Interview mit Comedy-Star Harry G„Harry die Ehre!“

Kann sich immer nur wundern über so viele Deppen: Harry G.
Foto: Foto: Georg Grieshaber/Klambt Media
Harry G ist eine Comedy-Ikone. Der gebürtige Oberpfälzer gibt sich als Grantler und zieht über alle her: SUV-Amseln, Kaltbader, Yoga-Tussis, Stand-up-Paddler am Starnberger See – keiner bleibt verschont. Auch wir Biker nicht.

Interview: Andreas Haslauer

Der bayerische Comedian Markus Stoll (45) alias Harry G rechnet mit allen ab: mit SUV-Fahrern, mit Unternehmensberatern, mit der Schickeria. Vor allem aber nimmt er Radfahrer auf die Schippe. Im Interview spricht Harry G über seine soziokulturelle Verbindung zu Wildschweinen, abstruse Erfindungen der Bike-Industrie und darüber, warum viele E-Biker in seinen Augen „faule Hunde“ sind. Seinen Kindern will er ein Vorbild sein, indem er immer den Radweg benutzt, wenn es einen gibt. Im Straßenverkehr macht er außerdem etwas ziemlich Verrücktes: Er zeigt Empathie und sagt Danke und Bitte.

BIKE: Fares Gabriel Hadid, einst Direktor der Hipster-Messe Berliner Fahrradschau, sagt: Ein Bike ist mehr als ein Sportgerät, es ist soziokulturelles Verbindungsglied, Designobjekt und Statussymbol. Siehst du das genauso?

HARRY G: Nein.

Nein?

Am Ende ist es das, was es ist: ein Rad. Schau, im Winter fahre ich fast jeden Morgen um sechs Uhr aus München raus. Eine Stunde mit dem Rennrad Richtung Voralpenland. Da grüßt kein Hipster, kein Instagramer, kein Youtuber. Die einzige soziokulturelle Verbindung, die ich habe, ist die zu den Wildschweinen, zu den Füchsen. Nicht anders ist es am Abend um 18 Uhr am Plöckenpass in Italien. Gesellschaftlich passiert da gar nichts. Da gibt es genau einen Menschen – und der bin ich.

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Die wenigsten fahren doch heute alleine Rad.

Das stimmt, dass es vor allem im urbanen Raum immer mehr Women-Rides, Business-Biker und was weiß ich für Gschaftler-Gruppen gibt. Spaß beiseite: Das bringt die Menschen zusammen. Ich finde das toll. Mittlerweile sind diese Community-Rides aber schon wieder so dermaßen drüber, dass alles zu spät ist. Da ist der „Ciao-Ciao-Club“ nun mit dem „Mau-Mau-Club“ am Dienstagabend unterwegs, während der „Ciao Amore Cycling“-Ride mittwochs fährt. Donnerstags sind dann die „Banking Bikers“ mit den „Cycling Lawyers“ auf der Straße. Echt jetzt? Nicht! Euer! Ernst! In Innsbruck haben wir den ganzen Quatsch früher nicht gebraucht. Überhaupt nicht.

Was war da?

Da haben wir Vollwahnsinnigen uns an der Nordkette getroffen und sind mit unseren Hardcore-Mountainbikes über alles drübergebrettert, was gerade im Weg stand. Es war viel Adrenalin und Testosteron im Spiel. Wir haben zu der Zeit, als ich in Innsbruck studiert habe, wirklich an vieles gedacht: Wie hoch kann man über das Hindernis jumpen? Wer ist am schnellsten auf dem Trail? Das war eine Mordsgaudi – ohne die coolen Community-Namen. Wir waren die Community. Und gut war es.

In deinen Videos ziehst du über alle Biker her. Du grantelst über Rennradfahrer, Graveler, Mountainbiker. Das überrascht, weil du doch selbst Mountainbiker und Rennradfahrer bist. Wie reagieren die Leute, wenn sie dich auf dem Bike treffen?

Ich mache das doch immer mit einem Augenzwinkern – und ich glaube, das merken die Menschen. Meine Witze sind nie böse, nie verletzend, nie unter der Gürtellinie. Die Einzigen, die ich nicht verschone, sind die E-Biker. Aber nicht die, die aus gesundheitlichen Gründen E-Bike fahren, sondern die faulen Hunde, die den „Turbo“ einschalten und dann die Berge hochpflügen und meinen, sie seien die Supersportler. Wenn einer gesund ist, aber we- der die Kraft, Lust noch Kondition hat, auf einen Zweitausender zu pedalieren, hat er dort oben nichts verloren.

