Dimitri Lehner
· 26.09.2023
FREERIDE: Was hat dein Bike für eine seltsame Lackierung?
Elias Schwärzler: Das ist meine “Bike the World”-Lackierung. Das Grund-Design ist geschecktes Schwarz-Weiß. Doch jedes Land bekommt ein eigenes Symbol, ein Wahrzeichen . Für Japan gibt es einen roten Schrein. Für Bolivien steht ein Lama. Und so sollen in den nächsten Jahren 20 Symbole zusammen kommen, denn ich will 20 Länder bereisen.
Und danach versteigerst du das Bike für einen guten Zweck ?
Gute Idee! Bisher dachte ich mir, ich hänge den Rahmen danach an die Wand im Wohnzimmer und schaue zufrieden drauf und denke an all die Abenteuer in fremden Ländern. Doch ne Versteigerung wäre auch witzig.
In welche Länder geht’s?
Wir hängen dem Zeitplan hinterher. Im Oktober steht die Türkei auf dem Programm. Danach will ich nach Korea.
Welche Idee steckt hinter dem Länder-Trip?
Die Idee zu “Bike the World” kam mir, weil ich zwar schon viel unterwegs war, doch nur wenig gesehen habe. Ja, ich war in Kanada. Hab’ ich deswegen was von Kanada mitbekommen? Nein, denn ich war nur im Whistler-Bikepark. Und so geht es mir mit vielen Ländern. Mit “Bike the World” will ich das ändern, ich will Menschen treffen, in Berührung mit ihrer Kultur kommen, ihr Essen essen und ihre Bräuche erleben. Natürlich will ich auch biken gehen, doch der Fokus liegt nicht auf krassen Stunts.
Wie wählst du die Länder aus?
Die Auswahl der Länder war einfach, wir setzten uns im Team zusammen und überlegten, welche Ecken der Welt wir uns anschauen wollen würden. Auf Google haben wir uns inspirieren lassen. Als wir die Vulkanhänge in Bolivien gesehen haben, sagten wir: Da gehen wir hin. Flug gebucht, hingeflogen. Oder Japan mit Tokio, der größten Stadt der Welt.
Ich dachte, das wäre Mexico City.
Nein, Tokio mit 37 Millionen Menschen. Du kannst dir nicht vorstellen wie es da zu geht.
War das für dich das erste Mal Japan?
Ja, das erste Mal.
Was hat dich an dem Land am meisten beeindruckt?
Mich hat tief beeindruckt, wie nett, freundlich und zuvorkommend die Menschen sind. Das ist einzigartig auf der Welt. Gewaltig! In der größten Stadt der Welt, hupt kein einziger Autofahrer. Ich bin im Wheelie auf der größten Kreuzung der Welt gefahren. Pro Grünphase laufen 3000 Menschen über die Straße. Hektik? Stress? Genervt sein? Nein, Fehlanzeige. Dort habe meine neue Oakley verloren. Minuten später tippt mir jemand auf die Schulter, sagt: “Die könnte dir gehören.”
Hängt vielleicht mit dem Buddhismus zusammen.
Da sagst du was! Diese Religion fasziniert mich. Ich habe das Land so genossen, konnte kaum glauben, wie aufgeräumt und sauber es ist und wie diszipliniert die Japaner darauf achten, dass es auch so bleibt. Da wirft niemand eine alte Matratze in den Wald. Japan ist das schönste Land, das ich bisher in meinem Leben bereist habe.
Schöner als Österreich?
Österreich ist Heimat, das läuft außer Konkurrenz.
Bald geht’s für dich in die Türkei. Wohin? Nach Kappadokien?
Ja richtig, nach Kappadokien. Ich weiß, Korbi Engstler ist uns zuvor gekommen.
Nicht nur Korbi, viele andere auch. Kappadokien ist alles andere als ein Geheimtipp.
