das Bike doch trotz Vollbeladung fuhr. Vom Arbeitsstress hatte ich mich zum Glück auch zuhause noch verabschiedet. Stattdessen fingen die Gedanken an zu schweifen. Wie wird wohl die Nacht werden? Wo bekomme ich heute Abend was essen - aus Platzgründen hatte ich mich gegen den Campingkocher entschieden. Und wie werde ich mich fühlen, wenn ich da so ganz allein im Lokal am Tisch sitze?
Die Kilometer zogen an mir vorbei wie die Gedanken durch meinen Kopf und nach ein paar kurzen Anstiegen rauf aufs Isar-Hochufer führte mich die Route schon unter A92 und Zentralallee hindurch, dem Zubringer zum Münchner Flughafen, nur sieben Kilometer von meinem Etappenziel entfernt. Spätestens jetzt hätte ich stutzig werden müssen, denn über der Autobahn kreisten die Urlaubsflieger wie die Geier über dem Aas. Doch der Lagerplatz war reserviert und wenig später rollte ich schon auf den Hausler Hof, einen kleinen Gutshof mit günstigen Camper-Stellplätzen.
Ein passendes Plätzchen für mein Zelt war schnell gefunden. Isomatte aufgeblasen, Schlafsack ausgerollt und dann gings ab zum Inder nach Hallbergmoos. Mit vollem Magen und müden Beiden machte ich mich mit dem letzten Tageslicht auf den Rückweg zum Bauernhof, begleitet, wie sollte es auch anders sein, vom Donnern einer startenden Lufthansa-Maschine.
Und jetzt liege ich hier, eingerollt in meinen Schlafsack, Stöpsel in den Ohren und hoffe, dass endlich das Nachtflugverbot greift. Es ist kurz vor elf Uhr, als ich endlich in den wohlverdienten Schlummer verfalle, doch eine erholsame Nacht ist mir nicht vergönnt. Immer wieder reißt mich das Rascheln der Zeltplane aus dem Schlaf. Oder mein Kopf rutscht von der Arschrakete, die ich mir als Kopfkissen ins Zelt gezogen habe. Zu allem Überfluss will irgendwann auch noch der Spezi aufs Klo gebracht werden, den ich mir beim Inder gegönnt hatte. Und als um kurz nach fünf der erste Flieger seine Triebwerke zündet und das Go für den Start vom Tower im Cockpit ertönt, ist auch für mich die Nacht vorbei und ich packe meine Siebensachen wieder zusammen und rolle etwas gerädert die letzten 30 Kilometer in die Redaktion nach Obersendling.
Ok, die Wahl des Schlafplatzes war nicht ideal, das geb‘ ich zu. Doch ansonsten würde ich die Tour auf jeden Fall wieder machen. Schon nach wenigen Kilometern auf dem Rad lässt man den Arbeitsstress hinter sich und tritt absolut entspannt in die Pedale. Wer gerne Gesellschaft hat, sollte es trotzdem mal allein versuchen. Schweigen ist vielleicht feige, da hatte Westernhagen schon Recht, aber Reden ist auch nicht immer Gold. Es tut gut, auch einfach mal seinen Gedanken freien Lauf zu lassen.
Mit einer guten Packliste und etwas Erfahrung, ist auch die Ausrüstung in kurzer Zeit zusammengepackt. Am besten, man stellt sich eine Kiste mit der wichtigsten Grundausstattung zusammen und ergänzt nur, was man je nach Wetter oder Lagerplatz noch benötigt. Ob man Zelt oder Kochgeschirr mitnimmt, ist eine persönliche Sache. Je leichter man unterwegs ist, desto besser natürlich.