Wir Typen in der Midlife-Crisis haben eine faltige Haut und sind teigig wie ein Hefezopf.

Zu Gravelbikes hast du ein sehr gespaltenes Verhältnis.

Weil es eine reine Erfindung der Industrie ist. „Wie können wir den Leuten verklickern, dass wir ihnen auch noch für den Winter ein Rad verkaufen können?“, so deren Idee. Unter dem Strich braucht kein Mensch so ein Rad. Ein Gravelbike ist weder Fisch noch Fleisch. Auf der Straße zu langsam, am Berg sinnlos. Schau, ich hab ein gescheites Rennrad und ein gescheites Mountainbike. Wenn mir das reicht, sollte es auch allen anderen reichen.

Die Besitzerinnen von Lastenrädern beschimpfst du als „Eso-Muttis“ …

…was in etwa so schlimm ist, wie über die Latte-Macchiato-Mütter in Prenzlberg zu sprechen. Come on! Wenn meine Kinder kleiner wären, hätte ich wahrscheinlich auch eines von den fahrenden Einfamilienhäusern mit dem Gartenhaus vorne drauf. Darüber mache ich mir die wenigsten Sorgen. Sorgen mache ich mir eher über E-Bike-Rambos. Das ist der Bottroper oder der Wuppertaler, der einmal im Jahr die Streif in Kitzbühel hochfährt und dann mit seinem 30 Kilo schweren elektrischen Batterie-Crosser ohne jegliches Fahrkönnen wieder runterfährt. Das macht mir Angst, sehr große Angst sogar.

Greifst du, wenn du selbst am Berg bist, dann ein? Warnst du ihn?

Gegenfrage: Wie soll ich alle Kamikazefahrer in den Alpen gleichzeitig vor ihrem Unglück bewahren? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn es jedoch zu krass wird oder ich der Meinung bin, dass ich vielleicht noch ein Unglück verhindern kann, dann greife ich schon ein. Ansonsten sollte jeder seinen gesunden Menschenverstand walten lassen. Das bedeutet: Wenn ich auf einer Schotterstraße in den Alpen runterdonnere, auf der auch Wanderer unterwegs sind, dann muss ich halt aufpassen. So, dass ich immer bremsen kann. Mei, so schwierig ist das halt auch alles nicht.

Leider ticken die Menschen anders.

Ja, oft. Leider. Aber ich will meinen beiden Kindern auch beim Radeln ein Vorbild sein.

Hast du ein Beispiel? Wenn es einen Radweg gibt, dann fahre ich auf diesem. Ich weiß doch, dass es maximal 30 Sekunden dauern wird, bis mir der erste Radaubruder den Scheibenwischer zeigt, wenn ich auf der Straße fahre, es nebenan aber einen Radweg gibt. Dann ist es manchmal ganz hilfreich, einfach mal Danke und Bitte zu sagen. Was ganz Verrücktes ist es auch, Empathie zu zeigen. Wenn ich auf dem Rennrad zum Sylvensteinspeicher mit gefühlt 5 km/h hoch-strample, die Omi hinter mir in ihrer A-Klasse sich aber nicht traut zu überholen, dann signalisiere ich ihr halt einfach, dass es geht, sie gerade vorbeikann. Das kostet doch alles nichts. Sie fühlt sich beim Überholvorgang sicher – und ich habe niemanden mehr, der mir mit 30 Zentimeter Abstand mit dem Auto auf die Pelle rückt.

Wie ist die Resonanz der Leute auf deine Grantler-Videos?

Es gibt offline wie online immer Menschen, die meinen, ihre Meinungen teilen zu müssen. Oft komme ich gar nicht dazu, meine Videos zu drehen. Selbst wenn ich denke: Das haben wir schnell im Kasten. Wenn ich als Harry G zum Beispiel über die Wiesn gehe, ruft das Menschen auf den Plan, die Fotos machen und reden wollen. Aus einem Selfie werden gefühlt Tausende. Was ich damit sagen will: Die Resonanz ist fast durch die Bank positiv.

Welchen Satz sagen die Menschen am häufigsten zu dir?

