Interview mit Christian Textor„Keine rosige Stimmung!“

Dimitri Lehner

 · 13.09.2025

In der Szene ist Christian Textor als „Texi“ bekannt.
Foto: YT
​Christian Textor gilt als der beste deutsche Racer im Enduro-Worldcup. Der blonde Jung aus dem Siegerland ist ein Sympathie-Träger in der Bike-Szene und Racer durch und durch. Daher überraschte das Gerücht: Texi hört auf! Wir wollten vom ihm wissen: Ist was dran? Das große Interview.

Christian Textor (34) konnte sich lange nicht entscheiden. Was jetzt? BMX? Trial? Downhill? Freeride? Texi, wie Textor in der Szene genannt wird, ist ein Naturtalent. Von seinem großen Bruder inspiriert, begeisterte er sich schon als Kind fürs Biken. Zuerst musste es ein BMX sein – ohne Bremsen! Das erklärt Texis enorme Bike-Kontrolle, besonders wenn er zum freestylen anfängt und z. B. Monster-Bunnyhopy über Schranken zieht. Sein erstes Fully musste er sich mit Jobs selbst verdienen.

Sensation: Mit 19 gewann Texi das allererste Downhill-Rennen, das er ausprobierte. Von da an ging es Schlag auf Schlag. Die Devise: Rennsport im Blut. Texi fuhr Downhill-Worldcups, doch stellte fest, dass ihm die Disziplin Enduro am besten entsprach. Im Jahr 2016 schloss sich Textor dem Team Bulls an, um sich auf die Enduro World Series zu konzentrieren. Bereits im ersten Jahr sicherte er sich den Titel des Deutschen Meisters im Enduro. Dennoch gewann er noch Downhill-Rennen im IXS Downhill Cup und wurde Vizemeister. Doch sein Hauptaugenmerk verlagerte sich zunehmend auf Enduro, wo er sich als der beste deutsche Fahrer etablierte.

Zwischen 2018 und 2022 gewann er viermal in Folge die deutsche Meisterschaft und erreichte 2022 erstmals die Top 20 der Gesamtwertung der Enduro World Series. Seit vielen Jahren ist Texi eine feste Größe in der Enduro-Szene.

BIKE: Es geht das Gerücht um, dass du aufhörst. Ist da was dran?

CHRISTIAN TEXTOR: ...aufhörts womit – ist die Frage. (Lacht) Aber da ist schon was dran an dem Gerücht. Ich höre tatsächlich auf mit Vollzeit-Racing. Also diesem High-Performance, voller Fokus auf die Worldcups. Das ist vorbei!

Du bist der beste deutsche Enduro-Fahrer und unser Ass im Worldcup-Ärmel. Was hat dich dazu bewogen – denn mit 34 bist du ja noch jung.

Da spielen sicher ’ne ganze Menge Aspekte eine Rolle. Der gewichtigste Aspekt ist meine Familie. Als ich nach dem ersten Rennblock in der letzten Saison so lange weg war, haben wir als Familie entschieden, dass wir das nicht mehr wollen. Der Preis, den wir da als Familie zahlen, ist zu hoch.

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Harte Zeiten fürs Enduro-Racing

Welche Aspekte kamen noch hinzu?

Zum Beispiel, dass momentan keine rosige Stimmung im Enduro-Worldcup herrscht. Teams und Hersteller tun sich schwer, sich zu präsentieren. Aber auch, dass ich acht Jahre Worldcups gefahren bin. Da war am Ende wenig Bewegung drin. Die Stopps sind immer die gleichen, die Abläufe sind immer die gleichen. Dadurch hat der Enduro-Worldcup an Reiz verloren.

Und dann war irgendwann die Luft raus?

Richtig. Wenn wir nächstes Jahr Rennen in Südamerika und Asien gehabt hätten, dann hätte ich Lust gehabt, noch eine Saison zu fahren. Doch wenn ich jetzt schon weiß, dass ich nächstes Jahr wieder Rennen auf Bikepark-Strecken in Leogang und Canazei fahre, dann motiviert mich das wenig.

