Ab 2006 dominierte der Katalane die Slopestyle-Szene, gewann 2008 den hochkarätigen Whistler-Joyride, holte sich 2013 in München eine X-Games-Medaille, 2014 den Sieg bei der Rampage und war 2015 Mitgründer der FEST-Series. Neuerdings interessiert sich Lacondeguy am meisten für Big-Mountain-Lines und Motocross.
BIKE: Was bist du, Andreu, MX-Profi oder Bike-Profi?
Andreu: Ich fahre schon immer beides – das wisst ihr doch!
Aber gerade scheint dein Interesse mehr im Motocross zu sein.
Stimmt. Das macht mir zurzeit viel Spaß. Ich trainiere mit Julien Vanstippen. Gemeinsam machen wir Shows für Monster Energy.
Du bist also ein Petrol-Head.
Quatsch! Freeride-Mountainbiken ist das Beste. Ich will in den Bergen sein – da fühle ich mich wohl. Doch mit der Bike-Industrie und den Sponsoren ist es nicht immer leicht, und jetzt muss ich den Speck woanders finden. Deswegen nütze ich jetzt meine Skills auf dem Motocrosser und verdiene mir etwas dazu.
Ich hätte gedacht, der Freeride-Superstar Andreu Lacondeguy hätte schon längst ausgesorgt.
Haha, kannst du dir vorstellen, dass ich auf der Veranda in der Sonnenliege vor mich hindöse? Nein, ich muss immer was machen, mich unterhalten, mich neu fordern. Und da ist Motocross gerade genau das Richtige. Doch für mich gibt es zwischen Mountainbikes und Motocrosser eigentlich keinen Unterschied. Das sind Spielzeuge. So wie Surfboards – je nach Bedingung, wählst du das richtige.
Mountainbikes machen keinen Lärm, verbrennen kein Benzin.
Oh ja, deswegen mag ich sie auch so sehr. Sie nutzen die Schwerkraft. Das ist ein so ehrliches, sauberes Prinzip – das ehrlichste der Welt. Ein Mountainbike kannst du überall mitnehmen.
Wie unterscheiden sich die Szenen – sind die MXer cooler?
Nein. Doch die MX-Szene gibt es schon viel länger. Da steckt eine Industrie dahinter, die nicht so launisch ist wie die Bike-Industrie. Deswegen kannst du als Motocrosser viel mehr dein Ding machen, während du als Bike-Profi ziemlich abhängig bist. Sind gerade Enduros im Trend, hast du als Freerider schlechte Karten. Im nächsten Moment heißt es: nur noch E-Bikes, weil die gerade gehypt werden und so weiter. Da wird mir ganz schwindelig, und deswegen fahre ich jetzt MX-Shows.
Wie gut bist du als MXer, kannst du mit den Checkern wie Colby Raha oder Kris Foster mithalten? Ich würde nie sagen, dass ich so gut bin wie die. Sie sind die Spitze des Sports. Doch ich fahre gerne mit ihnen. Nicht nur, weil es Riesenspaß macht; ich lerne auch eine Menge. Und je besser ich im MX werde, desto besser auch im Freeriden.
Nur um einen Eindruck zu kriegen: Wie dicht bist du an denen dran?
Nun, ich trainiere mit Julien Vanstippen. Wir springen die gleichen Jumps, und wir arbeiten an den gleichen Tricks. Julien zählt zur Elite der Freestyle-Motocrosser, hat X-Games-Gold geholt und Red Bull Imagination gewonnen, den krassesten Wettkampf der Welt.
„Ich habe in meinem Leben nie was für Geld gemacht, immer nur aus Spaß. So soll es auch bleiben!“
Manchmal frustriert, dass Julien viel besser ist?
Nein, im Gegenteil: begeistert, dass ich so viel Neues lerne. Das hat mir in der letzten Zeit im Mountainbiken wirklich gefehlt.
Was lernst du von den MXern?
Die Psyche wird hier viel stärker gefordert, denn die Sprünge sind so viel größer und krasser. Und die Konsequenzen daher heftiger. Beim Mountainbiken kannst du was Neues ausprobieren, und auch wenn’s schiefgeht, kommst du meist mit einem blauen Auge davon. Wenn du mit dem Motocrosser stürzt, tust du dir richtig weh.
Gibt’s jetzt Druck von deinem Bike-Sponsor, weil du nur noch am Gashahn hängst?
Moto und Bike sind mein Leben. Das wissen meine Sponsoren.
Du meinst, sie wissen, dass du ein Outlaw bist und eh das machst, wozu du Lust hast.
Ja, so kann man es auch sagen.
