HausbesuchEin Interview mit Marcus Klausmann & Sohn Levin

Laurin Lehner

 · 24.08.2025

Die Klausmann auf dem heimischen Sofa mit dem Familien-Hund.
Foto: Laurin Lehner
Marcus Klausmann (47) ist ein deutscher Rekordhalter im Downhill. Sein Sohn Levin (17) errang letztes Jahr zum ersten Mal den Juniorentitel. Es ist Zeit für einen Besuch im Ortenaukreis und ein Interview über die lästigen Angewohnheiten des jeweils anderen, ihren Ehrgeiz sowie die Vor- und Nachteile eines Vater-Sohn-Duos.

Juli 2025: Der sonst so sonnenverwöhnte Ortenaukreis bleibt vom Mogel-Juli nicht verschont. Es regnet aus Kübeln. Der Fuhrpark verrät, wo das schnellste Vater&Sohn-Gespann der Republik wohnt. Wohnwagen und Transporter sind mit großen Lettern beschriftet: KLAUSMANN.

Der Name, der die deutsche Downhill-Szene seit Jahrzehnten prägt. Ein fahrendes Familienwappen, wenn man so will. Der Reporter drückt auf die Klingel. Die Tür geht auf. Levin Klausmann steht da. Kräftig, wache Augen, hippe Jugend-Frisur.

Marcus und Levin Klausmann zu Hause in Mahlberg, nahe des Europaparks in Rust.Foto: Laurin LehnerMarcus und Levin Klausmann zu Hause in Mahlberg, nahe des Europaparks in Rust.

Kurz drauf kommt sein Vater, Marcus – Fünfzehnmal deutscher Downhill-Meister, einmal Vizeweltmeister. Eine erfolgsverwöhnte Karriere, die 2016 endete – wegen Herzproblemen – Vorhofflimmern. „Auf einmal machte der Körper nicht mehr mit“ erinnert sich Marcus.

Jetzt gibt ein Herzschrittmacher den Takt in Marcus Brust an und er kann wieder Biken. Statt in eine Midlife-Crises zu stürzen, begeisterte Marcus seinen Sohn fürs Biken. Und Levin? Fuhr einfach los. Schnell sammelt er Pokale bei Kinder-Downhill-Rennen, 2024 gewann er die Deutsche Meisterschaft bei den Junioren.

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Die Zeit drängt. Übermorgen gehts nach Spanien in den Urlaub, sagt Marcus, Rennenfahren, sagt Levin. Eine Mischung aus beidem, meint die Mutter. Alle packen an: Marcus betreibt einen Service für Fahrwerks-Tuning. Frau Carolin erledigt die Buchhaltung, Vater Klausmann – also Marcus – steht mit Großvater Klausmann in der heimischen Werkstatt, Öl wechseln, Dichtungen verpressen, Kartuschen wechseln. Sohn Klausmann, Levin, hilft mit.

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Die letzten Aufträge müssen abgeschlossen werden, bevor es in den Urlaub geht. Auf eine schnelle Bearbeitungszeit legen die Kunden besonders wert, weiß Marcus. Die Vorbereitungen laufen. Der Reporter steht mittendrin und packt seinen Fragenkatalog aus.

Marcus mit der passenden Lese-Lektüre für den anstehenden Urlaub in Spanien.Foto: Laurin LehnerMarcus mit der passenden Lese-Lektüre für den anstehenden Urlaub in Spanien.

​Marcus, damals warst du mit deinem Vater auf Rennen unterwegs, heute begleitest du deinen Sohn Levin. Kommen beim Blick zurück nur schöne Erinnerungen hoch?

Marcus: Gute als auch nicht so gute. Ich denke, das ist ganz normal. Mein Vater und ich waren oft unterschiedlicher Meinung, und mit Levin ist es heute ähnlich. Die Frage ist immer: Wo endet die Rolle als Vater, und wo beginnt die des Trainers? Das ist ein schmaler Grad. Levin ist 17, da gibt es eben auch andere Dinge im Leben als Radfahren. In mir sprechen zwei Stimmen: Die des Trainers fragt sich, ob das jetzt wirklich sein muss – zum Beispiel feiern zu gehen, wenn am Wochenende ein Rennen ansteht. Die Stimme des Vaters sagt: Ja, das gehört auch dazu. Meine Frau Carolin gibt mir hier Feedback macht mich drauf aufmerksam, wenn mal wieder die Trainerstimmer dominiert. Dafür bin ich dankbar.

Wie gut würdest du deine pädagogischen Fähigkeiten einschätzen?