Texi macht Squats: “Profi-Sportler – Traumjob, doch auch viel Druck und harte Arbeit!”Foto: YTTexi macht Squats: “Profi-Sportler – Traumjob, doch auch viel Druck und harte Arbeit!”

Haben die Turbulenzen um deinen Sponsor YT in die Entscheidung mit reingespielt?

Tatsächlich gar nicht. Die Entscheidung ist lange zuvor gefallen. Da wusste ich noch nichts von den Problemen, die YT hat. Mal sehen, wie sich die Dinge da entwickeln, denn natürlich habe ich Pläne mit YT. Doch dafür muss die Firma erst wieder in ruhiges Fahrwasser kommen.

Was sind das für Pläne?

Ich glaube, es fällt YT viel leichter, mich als individuelle Person zu halten als ein ganzes Worldcup-Rennprogramm am Laufen zu halten.

In Morillon, Frankreich bist du dein letztes Worldcup-Rennen gefahren. Wie war das?

Ob es wirklich das allerletzte war, weiß ich gar nicht. Ich will nicht ausschließen, dass ich noch mal eins fahre – wenn ich Lust habe und es eine besondere Location ist. Jetzt freue ich mich jedenfalls, dass ich auch mal Rennen fahren kann, die ich schon immer mal fahren wollte – es mein Worldcup-Kalender aber nicht zugelassen hat.

Was zum Beispiel?

Das Mehrtages-Rennen Trans Madeira zum Beispiel. Das bin ich einmal mitgefahren und es hatte mir irre viel Spaß gemacht. Rennen in Süd- oder Mittelamerika wollte ich schon immer mal fahren oder sonstige Abenteuer auf dem Bike, die der Worldcup verhindert hat.

Was ist mit dem crazy Zeug?

Wie steht es mit verrückten Formaten wie Cerro Abajo Urban Downhills oder der Red Bull Castle Ride?

Ich will nix ausschließen. Wenn ich eingeladen werde, lasse ich mich gerne drauf ein.

Wie hast du deinen letzten Worldcup erlebt?

Sehr bewusst. Ich musste auf das Overall-Ergebnis keine Rücksicht nehmen, denn das war ohnehin nicht gut aufgrund von technischen und gesundheitlichen Problemen in der Saison. Deswegen konnte ich das Rennen ganz frei angehen und habe es sehr genossen. Die Strecken haben Spaß gemacht. Ich habe nicht immer die schnellste Linie genommen, sondern mich zu Sprüngen rausgefeuert. Das haben die Zuschauern gefeiert. Bisschen wehmütig war ich natürlich auch, weil ich wusste, dass es mein letztes Rennen als Factory-Worldcup-Racer sein würde. Im Ziel hat mich die gesamte deutsche Enduro-Race-Community in Empfang genommen. Das war ein sehr besonderer und wertschätzender Moment. Da ist mir bewusst geworden, dass ich Spuren hinterlassen habe in der Szene und im Enduro-Worldcup. Das war mir zuvor gar nicht so bewusst. Es war sehr schön, dass ich das da nochmal richtig spüren durfte.

Texis letzter Worldcup 2025 in Morillon: “Ein sehr emotionaler Moment!”Foto: YTTexis letzter Worldcup 2025 in Morillon: “Ein sehr emotionaler Moment!”

Welches Gefühl hat überwogen: Wehmut oder Erleichterung, dass der Leistungsdruck weg ist?

Erleichterung. Denn es ist ein krasser Druck, den du dir persönlich als Sportler selbst machst. Und dann noch das Duell: Profi-Karriere versus Familienleben. Dieser Stress ist jetzt weg.

Traumjob: Profi-Sportler

Wir Laien idealisieren das Profi-Sportler-Dasein. An die Schattenseiten wie der von dir erwähnte ein irrer Leistungsdruck denken die wenigsten. Wenn du ein Fazit ziehst: was war geil am Profi-Sportler-Leben, was nervig?

