Gee Athertons Sturmfahrt in den DolomitenAuf Messers Schneide

Dimitri Lehner

 · 29.09.2023

Gee Atherton in den Dolomiten für sein Projekt: Ridgeline IV
Foto: Dan Griffiths
Für den 4. Teil seiner Serie “Ridgelines” befuhr Downhill-Weltmeister Gee Atherton Klettersteige in den Dolomiten. Der Engländer will seine Interpretation des Geländes zeigen. Der Filmclip auf Youtube erreichte in 10 Tagen fast eine halbe Million Zuschauer. Wir haben mit Gee Atherton gesprochen.

"Seit dem ersten Ridgeline-Films habe ich davon geträumt, dieses Konzept an die unglaublichsten Orte der Welt zu bringen. Das Potenzial, fantastische, abgelegene Gebirgszüge zu finden, in denen wir uns bis an unsere Grenzen austesten können... um wirklich zu erforschen, was auf einem Bike möglich”, fasst Gee Atherton zusammen, was ihn antreibt, gefährliche Berggrate zu befahren.

Der Dolomiten-Film unterscheidet sich von seinen Vorgängern dadurch, dass das Team "keinen einzigen Stein bewegt" hat. Es ist eine Erkundungstour mit Freunden, ein rohes Abenteuer in den Bergen. Denn Gee Atheron fährt die Lines, die sie finden. Und dabei sind laut Gee einige der unerbittlichsten Strecken der Serie.

Nicht nur das Gelände forderte, auch das Wetter.Foto: Dan GriffithsNicht nur das Gelände forderte, auch das Wetter.

Alles begann im Juni damit, dass Gee und sein Team das Gelände besichtigte. Gee ging da vor beim Trackwalk im Worldcup. Fazit: Das Team musste schnell feststellten, dass es "überfordert" war. Es gab keine Möglichkeit, die langen Wanderungen auf den Berg abzukürzen, die vielleicht oder vielleicht auch nicht zur Entdeckung eines coolen kleinen Singletrack-Abschnitts für den Film mit der Art von Umgebung führen würden. Auf lange Tage im knietiefen Schnee folgten Nächte, in denen Gee und sein Team über Karten brütete und versuchte, so viel Schlaf und Energie wie möglich zu bekommen.

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Die Dreharbeiten im August klappten besser, weil das Wetter gnädig war. Dennoch dauerte es ewig bis die Spots erreicht wurden, die sich zum Filmen eignen würden. Stundenlange Fußmärsche, Klettern an Seilen, Leitern und Abseilen inklusive. Das Team war mit Kameraausrüstung, Drohnen, Proviant und Gees Enduro-Bike beladen, das bis auf Rahmen, Lenker und Räder zerlegt war, um die Last zu verteilen. Es war die körperlich und mental anstrengendste Woche der Serie, in der Abenteuerlust und Überlebenswillen das Team zu einigen der unglaublichsten Szenen anspornten, die es je gefilmt hat.

Steil, steiler, noch steiler.Foto: Dan GriffithsSteil, steiler, noch steiler.

Gee Atherton sagte, er habe von Anfang an gewusst, dass er diese Szene auf dem Atherton AM.170 filmen würde: "Es ist robust genug, leichter als mein DH-Bike und hat dennoch eine tolle Traktion. Es ist "genug Bike", um jeden Zentimeter des steilen und felsigen Geländes zu bewältigen".

Begleitet wurde Gee von seiner "rechten Hand": Jamie Robertson und dem Fotografen Dan Griffiths (Moonhead Media), die beide von Anfang an bei dem Projekt dabei waren. Doch für solch ein gefährliches Terrain zogen sie den Berg-Experten Brodie Hood hinzu. Brodie ist einer der wenigen Filmemacher, die mit einer Drohne auf den Gipfel des Mount Everest geflogen sind, ein erfahrener Bergsteiger und Bergretter.