Marcus: Puh, ich würde mir eine 4 geben. Da ist definitiv noch Luft nach oben. Ich bin sehr direkt und muss Dinge oft einfach rauslassen – zum Beispiel am Streckenrand, wenn es um Linienwahl, Grundtempo oder Fahrstil geht. Im Nachhinein denke ich mir dann: Das hättest du besser für dich behalten, anders formuliert oder erst nach dem Rennen sagen sollen.

Marcus während seiner aktiven Zeit als Downhill-Racer, klein Levin sitzt hier noch auf dem Oberrohr.Foto: Familie KlausmannMarcus während seiner aktiven Zeit als Downhill-Racer, klein Levin sitzt hier noch auf dem Oberrohr.

Levin, was nervt an der Zusammenarbeit mit deinem Vater?

Levin: Seine Ratschläge – auch wenn sie natürlich gut gemeint sind. Zum Beispiel: Ich habe mir eine bestimmte Linie auf der Strecke ausgesucht, aber er möchte, dass ich eine andere fahre. Oder ich entscheide mich für Trockenreifen, während er meint, ich solle lieber auf Regenreifen setzen. Solche Situationen eben. Meist setzt er sich durch.

Marcus, welche Angewohnheit nervt dich an Levin?

Marcus: Mich macht es verrückt, dass er sein Zeug überall rumfliegen lässt und ich ihm alles hinterhertragen muss.

Levin, was kann dein Vater gut?

Levin: Er ist super im Organisieren – kümmert sich um die Unterkunft, ums Kochen (seine Thunfisch-Pasta ist legendär) und natürlich um das Bike. Wir sind ein eingespieltes Team. Klar, gibt es hin und wieder Knatsch. Er meint eben oft, alles besser zu wissen – das kann auf Dauer schon nerven. Manchmal brauche ich dann einen halben Tag, bis ich mich wieder einkriege – und danach ist alles wie vorher.

Kumpel, Vater, Trainer, Betreuer: Marcus beim Rangeln mit Sohn Levin im Klausmann-Wohnzimmer.Foto: Laurin LehnerKumpel, Vater, Trainer, Betreuer: Marcus beim Rangeln mit Sohn Levin im Klausmann-Wohnzimmer.

Was macht einen guten Mentor und Trainer aus?

Levin: Puh, ich denke, ein guter Trainer sollte seinen Fahrer gut lesen können – also erkennen, wie es ihm geht und was er ihm gerade zumuten kann. Und er sollte den Erfolg mindestens genauso sehr wollen wie der Athlet selbst.

Die Konstellation „Vater war Profi und trainiert Sohn oder Tochter“ gilt als vielversprechend. Es gibt viele Beispiele – wie etwa Mick Schumacher, Max Verstappen oder Erling Haaland. Stimmst du dem zu, Marcus?

Marcus: Jein. In Sachen Förderung definitiv. Aber die Rolle des Vaters als Trainer hat genauso viele Nachteile wie Vorteile. Zu den Vorteilen: Ich kenne Levin wie kaum jemand sonst. Ich bringe Erfahrung, Kontakte und technisches Know-how mit. Auch im Training kann ich sehr genau einschätzen, ob es zu viel oder zu wenig ist – das kann ein externer Trainer oft nicht. Andererseits hat ein außenstehender Trainer die nötige Distanz, die manchmal hilfreich sein kann. Aber wir lernen beide dazu – und entwickeln uns gemeinsam weiter.

Welche Fehler willst du bei Levin unbedingt vermeiden, die bei dir gemacht wurden?

Marcus: Ich habe leider viel zu oft gesehen, wie Sportler im Teenie-Alter kaputt trainiert wurden. Mir ging es ähnlich. Mein Vater konnte da nichts dafür – das kam von externen Kader-Trainern. Und genau das will ich unbedingt vermeiden. Ich selbst war damals fünf Monate komplett am Limit – nicht mental, aber körperlich. Klassisches Übertraining. Ich bekam täglich Infusionen, um meine Speicher wieder aufzufüllen.
Levin: Papa muss mich selten motivieren zu trainieren. Eher bremst eher mal, wenn ich zu viel mache.

Ist dein Vater enttäuscht, wenn du ein schlechtes Ergebnis einfährst?

Levin: Klar, das merke ich ihm schon an – vor allem, wenn er meint, dass mehr drin gewesen wäre. Aber meistens bekomme ich das gar nicht so richtig mit, weil ich mich in den Momenten über mich selbst ärgere und mit mir beschäftigt bin.

Levin beim Training auf seinem Propain Rage Downhiller.Foto: Marcus KlausmannLevin beim Training auf seinem Propain Rage Downhiller.