Es gab Gerüchte, dass du deine Teilnahme an den X Games Real MTB abgesagt hast, weil es nur 9 000 Dollar Unterstützung gab.
Das stimmt so nicht ganz. Ich habe mir letzten Winter das Knie verletzt. Das spielte eine große Rolle, dass ich meine Teilnahme absagte. Aber ja, ich wollte auch die verrücktesten Lines in den krassesten Bergen fahren. Dazu brauchst du ein großes Produktionsteam, Guides, einen Safety-Plan und so weiter. So ein Projekt kriegst du mit 9000 Dollar nicht hin.
Was jetzt: Knie oder Geld?
Beides. Doch das Knie war ausschlaggebend. Um ein X-Games-Edit zu machen, musst du 100 Prozent fit sein – das versteht jeder, oder?
Eine X-Games-Medaille bedeutet Ruhm. Der ist dir jetzt entgangen.
(Lacht) Die habe ich doch schon! (Bronze bei den X Games in München, Anm. d. Red.) Es ist nicht Ruhm, nicht Geld, nicht Medaillen, was mich reizt. Nein, ich will den Menschen zeigen, was ich unter Mountainbiken verstehe – das reizt mich!
Hast du dir die X-Games-Clips angeschaut?
Natürlich, und ich hab’s gefeiert.
Was waren deine Lieblingsstunts?
Dude, ich mag Tom. Tom van Steenbergen ist einer meiner Lieblingsfahrer. Er hat so geile Tricks rausgehauen. Doch auch Remy Morton hat mich beeindruckt. Er ist ein begna-deter Builder, und die Perspektive seines Clips hat mir gefallen. Tom und Remy – deren Edits haben mir am besten gefallen.
Du trägst jetzt die Monsterstreifen auf dem Helm. Zuvor warst du Red-Bull-Athlet – verrückt, oder?
So isses. Und ja: crazy!
Gab’s so einen Wechsel schon mal?
(Lacht) Es ist ziemlich cool, die beiden größten Sponsoren im Extremsport gehabt zu haben. Da bin ich sehr dankbar. Doch ich bin nicht der Einzige. Bei BMXer Daniel Sandoval und FMXer Josh Sheehan war das auch so: erst Red Bull, dann Monster.
Du bist schon ewig im Geschäft. Wie sehr hat sich Freeriden in der Zeit verändert?
Was die Rider heute machen – unfassbar! Diese Progression ist irre oder etwa nicht? Wer hätte das für möglich gehalten. Und dennoch fehlt mir etwas.
Big-Mountain-Freeriden?
Ja. Es gibt so viele unglaubliche Berge und so viele Lines. Es ist jammerschade, dass wir das so außer Acht lassen.
Brage Vestavik geht auf Big-Mountain-Missionen.
Stimmt, Brage ist einer der wenigen. Ich mag sein Riding, und ich mag seine Vision – Brage ist auf dem richtigen Weg!
Du hast schon alle Gravity-Disziplinen abgehakt, alles erlebt. Gibt’s was, auf das du keine Lust mehr hast, Slopestyle zum Beispiel?
Ich bin in letzter Zeit auf meinem Bigbike richtig gut geworden. So gut, dass ich mein Dirt-Hardtail vernachlässigt habe. Als ich kürzlich wieder Hardtail fuhr, war ich komplett überrascht, wie viel Spaß es mir macht. Oder ich bin seit zehn Jahren kein BMX gefahren, letzte Woche lieh mir Julien Vanstippen seines, und ich konnte nicht glauben, wie witzig das doch ist. Ich werde mir wieder eines zulegen! Kurzum: Es gibt kein Bike, das mir keinen Spaß macht. Ich fahre jetzt sogar Rennrad, was ich nie für möglich gehalten hätte. Meine Devise lautet: Anything with Wheels is Fun!
Gibt es noch einen Slopestyle-Trick, den du gerne lernen willst?
Grundsätzlich will ich mehr an meinem Style arbeiten, aber einen sauberen Cork 7 würde ich schon gerne hinkriegen. Ich mochte den Cork 7 schon immer, hatte ihn aber nie ganz sauber drauf.
Bald steht die Red Bull Rampage wieder an, doch ohne dich. Das macht deine Fans traurig.
Ich weiß – und die Rampage war mein Lieblings-Event. Doch, Dude, ich hab da zehn oder zwölf Mal mitgemacht. Also: jeden Oktober das Gleiche. Die gleichen Klippen, im gleichen Land, mit den gleichen Leuten – das war irgendwann ermüdend. Und teuer, denn eine Rampage-Teilnahme ist für einen Europäer richtig teuer.
Die gleichen Klippen?