Einer der schwierigsten Aspekte für das Team war es, sich an die langen Tage auf dem Berg zu gewöhnen und die "lebenswichtige Angst" zu verlieren. Am ersten Tag der Dreharbeiten fuhr Gee noch sehr zögerlich auf den sehr exponierten Pfaden, aber am dritten Tag ballerte er in Downhillrace-Tempo und als würde es den 300 Meter tiefen Abgrund nur wenige Zentimeter links von ihm nicht geben.

Gee sagte über Bergspezialisten Brodie Hood: "Brodie bei uns zu haben, hielt mich am Leben! Aber es bedeutete auch, dass ich mich auf Dinge einlassen musste, die ich alleine nicht in Angriff genommen hätte... am Ende des Films gibt es z.B. eine Sequenz, in der ich bei Sonnenuntergang einen Bergkamm hinunterfahre - es ist absolut atemberaubend, aber es war so steil und ausgesetzt, dass ich an die möglichen Konsequenzen nicht denken will. Dan und Jamie waren beide beim Dreh von "Knife Edge" dabei, und ich konnte sehen, dass es ihnen schwer fiel, mich zu ermutigen, solche Stunts zu wagen. Der Teil des Films, in dem ich am langsamsten fahre, war eigentlich der schwierigste von allen.

Interview: Gee Atherton

FREERIDE: Du fährst auf Messers Schneide. Was reizt dich an Berggraten?

Gee Atherton: Ach, das passierte eher zufällig. Ich wollte zu Hause eine coole Line bauen und fand diesen exponierten Berggrat oberhalb des Bikeparks. Dann kam der nächste dazu und ich fand Gefallen daran.

Du hast Gefallen daran gefunden?! Du bist fast in den Tod gestürzt.

Ja, ich bin bei Filmaufnahmen die Bergflanke runter gestürzt. Doch ich kam zurück und diesmal schaffte ich die Grat-Fahrt. Jetzt ging es in die Dolomiten.

Hier sind die Bergflanken senkrecht. Sturz = Tod.

Die Konsequenzen sind immer krass bei solchen Aktionen. Das weiß ich, das wusste ich schon immer. Ich kenne die Risiken und was mir beim Sturz passiert ist, ist das beste Beispiel dafür.

Dennoch machst du immer weiter.

Ja, ich kenne die Gefahr und tue alles, um ihr zu begegnen. Ich kalkuliere genau.

Ist da ein Unterschied vom Kopf her, wenn der Berg senkrecht abstürzt, selbst wenn ein geneigter Grashang genau so tödlich sein kann?

Für mich ist da kein wirklicher Unterschied. An dem Grat, wo ich abstürzte gab es auch senkrechte Klippen zu beiden Seiten. Ich hatte Glück im Unglück, stürzte dennoch auf Fels und Stein. Die Verletzungen waren heftig, doch sie hätten noch viel schlimmer sein können. Aber ja, in den Dolomiten geht es senkrecht runter, das schärft die Sinne noch mehr. Und an manchen Passagen bin ich in den Dolomiten auch nicht gefahren, das war mir zu riskant.

Kilian Bron hat mit seinem Dolomiten-Film für Aufsehen gesorgt. Auch Tom Öhler ist dort gefahren für ein Filmprojekt. Was wolltest du anders machen?

Schon viele andere Fahrer haben in den Dolomiten gefilmt. Das gilt für viele Regionen: die Alpen, Whistler usw. Ich wollte da meine ganz eigene Handschrift in den Dolomiten hinterlassen und so fahren, wie ich eben fahre.

Riding like Gee. Wie sieht das aus?

Schau es dir an. Da steckt meine ganze Erfahrung drin aus dem Downhill-Worldcup, aus vielen Projekten. Ich hatte das Gefühl, da noch mehr den Speed-Aspekt reinzubringen. Und vielleicht denken die Leute, ich hätte einfach mein Hirn ausgeschaltet. Doch das passierte alles super kalkuliert. Ich habe mir jede Stelle angeschaut, habe jeden Stein, jede Kante inspiziert. So wie ich einen Worldcup-Track analysiere, gehe ich bei meinen Filmprojekten ans Werk.