Richtig, doch es ist eine Traumlandschaft – und die wollte ich mit eigenen Augen sehen. Natürlich will ich dort diese bizarren Felsformationen mit dem Bike runter fahren, doch wir haben noch etwas anderes im Gepäck als Bikes: Fallschirme.
Du Sack, das steht schon lange auf meiner Bucketliste: Aus einem Heißluftballon mit dem Fallschirm springen.
(Lacht.) Dann komm halt mit! Ganz einfach, dann wirst du es erleben!
Kürzlich habe ich Fabio Wibmers Edit gesehen, “Behind the Scenes in Valparadaiso”. Da wurde mir erst bewusst, wie viel Aufwand hinter so einen Videoclip steckt: Die Logistik, das Scouting, der Stuntbau – all das frisst Tage auf. Für Land, Leute und Kultur bleibt da kaum Zeit.
Richtig. Das ist die Crux. Fabio ist dafür bekannt, dass er die krassesten Stunts macht und diesem Ruf wird er erstklassig gerecht. Bei mir ist das anders. Ich will eine Geschichte erzählen. Natürlich auch Fahrrad fahren und auch mal einen Stunt machen. Ich will aber keine Rampen aufbauen müssen, sondern das Land nehmen wie es ist und dabei zeigen wie schön Radlfahren ist und wo es dich überall hinbringen kann. Per Tiktok nehme ich die Leute mit auf Reise.
Was erfahren die da?
Die erleben wie es ist auf so einer Reise zu sein und welche Probleme wir bewältigen müssen. Wie wir z. B. in Bolivien versuchen die geilste Abfahrt der Welt zu machen. Ein acht Kilometer langer Downhill. Feinste Kieshänge, die ich durchpowdern konnte wie beim Tiefschnee-Skifahren. Da fährt kein Quad hoch, nein, du musst selbst hoch stapfen. Bis auf 5000 Meter. Da pfeift die Lunge und platzt der Schädel. Und das kriegen die Leute hautnah mit.
Wie haben deine Sponsoren reagiert, als du sagtest: “Ich will 20 tolle Länder bereisen, Abenteuer erleben und gerne euch die Rechnung schicken?”
(Lacht.) Die Sponsoren fanden es klasse. Denn momentan ist es richtig schwierig Aufmerksamkeit zu kriegen. Scroll mal durch Insta! Was kriegst du da zu sehen? Immer das Gleiche: irgendwelche Tricks, die du schon 1000 Mal gesehen hast. Ja, es ist krass, wenn jemand einen Doublebackflip macht. Doch sorry: Ich hab’s schon gesehen! Also wenn das kein Doppelter mitten in der Stadt über Treppenstufen ist, geht das nicht mehr viral. Früher als wir die Sick Series gemacht haben, war das noch anders. Jetzt dagegen machen so viele Leute klassischen Content auf Social Media, also im Wald Stunts bauen und Tricks machen. Damit lockst du niemanden mehr hintern Ofen hervor. Da haben sich Fabio und ich schon immer etwas abgehoben, dass wir die Dinge eben anders machen.
Wie anders?
Zum Beispiel, indem man die Menschen zum Träumen bringt, Geschichten erzählt, auch mal witzig ist, statt ernst. Wenn ich die schönsten Hänge der Welt abfahre, werde ich damit Menschen begeistern, weil Schönheit fasziniert. Als ich z.B. Insta 360 von unserer Idee erzählte, waren sie gleich begeistert.
Warum machen das andere nicht auch?
Ich weiß es nicht. Dabei gibt es auf Social Media nix Neues. Seit 2015 stehen die gleichen Biker in der Reichweitenliste oben: Lukas Knopf, Erik Fedko, Fabio Wibmer, ich... und neuerdings sind Korbi Engstler und Gabriel Wibmer dazu gekommen. Doch eigentlich ist es schade, dass nicht neue Ideen geboren werden.
Sei doch froh, dann hast du es leichter. Bist du zufrieden mit deinem bisherigen Output der “Bike the World”-Tour?