Ja, immer wieder die gleichen kurzen, engen Abfahrten. Der Spot ist wirklich abgenudelt, alles ist schon gebaut, es gibt kaum Platz für was Neues. Nimm nur dieses Jahr – da findet die Rampage auf dem Gelände von 2019 statt. Wie langweilig. Nee, da gebe ich mein Reisebudget lieber anders aus.
Wie?
Für ein Big-Mountain-Projekt in Peru. Das hat mir viel besser gefallen. Außerdem musste ich mich da nicht über den Rampage-Quatsch ärgern.
Rampage-Quatsch?
Bei der Rampage zwingen sie uns, immer dann zu fahren, wenn der Wind am stärksten weht, um 2 Uhr am Nachmittag. Diesen Quatsch mein ich. Das erzeugt enormen Stress und Risiko. Ich glaube, dass man so einen Wettkampf viel geschmeidiger aufziehen könnte.
Wie steht’s mit den FEST-Events?
Gut, warum? Die FEST-Serie hat in meinen Augen den Sport verändert. Die großen Jumps brachten den Fokus zurück aufs Bigbike. In zwei Wochen findet der FEST-Event Royal Hills von Nico Vink statt, da fahre ich hin.
Viele deiner Fans sehen dich lieber beim Darkfest als in Peru, wo du Schotterhänge runtersurfst. Das wird langweilig, sagen sie.
Ach, lass die Leute nörgeln. Wenn die wüssten, wie geil das ist. Niemand war je in diesen Berg hängen und hat diese Lines genommen – das macht den Reiz aus. Dagegen gibt es das Darkfest schon ewig. Sollen doch 20 Rider zum Darkfest gehen und ich alleine nach Peru, dann sehen wir beides! (Lacht)
Wenn du deine Karriere Revue passieren lässt – was waren die Highs, was die Lows?
Oh Dude, so viele Highlights! Wenn ich alleine an die „New World Disorder“-Zeiten denke oder meinen Sieg beim Crankworx-Slopestyle in Whistler. Bei meinem letzten Slopestyle-Event habe ich eine X-Games-Medaille geholt. Oder auch der Sieg bei der Rampage 2014. Alles so cool. Doch nicht nur die großen Erfolge waren Highlights, auch die zufälligen „goldenen Tage“ beim Biken mit Freunden haben sich für immer ins Gedächtnis gebrannt.
Keine Lows?
Wenig. Verletzungen vielleicht, nerviges Hin- und Herreisen oder der Bullshit von der Industrie. Das war’s aber auch schon. Ich hatte eine sehr spaßige Karriere.
Kürzlich sprach ich mit Derek Westerlund, er meinte: „Vielleicht dreh’ ich NWD 11.“
Das wäre der Hammer! Ich wuchs mit diesen Filmen auf, später war ich Teil davon. Vielleicht ist das genau, was unser Sport braucht: NWD 11. Ich wäre sofort dabei! Die Zeiten waren besser, als wir große Filmprojekte hatten, Print-Magazine und weniger Social Media.
Dafür gibt es jetzt beeindruckende Web-Edits kostenlos und ständig. Welcher Fahrer beeindruckt dich?
Oh, da gibt es viele. Die Edits von Brandon Semenuk sind jedes Mal ein Erlebnis. Zu dem Typen kann ich nur aufschauen. Und Nico Vink. Nico ist vermutlich derjenige, der am meisten für unseren Sport gemacht hat.
Wie meinst du das?
Er weiß das meiste über Bike-Riding, über Bike-Set-up, über Trailbau, und er ist verdammt versiert im technischen Mountainbiken. Da gibt es kaum einen besseren. Nico baut die besten Sprünge. Ohne Nico hätte es vermutlich nie die FEST-Series gegeben. Ihm habe ich viel zu verdanken, wir alle!
Also Vink-Fest als Nächstes – ist das dein Lifestyle: ein Action-Event nach dem anderen?
Ja, das ist momentan mein Leben. So darf es auch gerne bleiben. Ich will die Welt bereisen, biken, motocrossen, Menschen treffen, Sprünge bauen. Ich will meine Vison verfolgen, die ich vom Freeriding habe, und das wird mich in viele fremde Länder führen. All das hält mich auf Trab.
Wie sieht’s bei Andreu mit Frau, Haus, Kindern aus?
Keine Frau, keine Freundin, keine Kinder. Doch ich habe vor fünf Jahren ein Bauernhaus nahe Barcelona gekauft mit viel Gelände drum herum. Da lebe ich, baue Jumps, fahre Motocross und Bike, esse Steaks, füttere die Hunde und lebe meinen Traum.