Bei Racern spielt Talent und Ehrgeiz eine große Rolle. Levin, wie würdest du dich einschätzen auf einer Skala 1-10, wenn 10 das Maximum ist?

Levin: Puh! Beim Talent würde ich mir 6 bis 7 geben. Beim Ehrgeiz eher eine 8 – mit Tendenz zur 9. Meine Stärke ist die Sprintausdauer. Zu meinen Schwächen zählt, dass ich manchmal keinen kühlen Kopf bewahre – vor allem, wenn mir während des Rennlaufs ein Patzer passiert. Dann fällt es mir schwer, den Stress auszublenden.

Marcus, wie ist deine Einschätzung zu Levin?

Marcus: 7 bis 8 in Sachen Talent, Ehrgeiz: 15. Er will es, manchmal zu viel. Apropos Talent: Im Worldcup haben alle Talent, am Ende geht es aber um Ehrgeiz und Fleiß, wenn du vorne reinfahren willst. Manchmal weiß Levin selbst nicht, wozu er in der Lage ist. Das kann Fluch und Segen sein. Wenn er wirklich motiviert ist, ist er unglaublich leistungsfähig. Körperlich ist er ein Tier – das zeigen auch seine Wattwerte.

Klein Levin hier mit Pokalen von Papa Marcus, mittlerweile hat er seine eigenen.Foto: Familie KlausmannKlein Levin hier mit Pokalen von Papa Marcus, mittlerweile hat er seine eigenen.

Marcus. du galtst als besonders Ehrgeizig zu deiner aktiven Zeit.

Marcus: Meine Frau Carolin hat mal gesagt: „Dein Ehrgeiz ist dein größter Feind.“ Und da ist was dran. Ich war oft in eine Perfektions-Schleife geraten – das hat mich verkrampfen lassen. Ich erinnere mich an ein Rennen in Todtnau – ich kann mich an keins erinnern außerhalb des Worldcups, das so stark besetzt war: Barel, Gracia, alle waren sie da. Und ich hab sie alle geschlagen. Nach dem Rennen kam Greg Minnaar zu mir und fragte: „Was ist mit dir los, Marcus? Warum gelingt dir das nicht im Worldcup?“



Was hast du ihm geantwortet?

Marcus: Ich konnte nur mit den Schultern zucken, denn ich hatte keine Antwort und hab sie heute nicht. Wie wichtig ordnest du Lockerheit ein, Levin?

Levin: Wichtig. Mir gelingt das auch nicht immer. Rennenfahren bedeutet nun mal Anspannung. Die ist natürlich zu einem gewissen Grad sinnvoll, doch Lockerheit geht da oft zu sehr verloren.

Marcus, kannst du dich noch an den Moment erinnern, als Levin schneller war als du?

Marcus: Ja, daran erinnere ich mich sogar ziemlich gut. Levin fuhr damals U15. Im Rennen war er ganze zwei Sekunden schneller als ich – und ich hatte durchaus einen guten Lauf. Ab diesem Tag hatte er mich in der Tasche. Heute bin ich froh, wenn ich es schaffe zwei Kurven an ihm dran zu bleiben.

In dir schlummert doch sicher noch ein Racer. Wurmt dich das gar nicht?

Marcus: Vielleicht würde es mich wurmen, wenn Levin nicht mein Sohn wäre. Aber so? Ganz sicher nicht. Ich freue mich darüber - und wie!

Levin, dein Vater gilt als Tech-Nerd, bist du da ähnlich drauf?

Levin: Nein, nicht so intensiv. Ich konzentriere mich lieber aufs Biken als darauf, ob der Dämpfer jetzt 2 oder 3 Psi mehr oder weniger hat. Allerdings merke ich inzwischen, dass ich zunehmend pingeliger werde, wenn es ums Setup geht.

"Schrauben in der Werkstatt fällt mir leicht", sagt Marcus. Levin hilft hin und wieder mit. Hier guckt er lieber nur zu.Foto: Laurin Lehner"Schrauben in der Werkstatt fällt mir leicht", sagt Marcus. Levin hilft hin und wieder mit. Hier guckt er lieber nur zu.

​Levin, du fährst seit du elf bist Rennen – und dieses Jahr sogar im Worldcup. Gab es Momente, in denen du am liebsten hingeschmissen hättest?

Levin: Die gab es, ja – aber meist hielten sie nicht lange an. Ich weiß, dass ich etwas reißen kann, und ich will mir diese Chance nicht entgehen lassen.

