Kriss KyleWeinlese - BMX-Superstar freestylt mit dem Enduro im Schweizer Weinort Lavaux

Dimitri Lehner

 · 20.07.2024

„Oh Gott, das war ein harter Einschlag. Off Camber, das hat richtig gestaucht. Auf der anderen Seite: Ich hatte Federung an meinem Bike. Mit dem BMX hätte es dich so richtig eingebombt“, sagt Kriss Kyle und beschleunigt danach gleich zum Open-Loop, ohne was zu sehen.
Foto: Jan Cadosch / Red Bull
Kriss Kyle (32) ist ein Phänomen, BMX-Superstar und auch auf dem Mountainbike begeistert er mit seinem Style die Szene. Sein Debüt-Edit “Out of Season” sammelte mehr als 1,5 Millionen Klicks. Kürzlich machte Kriss die Weinberge von Lavaux am Genfersee unsicher. Eine Gegend, wo wir den schottischen BMXer nicht vermutet hätten.

Kriss Kyle (32) ist ein Phänomen. Der Schotte war auf bestem Weg, unter der Brücke zu enden. Schule geschwänzt, von daheim weggelaufen, Jahre lang ohne festen Wohnsitz, im Skatepark übernachtet und jetzt: BMX-Superstar. Mehr noch: Kriss übertrug seine Skills aufs Mountainbike und begeisterte mit seinem Style die ganze MTB-Szene. Sein Debüt-Edit “Out of Season” sammelte mehr als 1,5 Millionen Klicks. Kürzlich machte Kriss die Weinberge von Lavaux am Genfersee unsicher. Eine Gegend, wo wir den schottischen BMXer nicht vermutet hätten.

FREERIDE: Lavaux am Genfersee. Da hätten wir dich jetzt nicht erwartet.
Kriss Kyle: Oh ja, das kann ich mir denken. Ich war zuvor nie dort gewesen. Die Idee kam von Red Bull Switzerland. Als ich die Gegend sah, war mir gleich klar: Das ist Mountainbike-Gelände, mein BMX kann ich getrost zu Hause lassen.

In deinem Clip kommen ganz abgefahrene Locations vor. Wie findest du die?
Das ist die größte Schwierigkeit: gute Spots für Stunts zu finden. Das ist meist so, wenn ich so ein Projekt angehe. Deswegen bin ich mit meinem Team angereückt. Wir haben die Gegend erkundet und schauten was möglich ist. Das kannst du dir so vorstellen wie beim Malen. Der Maler sitzt anfangs vor einer weißen Leinwand. So sehen wir einen Bahnübergang. Und dann kommen die Ideen. Die Jungs sasgen: Was wenn wir hier eine Kicker bauen und du dort rüber springst? Könnte das klappen? Ich sage: Nein, dort steht eine Laterne, die verblockt die Flugbahn usw. Das ist ein cooler, kreativer Prozess, und ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich solche Projekte umsetzen darf.

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Wie kann ich mir dein Team vorstellen?
Das sind im Grunde meine besten Freunde. Mit ihnen arbeite ich an all meinen Projekten. Jack and George sind die Holzspezialisten. Sie bauen alle Rampen und Stege. Und dann habe ich fünf Jungs, die alle Erdarbeiten machen. Insgesamt also 6-7 Dudes.

Der Open-Loop sah besonders spektakulär aus.
Ich habe die schräge Hauswand gesehen und sie stach mir gleich ins Auge. Denn sie schien die ideale Landung für ein Open-Loop. Mit Jack und George hirnte ich, ob wir einen Holzkicker so positionieren könnten, dass er mich in die Landung trägt. Der Stunt war ziemlich krass, denn ich sah überhaupt nichts. Ich musste diese Gasse runter auf den Kicker zu pedalieren und sah überhaupt nicht, wo ich landen würde. Da galt das Motto: Zieh am Lenker, wirf den Kopf in den Nacken und hoffe, dass es klappt.

„Nix gesehen, nur gehofft“, sagt Kriss über den Open-Loop. Der Stunt hat Kriss einige Kopfschmerzen bereitet. Vier Versuche hat er gebraucht. Und dann schnell weiter!Foto: Eisa Bakos / Red Bull„Nix gesehen, nur gehofft“, sagt Kriss über den Open-Loop. Der Stunt hat Kriss einige Kopfschmerzen bereitet. Vier Versuche hat er gebraucht. Und dann schnell weiter!