In dieser Findungsphase bin ich gerade noch. Doch spontan: Geil ist, die Leidenschaft, dein Hobby zum Beruf zu haben und dass du in erster Linie Fahrrad fährst. Dass du ein Stück weit dein eigener Chef bist und eine gewisse Entscheidungsfreiheit hast, ist auch lässig. Produkte mit entwickeln und testen machte mir immer viel Spaß. Dass ich durch meinen Sport die ganze Welt kennen lernen durfte ebenso. Nervig: Leistung kommt nicht von alleine. Kurzum: An den Vorteilen hängt eine ziemlich fette Rechnung unten dran, die du zahlen musst. Konkret: zum Beispiel musst du deine Intervalle durchziehen, egal ob es Katzen hagelt. Du musst dich immer und immer wieder motivieren.

Ist auch Technik-Nerd: Christian Textor. Deswegen wird der Worldcupper gerne als Promi-Tester fürs BIKE Magazin verpflichtet.Foto: Max FuchsIst auch Technik-Nerd: Christian Textor. Deswegen wird der Worldcupper gerne als Promi-Tester fürs BIKE Magazin verpflichtet.

Spielt das Image des Profi-Sportlers eine Rolle? Schließlich gibt es wenige Berufe, die den eines Profi-Sportlers toppen können.

Da gebe ich dir Recht. Es ist aufregend und immer erst mal interessant für die Menschen um dich herum, wenn sie hören, dass du profi-Sportler bist. Die ernüchternde Erkenntnis: Der Job des Profi-Sportlers im Enduro-Worldcup ist finanziell mit den meisten anderen Sportarten nicht vergleichbar.

Was meinst du – schlecht bezahlt?

Genau. Nach acht Jahren als Enduro-Profi, konstant in der Top-20, kann ich nicht von irgendwas Erspartem leben. Das hat über die Zeit zum Leben gereicht, doch sparen konnte ich da nix. Auf der anderen Seite weiß ich aber auch, dass du in anderen Sportarten, in denen du viel mehr verdienst, kaum Entscheidungen selbst treffen darfst. Da bestimmt dein Management, wo du wann zu sein hast. Egal, ob da ein Kindergeburtstag ist oder dein Hochzeitstag. Dagegen war ich ein freier Mann. Das will ich auch nicht missen.

Du hast vier Kinder. Vier Kinder mit Bedürfnissen. Wie verdient Papa Texti da in Zukunft die Brötchen. Vermutlich nicht als Mechatroniker, was du ursprünglich mal gelernt hattest, oder?

Nein, nicht als Mechatroniker. Ich habe mir in den letzten 15 Jahren selbst eine Ausbildung verpasst – die du nirgendwo kriegen kannst. Für die es auch kein Zertifikat gibt. Ich habe ein Masters Degree im Schnell-Fahrrad-fahren. Im Fahrräder technisch verstehen. Das sind Qualitäten, die ich in der Bike-Branche weiter nutzen möchte. Das würde ich gerne für YT machen. Ich kann mir eine hybride Rolle vorstellen. Ein Mix aus Ambassador, Produktentwickler und PR-Mann. Ich glaube, da könnte ich meine Skills sehr gut einbringen. Ich habe zum Beispiel kein Problem, mich vor 100 Leuten auf eine Bühne zu stellen und ein Fahrrad zu erklären. Vor allem, habe ich an dem Fahrrad so viel Interesse, dass ich es auch verstanden habe und nicht von einem Skript ablesen muss. Und wenn man dann auch noch zügig durch die ein oder andere Kurve fahren kann, ist das auch nicht schlecht.

​Ich fahre im Verhältnis zu meiner Größe gern ein eher kleines Bike, und mein Fahrwerk mag ich relativ weich, aber progressiv. Der Winkel meines Lenkers und das gesamte Cockpit-Layout sind mir extrem wichtig, und das Bike muss unbedingt leise sein. Ich werde irre, wenn irgendwas Lärm macht. - Christian Textor

Wo wohnen die Texis?