Marcus: Mit 13 sprang er lieber auf dem Trampolin. Ich ließ ihn machen, kurz drauf hatte er wieder Lust zu Biken.

Levin, was macht ähnlich viel Spaß wie Biken?

Levin: Radfahren ist Nummer 1, dann kommt Volleyball, dann Trampolinspringen.

Als Profi-Sportler braucht man ein gewisses Maß an Ego. Wann ist es zu viel?

Marcus: Puh, wann zu viel? Keine Ahnung. Doch du brauchst Ego. Um seine Ziele zu verfolgen ist Ego absolut notwendig. Ein Everybody’s Darling schafft es selten an die Spitze. Am Ende des Tages stehst du allein im Starthäuschen und musst deine Leistung bringen, wenn du Profi bleiben willst.

An welcher Stelle ist Ego als Rennfahrer wichtig? Beim Linien-Scouting?

Marcus: Nein, das gab es früher – oder zumindest teils noch hier in Deutschland. Heute ist das überflüssig. Geheimlinien gibt es nicht mehr. Rennteams haben mehrere Linien-Scouts, jeder hat ein Smartphone und filmt, Pinkbike legt Linienfahrten übereinander – nichts bleibt während des Trainings unbeobachtet. Deshalb rate ich Levin oft: Trainiere auch mit anderen, quatscht miteinander und tauscht euch aus. So profitiert ihr gemeinsam voneinander. Wenn es jedoch ernst wird, muss jeder sein eigenes Ding durchziehen.

Buchhaltung & Glatiatorenschmiede: „Zwar ist die Fitness-Ecke klein, doch sie hat alles was es braucht“, sagt Levin.Foto: Laurin LehnerBuchhaltung & Glatiatorenschmiede: „Zwar ist die Fitness-Ecke klein, doch sie hat alles was es braucht“, sagt Levin.

Dir wurde in deiner aktiven Karriere eine gewisse Arroganz unterstellt.

Marcus: Stimmt – aber zu Unrecht, oder zumindest war es nicht meine Absicht. Manche brauchen vor dem Rennlauf Zeit für sich, um sich zu fokussieren, andere scherzen noch kurz vorm Start miteinander. Ich gehörte zu ersteren. Ich brauchte meinen Raum, um mich zu fokussieren.

Wer ist euer Vorbild im Worldcup oder wem guckt ihr gerne zu?

Levin: In der Elite ist das für mich Amaury Pierron. Er fährt sehr aggressiv und hebt sich damit deutlich von vielen anderen ab. Asa Vermette und Kade Edwards schaue ich mir auch gerne an.

Marcus: Loic Bruni beeindruckt mit seinem kraftvollen, kontrollierten Fahrstil. Loris Vergier ist für mich das Skalpell unter den Racern – präzise, sauber, fast chirurgisch. Amaury Pierron dagegen wirkt, als würde er sein Bike mit dem Messer zwischen den Zähnen ins Tal jagen – kompromisslos und aggressiv. Und dann ist da noch Jackson Goldstone: Er hat einen komplett neuen Fahrstil geprägt.



Ist der Worldcup heute deutlich spektakulärer als zu deiner Zeit, Marcus?

Marcus: Auf jeden Fall – vor allem wegen des Tempos und der enormen Leistungsdichte. Die Zeiten liegen unglaublich eng beieinander. Ich finde den Worldcup inzwischen wahnsinnig spektakulär. Die Regeländerung mit den fehlenden Protected-Ridern macht das Ganze zusätzlich extrem spannend. Mittlerweile ist der Qualifikations-Tag oft aufregender als das Finale.

Marcus, du hast deinen Sohn die Weichen zu einer Profi-Karriere gestellt. Du hast auch zwei Töcher (14) mit denen du Rennrad fährst. Hast du Ambitionen sie auf Profi-Niveau zu trainieren?

Marcus: Kürzlich erwähnten sie, dass sie gerne in den Verein gehen würden. Ihr Level ist gut, wenn sie Lust haben, dann unterstütze ich gerne. Doch das muss von ihnen kommen.

Schnelles Duo: Sohn Levin und Vater Marcus.Foto: Laurin LehnerSchnelles Duo: Sohn Levin und Vater Marcus.

UPDATE nach der Deutschen Meisterschaft im August: Levin startet als Titelverteidiger bei der Deutschen Meisterschaft in Ilmenau und dominiert die U19-Qualifikation. Im Racerun läuft alles nach Plan – doch in der letzten Kurve stürzt er – Trümmerbruch am Ringfinger. Am Ende reicht es für Platz 5 in der U19-Wertung. „Das ist eben Racing“, kommentiert Marcus.

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