Das klingt sehr fatalistisch. Wie gehst du mit solchen Situationen um, eigentlich hast du ja keine Ahnung, ob der Trick überhaupt möglich ist.
Du darfst nicht vergessen, dass ich viel Erfahrung habe. Ich kann zwar nicht mit Sicherheit sagen, ob der Stunt klappt, doch mein Auge ist über die Jahr so gut geworden, dass ich sehe, was möglich ist und was nicht. Ne gute Faustregel: Wenn ich es visualisieren kann, dann kann ich’s auch wagen. Sei beruhigt: Ich schieß mich da nicht auf blöd irgendwo in den Himmel. Meine Aktionen sind kalkuliert, sonst überlebst du nicht lange in diesem Geschäft.

Dennoch entsteht da ja ein irrer Leistungsdruck. Wie war das beim Open-Loop?
Bei diesen Projekten lastet Druck auf mir, ganz sicher. Oft wird der noch erhöht durch Zeitdruck. Beim Open-Loop wurden uns maximal zwei Stunden gegeben, dann musste wieder alles weg sein: die Rampe, die Kameras und wir selbst auch. Denn die Straße wurde für den Verkehr gesperrt und Leute, die da rumspazieren wollen. Also passiert alles sehr hektisch.

Also kein Airbag?
Nein, wir hatten zwei Matten. Darauf wollte ich im Falle eines Crashs landen. Und natürlich geht es nicht gleich glatt. Die ersten zwei Male fiel ich auf die Matten. Doch ich war nah dran. Also Matte weg und beim vierten Versuch landete ich den Sprung. Große Erleichterung! Ich war sehr froh, einen Stunt abhaken zu können.

Das 40-Fuß-Gap konntest du aber nicht abhaken.

Meine Devise lautet: Wenn ich einen Stunt ankündige, will ich ihn wenigstens ein Mal versucht haben. Am letzten Tag wollten wir dieses Gap filmen. Doch mittlerweile hatte ich schon einen gebrochenen Zeh und mir mein Knie sehr schmerzhaft angeschlagen. Ich wollte von einer Eisenbahnbrücke über 10 Meter weit an eine Wand springen. Selbst meine Freunde – und das passiert sehr selten – sagten: “Lass es sein. Wir haben echt coole Stunts. Kein Grund ein so hohes Risiko einzugehen.”

Und? Bist du deiner Devise treu geblieben?
Als ich den Run-In ein paar Mal ausprobierte, wurde es immer windiger. Nein, es fühlte sich nicht richtig an. Mein Freunde rieben sich das Kinn statt wie sonst mich anzufeuern mit: “Send it! You got this!” Also vertraute ich meinem Gefühl. Denn ich kann wirklich gut einschätzen, was klappt und wo man sich verletzt. Daher hatte ich bisher ziemlich wenige Verletzungen.

Welcher Stunt aus deinem Edit hat deinen Puls am meisten beschleunigt?
Der Wallride mit der langen Holzanfahrt. Am Abend zu vor hatte ich ihn ausprobiert und war zu weit gesprungen. Das habe ich nicht mehr halten können, bin über den Lenker geflogen und habe mir dabei den Zeh gebrochen. Soooo nervig! Dabei hatten die Dreharbeiten noch überhaupt nicht begonnen , am Tag 1 von insgesamt 10 Drehtagen. Deswegen hatte ich echt Bammel am nächsten Tag vor diesem Stunt. Vor den Schmerzen! Ich wusste, würde ich auch nur mit dem Fuß vom Pedal rutschen – es würde höllisch weh tun. An einen Crash wollte ich gar nicht denken. Dieser Wallride und der Open-Loop haben mich am meisten gestresst.