Mit Tiktok und Insta bin ich sehr zufrieden wie Bolivien und Japan gelaufen sind. Da sind einige Beiträge richtig viral gegangen. Etwas schwierig ist Youtube. Doch unser Fokus liegt ohnehin auf Shortclips. Denn das ist die Zukunft.
Warum?
Die Aufmerksamkeit der Leute sinkt rapide.
Mich überrascht, dass viele Clips steril wirken. Gee Atherton in den Dolomiten z.B. Selbst Kilian Bron. Tolle Action, doch “menscheln” tut es da nirgends. Wenig Humor und Schmäh wie ihr Österreicher sagt. Warum?
Ich sehe das zu 100 Prozent genau so. Wir Biker hätten die Möglichkeit viral zu gehen und vom Biken zu leben, doch es macht niemand. Warum? Weil die Leute keine Geschichten erzählen wollen. Es geht noch immer nur darum, die steilste Line zu fahren und den krassesten Trick zu machen. Fabio und ich haben früh begriffen, dass es viel besser ankommt eine Story rein zu packen. Und sei es nur eine kleine Storyline wie in meinem Clip: “My Dreamgirl”. Ich erzähle eine Geschichte, mit der sich jeder identifizieren kann, packe etwas Schmäh dazu und schon spricht der Clip viel mehr Menschen an als ein hoher Drop im Wald, den niemand richtig einschätzen kann.
Was ist deine Erklärung, dass die Biker so ernst sind, da gibt es wenig Witz und Albernheiten wie Fabio und du es gemacht habt.
Ich weiß die Antwort, denn in meiner Sender’s Academy krieg ich das immer wieder zu hören. Den jungen Bikern geht es darum, mit ihren Clips Respekt von den Hardcore-Typen zu kriegen und auf keinen Fall kindisch zu wirken. Nach der Devise: Erik Fedko muss den Clip cool finden und Eric Fedko feiert keine Stories. Und ich höre immer wieder: Es geht doch darum, wie gut das Riding ist! – Ja, stimmt, aber noch besser ist, wenn du mit dem Riding eine Story erzählst. Es ist die Kombi aus beidem, sonst schaut sich dein Filmchen niemand an. Und mir ist es scheiß egal, ob ein Erik Fedko mein Video gut findet oder nicht. Mir geht es darum, dass die anderen Leute es gut finden und dass ich eine Menge Leute damit erreiche.
Ich würde die Erfolgsrezepte hüten und niemanden verraten.
Ich will sie verraten. Das ist die Idee hinter meiner Sender’s Academy. Dort erkläre ich genau diese Strategien und Rezepte den jungen Ridern. Wie zum Beispiel Luis Freitag, dem es nun viel besser gelingt, erfolgreiche Clips zu machen. Mein Ziel: Ich will dass der Bike-Sport im Ganzen mehr abgeht, erfolgreicher wird, mehr Sponsoren anzieht. Mein Traum wäre ein Bike-Gymnasium, doch das geht erst, wenn der Bike-Sport größer wird.
Bis dahin freue ich mich, über dein Türkei-Abenteuer ein witziges Filmchen sehen zu kriegen, denn geiler fahren als Kilian Bron wirst du in Kappadokien wohl kaum.
Richtig. Dafür siehst du wie ich mit Türken Kaffee trinke, zu spät aufstehe und in der Mittagshitze schmore, von den Felsen abrutsche, Höhlen entdecke....
... und du mit dem Fallschirm abspringst. Da gibt es ein Clip wie einer mit einem Seil aus dem Heißluftballon schwingt, los lässt und im gestreckten Auerbach in die Tiefe fällt. Super lässig.
Das war wahrscheinlich Marco Fürst. Marco macht solche Faxen. Bei ihm hab ich in Hohenems meine Sprung-Ausbildung gemacht. Ich plane gerade einen Stunt, bei dem ich mit dem Bike auf dem fliegenden Flugzeug über die Tragflächen fahre und dann in die Tiefe droppe.
Viel Glück!