„Harry, das, was du neulich in dem Video gesagt hast, ist so. Es ist genau so!“

Auch die Rennradfahrer, über deren rasierte Haxen du dich lustig machst?

Ich komme ja vom Freeriden, also im Winter auf Skiern und im Sommer auf dem Mountainbike. Nicht einer von denen hat rasierte Beine. Ich habe bis heute noch nicht verstanden, warum Best Ager nun unbedingt meinen, ihre Beine rasieren zu müssen. Und hey, seien wir ehrlich: Wir Typen in der Midlife-Crisis haben eine faltige Haut, sind weiß wie Ed Sheeran auf der Motoryacht in Saint-Tropez, haben krumme Beine wie ein Landesliga-Fußballer und sind dazu noch teigig wie ein Hefezopf – bevor er in den Backofen geschoben wird. Bayern nicht, die sehen eigentlich nicht so aus – nur die Preißn (grinst).

Wer sind die eigentlich, die Preißn?

Sie stehen stellvertretend für eine Art Lebensgefühl. Wenn ich einem Preißn eine Stadt zuordnen müsste, dann Hannover. Ganz nach dem Forrest-Gump-Motto: „Ein Preiß ist, wer preißisch tut.“ Ein Bayer würde niemals auf einen Berg kraxeln oder mit der Gondel hochfahren und dann sagen: „Mensch, das sieht aber fantastisch aus.“ Niemals.

Harry G beim Posing: Der smarte Berufs-Grantler mit dem bayerischen Filzhut mimt auf Youtube besonders gut die Piefkes, über die er sich lustig macht. Privat geht er gerne Freeriden und Rennrad fahren.Foto: Georg Grieshaber/Klambt MediaHarry G beim Posing: Der smarte Berufs-Grantler mit dem bayerischen Filzhut mimt auf Youtube besonders gut die Piefkes, über die er sich lustig macht. Privat geht er gerne Freeriden und Rennrad fahren.
Mein Material sammle ich im Biergarten, auf dem Berg, beim Skifahren. Ich muss nur die Ohren spitzen.

Wo sammelst du dein Material für dein Bühnenprogramm?

Im Biergarten, auf dem Berg, beim Skifahren. Da wartet pures Content-Gold, ich muss nur die Ohren spitzen, es aufschreiben. Das ganze Jahr über mache ich mir Notizen. Ob das nun witzig ist oder nicht, weiß ich, wenn ich es meiner Frau präsentiere. Sie ist meine größte Unterstützerin und Kritikerin. Lacht sie, weiß ich, dass es gut ist.

Liegt ein Teil deines Erfolgs darin begründet, dass du nicht wie zum Beispiel Luke Mockridge Menschen mit Handicaps beleidigst?

Das ist ja die Frage, die sich schon immer stellt, seit es Comedians gibt. Was darf Humor? Ich habe da eine relativ simple Erklärung: Humor darf alles! Nur darf er oder sie sich nicht beschweren, wenn er oder sie von der Gemeinschaft eine richtige Watschn bekommt. Ich mache deshalb nur Witze über Menschen, die sich wehren können, wie Unternehmensberater oder SUV-Fahrer. Am meisten macht es mir Spaß, Videos über Radfahrer zu drehen.

Warum?

Weil Radeln meine absolute Leidenschaft ist.

Mag beides: Harry G. Rennrad und Mountainbike. Sehr gerne geht er mit viel Federweg auf Freeride-Missionen.Foto: Georg Grieshaber/Klambt MediaMag beides: Harry G. Rennrad und Mountainbike. Sehr gerne geht er mit viel Federweg auf Freeride-Missionen.

Und was machst du, wenn du mal keine Lust auf Radfahren hast?

Weil ich keine Ohrstöpsel mag, habe ich mir eine JBL-Box auf mein Rennrad geschraubt. Wenn ich mentale Unterstützung brauche, dann schalte ich sie ein, höre Italo Disco, Hip-Hop und am Schluss nur noch Metal, Metal, Metal. Das dauert dann oft nicht lange – und ich bin wieder voll motiviert.

Wer ist Harry G?

Markus Stoll (45) wuchs am Schliersee auf. Er ist Komiker, Kabarettist, Schauspieler. Stoll erfand die Kunstfigur Harry G. In dieser Rolle macht er sich über alle „Preißn“ lustig, sprich: über alle, die sich deppert verhalten. Seine Youtube-Clips genießen Kultstatus. Hier drei Beispiele.

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