„Bei dem Stunt hab ich mir den Zeh gebrochen, weil zu schnell. Ich wurde so in den Wallride geschleudert, dass ich über den Lenker ging und unkontrolliert aufschlug“, erinnert sich Kriss. Deswegen schoss der Puls am nächsten Tag in die Höhe als es drum ging, denn Wallride vor laufender Kamera zu machen.Foto: Jan Cadosch / Red Bull„Bei dem Stunt hab ich mir den Zeh gebrochen, weil zu schnell. Ich wurde so in den Wallride geschleudert, dass ich über den Lenker ging und unkontrolliert aufschlug“, erinnert sich Kriss. Deswegen schoss der Puls am nächsten Tag in die Höhe als es drum ging, denn Wallride vor laufender Kamera zu machen.

Dagegen sah der Tailwhip über’s Geländer so easy und leicht aus.
Das freut mich, doch er war alles andere als easy. Denn der Kicker hebelte mich irgendwie komisch in die Luft und das Specialized Stumpy zu tailwhippen ist so viel schwieriger als ein BMX. Ich musste den Bike einen ordentlichen Tritt verpassen. Ich brauchte fünf Versuche, um das hin zu kriegen. Das Specialized ist ein Serienbike. Nur eins habe ich verändert wie an all meinen Bikes, sogar am E-Bike: Ich habe die Zugführung so modifiziert, dass ich Tailwhips und Barspins machen kann.

Wer entscheidet, was du anziehst bei deinen Edits. Das orange-farbene Blouson war sehr telegen. Hast du den rausgesucht?
Ha ha, das Blouson war von Prada. Prada wollte schon immer mal ein MTB-Edit unterstützen und suchte sich zufällig mein Projekt raus. Also ließ mich Prada nach Milan einfliegen, wo ich im Headquarter meine eigenen Klamotten designen konnte mit den Prada-Schneidern. Das Blouson ist ein Einzelstück und sicher 6000 Euro wert – verrückt! Mein T-Shirt kostete 800 Euro. Auch mein Built-Team wurde mit Prada-T-Shirts. Es war witzig George zu sehen voller Sägespäne, Schweiß und Dreck auf seinem Prada-T-Shirt für 800 Euro.

Prada! Passt das zu dir?
Wie meinst du das? ha ha. Ich finde es cool, wenn Marken außerhalb des Sports, solche Ideen unterstützen. Das hilft uns allen. Denn das Publikum wird größer, Mountainbiken wird populärer, mehr Geld strömt in den Sport und macht neue Projekte möglich.

Hast du ein Mitspracherecht, wenn es darum geht den Clip zu schneiden oder die Musik zu wählen? Oder macht das Red Bull?
Nein, ich selbst habe die Musik ausgewählt für den Clip. Ich kenne den Drummer des Band und fragte ihn. So kam das zustande. Und auch beim Schnitt kann ich mitreden. Schnitt und Komposition macht Matty Lambert, mit dem ich seit Jahren zusammen arbeite. Er hat z. B. auch “Out of Season” umgesetzt. Ich vertraue ihm komplett, wir haben den gleichen Blick, man könnte fast denken, wir schauen durch das gleiche Paar Augen. Zusammen mit ihm feile ich an dem Clip bis er uns gefällt, erst dann schicken wir ihn an Red Bull.

Der Wettbewerb wird in diesem Feld immer heftiger. Welche Clips schaust du an, um zu sehen, was die anderen machen?
Wenn Brandon Semenuk was Neues rausbringt, schaue ich es mir sofort an. Er ist die Nummer 1. Brandon ist einer meiner Lieblingsfahrer. Ich bewundere ihn, denn er ist kreativ, hat Style und kann alle Tricks. Plus: Er ist ein wirklich sympathischer Typ. Das Gleiche gilt für Brage. Seine Videos sind auch irre. Fabio natürlich auch oder mein Freund Danny MacAskill. Du hast Recht, da gibt es mittlerweile so viele. Ich lass mich da gerne inspirieren.

Kürzlich ging der Video-Contest X Games Real MTB über die Bühne. Hast du das verfolgt?
Natürlich. Oh, ich würde so gerne da mitmachen.

Welcher Trick hat dich da besonders beeindruckt?
Tom Van Steenbergens Bunny Hop Cork 7 am Ende. Oder auch Matt McDuffs Wallride von einem Dach zum anderen Dach. Das Riding-Level ist unglaublich. Man fragt sich, wann das Niveau aufhört sich zu steigern, doch es hört nicht auf. Ich bin gespannt, was in den nächsten 10 Jahren passieren wird.

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