War es schwer, in den Dolomiten Filmgenehmigungen zu bekommen?

Oh ja. Und wir mussten Plätze finden, die einsam sind und abgelegen. Oder eben ganz früh starten oder bei schlechten Wetter, um die Berge für uns zu haben. Wir sind da stundenlang rumgeklettert, haben uns abgeseilt, um spannende Passagen zu finden. Ich bin ein Prozent der Zeit gefahren, sonst nur geklettert und rumgestiegen.

Wenn man dich da entlang ballern sieht, denkt man automatisch: Hoffentlich halten seine Reifen. Danny MacAskill bekam von seinem Reifensponsor eine Spezial-Mischung als er die Felshänge in Schottland befuhr. Du auch?

Der Grip war irre wichtig, aber auch die Vorhersehbarkeit, wie der Reifen sich verhalten würde. Ich musste immer wissen, was Bike und Reifen machen. Ich verwendete den Downhill-Reifen Kryptotal von Conti. Den Reifendruck variierte ich. Mehr Druck im rauen, schnellen Gelände, denn da wollte ich keinen Platten riskieren. Doch in Grat-Passagen, die noch nie jemand vor mir befahren hatte, ging ich runter mit dem Druck. Denn ich wusste gar nicht, ob ich es schaffen würde, das Bike rechtzeitig zum Halten zu kriegen. Da ging ich auf 22 Psi runter und hoffte, dass der weiche Gummi genug Grip erzeugen würde.

Du hast dich gerade von deinen Verletzungen erholt und schon dieses Jahr bei der Red Bull Hardline mitgemacht, du bist im Worldcup gestartet, in den Dolomiten an tödlichen Klippen entlang gebraust und jetzt willst du noch bei der Red Bull Rampage mitmachen. Gee, bist du komplett verrückt geworden?

(Lacht.) Risiko gehört zu unserem Sport dazu. Die Gefahr ist da. Doch das ist kein Grund, ihn nicht zu machen. Das Leben ist kostbar. Da ist es wichtig, dass du Dinge machst, die du liebst und die solltest du so gut machen wie du kannst. Heutzutage ist man schnell eingeschüchtert, nervös und unsicher, was alles schief laufen kann. Doch ich finde, man muss diese Ängste überwinden. Projekte wie die Gratfahrten sind mir wichtig, dazu zwingt mich niemand, die mache ich aus eigenem Antrieb, weil sie mich reizen. Nicht weil Sponsoren oder sonst jemand von mir erwartet.

Du könntest aber auch sagen: Relax, Gee. Du bist Weltmeister, Red Bull Hardline Sieger, hast die fettesten Drops bei der Red Bull Rampage gemacht als sie noch rau und wild war. Warum nicht einen Gang zurück schalten und sich auf die Arbeit bei Atherton-Bikes konzentrieren.

Stimmt, könnte ich. Doch ich hätte auch schon 2004 sagen können: Ziel erreicht, als ich einen Worldcup gewonnen hatte. Doch so bin ich nicht, so funktioniere ich nicht. Niemand in meiner Familie ist so. Wir müssten nicht so lange Wettkämpfe fahren, eine eigene Bike-Firma aufmachen, einen Bikepark bauen usw. Das sind unsere persönlichen Entscheidungen. Wir suchen immer wieder neue Herausforderungen – das treibt uns an.

Du bist schier unschlagbar in steilem, rauen Gelände. Doch Tricks sind nicht so deine Stärke. Was willst du uns bei der Red Bull Rampage am 13. Oktober zeigen?

Ich finde, die Rampage sollte ihrem Charakter treu bleiben. Je mehr Leute mitmachen, die sich auf Tricks konzentrieren, desto mehr wird sich die Rampage auch in diese Richtung bewegen. Ich mache nicht mit, um die Rampage zu gewinnen oder auf dem Podium zu landen. Sondern um daran zu erinnern, dass es noch andere Element gibt außer Tricks, nämlich Speed und das Brachiale. Wenn ich das dazu beitragen kann, bin ich happy.

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