In Burbach im Siegerland. Da bin ich auch geboren. Wie viele deutsche Radsport-Legenden. Das solltest du wissen. (Lacht).

Wer noch?

Slopestyle-Pionier Carlo Dieckmann. Bike-Abenteurer Harald Philip. Euer BIKE-Testleiter Peter Nilges kommt auch aus der Ecke.

Wow, der Peter – noch ne Legende!

Wir stellen tatsächlich einige deutsche Meister im Radsport. Das ist hier oben ein kleines Epizentrum.

Die besten Trails der Welt

Du sagst, du konntest Trails auf der ganzen Welt fahren. Sticht da ein Trail oder ein Race-Track raus?

Nicht so, dass ich sage, nur diesen Trail will ich für den Rest meines Lebens fahren (Lacht). Es klingt weichgespült: Doch jeder Trail, jeder Race-Track hat seine Vorzüge und seinen ganz eigenen Charakter.

Ja, das klingt politisch sehr korrekt. Stichst denn ein schönster Moment aus deiner Karriere raus?

Was mir sofort einfällt ist dieses Jahr in Leogang. Da stand meine ganze Familie im Ziel. Ich hatte gar nicht mehr damit gerechnet, dass wir das noch hin kriegen und an dem Tag fuhr ich auch Top-20. Das war ein besonderer Moment.

Was kommt dir als dunkelster Moment in den Sinn?

Richtig fiese Verletzungen hatte ich während meiner Race-Karriere nicht. Die passierten davor – ich hatte mir Oberschenkel und Hüfte gebrochen. Und die Verletzungen strahlte noch weit in meine Karriere. Denn durch das intensive Training machten sich die Brüche wieder bemerkbar. 2022 bekam ich so große Probleme mit meiner Hüfte, dass ich schon dachte, ich müsse mit Racing aufhören. Denn die Schmerzen während der Rennen wurden so heftig. Das habe ich dann aber in den Griff bekommen dank guter Physio und der Unterstützung, die ich durch den YT Mob bekam.

Im YT Mob ist alles vertreten: Downhill, Slopestyle, Freeride.... Welche Bike-Events verfolgst du?

Eigentlich alles. Ich bin ein ganzheitlicher Fan des Radsports ha ha. Ich schaue auch Tour de France & Co. Ich verfolge den Downhill-Worldcup, Slopestyle und die Freeride-Events. Und ich folge den verschiedenen Protagonisten.

Kann Freestyle-Einlagen nicht lassen: Texi beim Footplant vor Dolomiten-KulisseFoto: YTKann Freestyle-Einlagen nicht lassen: Texi beim Footplant vor Dolomiten-Kulisse

Style ist so geil!


Wem?

Den deutschen Athleten. Mich interessiert, wo sich der deutsche Radsport bewegt. Ob in der Tour de France oder zum Beispiel im Slopstyle. Da schaffte es mein Team-Mate Erik Fedko gerade aufs Podium. Oder Toby Miley, der auch beim Crankworx-Slopestyle in Whistler dabei war. Henri (Kiefer) und Max (Hartenstern) im Downhill natürlich.

Du bist selbst Downhill gefahren.

Ja, ich bin 2012 meinen ersten Downhill-Worldcup gefahren. Duelle wie Goldstone versus Bruni sind so packend – da bin ich dann einfach nur Sport-Fan und genieße die Show.

Du giltst selbst als sehr stylischer Fahrer. Wessen Style beeindruckt dich?

Beim Downhill Loic Bruni wie kraftvoll und ruhig er fährt. Aber auch die jüngeren Fahrer mit einem deutlich wilderem Fahrstil wie Jackson Goldstone. Im Enduro Dan Booker. Dan ist ein extrem stylisher Fahrer, egal auf welchem Bike.

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