Meterhohe Drops mit dem Gravelbike, Treppensprünge, endlose Manuals – der Österreicher Gabriel Wibmer (23) scheint genauso talentiert wie sein Cousin Youtube-Star Fabio. Wir sprachen mit Gabriel über nervige Fabio-Vergleiche, das perfekte Video und warum er gut auf einen Lamborghini verzichten kann.
Sehr wichtig.
Nerven die Vergleiche mit Fabio?
Nicht wirklich. Fabio ging es ja genau so mit Danny MacAskill. Und jetzt schau dir Fabio an! Nun hat es sich vielleicht sogar gedreht und die Leute kennen eher Fabio als Danny. Weil es wieder eine andere Generation ist. Ich denke mir: Man muss das Rad nicht neu erfinden. Oft geht das auch gar nicht mehr.
Gibt es was, das du besser kannst als Fabio?
... ach da will ich mich nicht dazu äußern. Wir haben beide unsere Stärken und Schwächen. Zwischen uns gibt es kein Konkurrenzdenken.
Ich wollte nicht den Konkurrenzkampf anfachen, mir ging es drum dich einzuschätzen.
Ich habe ein paar Projekte im Kopf, die so noch nicht gemacht wurden – ich will mal so antworten. Man kann immer noch eine Schippe drauf legen.
Ihr fahrt beide auf einem unglaublich hohem Niveau. Zwei Typen aus einem winzigen Dort in Österreich sind so verdammt gut – wie kann das sein?
Unsere Eltern sind sportbegeistert, besonders mein Papa ist sehr sportlich und das hat sich auf uns übertragen.
Naja, meine Eltern sind auch sportbegeistert. Da muss doch mehr dahinter stecken. Geht dein Papa auch nach Leogang und shreddet im Bikepark?
Nein (lacht). Das jetzt nicht. Mit Mountainbiken hat er wenig zu tun. Aber ist ausgebildeter Sport-Coach und hat mich immer mit sinnvollen Tipps unterstützt.
Wie kann ich mir das konkret vorstellen? Hat Fabio eine Motocross-Maschine bekommen und dein Vater hat dir dann auch eine gekauft?
Genau so. Mein Dad war sofort Feuer und Flamme. Fabio war zwar etwas älter als ich, doch wir haben das alles zusammen gestartet bei uns im Dorf. Zuerst sind wir zusammen Motocross gefahren und als Danny MacAsill sein Video raus brachte, wollten wir nur noch mit dem Bike rumtricksen. Dannys Film war für uns die Initialzündung.
Nur du und Fabio?
Nein, auch unser Cousin Johannes. Die zwei sind noch länger Motocross gefahren, doch meine Eltern hatten entschieden, dass das zu gefährlich wird. Zudem ist Motocross richtig teuer und aufwändig. Biken war da eine willkommene Alternative, denn das konnte man direkt vor der Haustüre machen. Nach der Schule ging’s raus, zum Sprünge bauen und Tricks üben.
Alle auf Trial-Bikes?
Nein. Fabio war der erste, der sich ein Trialbike besorgt hatte.
Wie erklärst du dir, dass ihr so gut geworden seid, denn Üben tun viele.
Wir haben recht bald ein Bodentrampolin bekommen. Ich glaube, das war der Grund, warum wie so schnell so gut geworden sind. Wir sind wie die Verrückten auf dem Trampolin rumgesprungen und haben so ein Gefühl für all die Flips und Bewegungen bekommen. Aber nicht nur wir drei, die ganze Nachbarschaft. Das war ein fixer Treffpunkt nach der Schule. Da ging es dann richtig ab mit Double-Backflips und Double-Frontflips. Das war eine verrückte Zeit.
Man sieht dich in deinen Clips auch mit Parcours-Einlagen. Du springst Lincoln-Flips. Hast du die Moves auf diesem Trampolin gelernt?
Ja. Die seitlichen Flips habe ich genau auf diesem Trampolin gelernt. Ja meine komplette
Ist das so ein Trampolin wie es fast jeder Vater für seine Kinder in den Garten stellt?
Nein, mein Vater hat ein Profi-Trampolin gekauft, dafür ein Loch gegraben und es in den Boden eingelassen. Da haben wir viel trainiert, hatten dann eine Phase, wo wir alle Streetrunner werden wollten und heiß auf Parcours waren, doch das hat sich wieder gelegt und alle sind zum Trampolin zurück gekehrt.
Profi-Trampolin und Profi-Attitude.
Wir sind da voll ambitioniert rangegangen. Unser Dorf heißt Oberpeischlach in Osttirol. Irgendwann haben wir die Oberpeischlacher Meisterschaften abgehalten. Du siehst: Das war kein gechilltes Rumhüpfen, sondern ein hochambitionierter Leistungsvergleich, wo jeder zeigen wollte, was er drauf hat.
Also Skills durch Training, nicht durch die guten Gene alleine.
Stimmt, denn weder Fabios noch meine Eltern können Backflips. Was man ihnen aber hoch anrechnen muss: Sie haben unsere Begeisterung immer geteilt und uns nach vollen Kräften unterstützet. Und die Idee mit dem Trampolin war einfach genial. Das hilft mir auch heute noch. Und ich glaube Fabio profitiert genau so von den Skills, die er sich damals beim Hüpfen in Oberpeischlach angeeignet hat.
Sagt dir der Name Jan Schlappen was?
Logisch. Das ist ein verrückter Typ. Seine Parkour-Stunts sind legendär. Er ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine gute oder in seinem Fall exzellente Körperbeherrschung für vieles hilfreich ist. Jan hat Mountainbiken ausprobiert und ist als kompletter Neuling in Leogang alle Drops gesprungen. Er könnte auch einen Backflip mit dem Bike machen, denn er kennt genau die Bewegungsabläufe. Ist er zu langsam, zieht er sich zusammen, ist er zu schnell streckt er sich. Das ist dem Typen in Fleisch und Blut übergegangen. Er weiß auch exakt, wo er sich in der Luft befindet.
Diese “Air-wareness”, das Wissen, wo man sich in der Luft befindet, hilft auch bei den Stürzen.
Ja, das ist ganz wichtig. Wir hatten damals für paar Jahre Judo gemacht. Da wird das richtige Umfallen und Fallen regelrecht zelebriert.
Die Trampolin-Tage sind lange vorbei. Jeder Wibmer macht jetzt sein eigenes Ding. Fabio schmust mit Models in Monaco rum und hängt ab mit Max Verstappen. Du verbringst viel Zeit in München. Ergeben sich noch Gelegenheiten für einen gemeinsamen Ride?
Wir treffen uns zu den Familienfesten wie Weihnachten und Ostern. Doch gemeinsam Biken passiert nicht mehr.
Dein erfolgreichster Youtube-Clip heißt „Late for School“ mit 14 Millionen Klicks. Doch da gibt es noch ein anderen Clip unter dem Namen mit 209 Millionen Klicks.
Das ist brutal viel. 209 Millionen ist wild.
Hast du dir den Clip mal angesehen?
Nein.
Deine Film-Produktionen wirken sehr aufwändig. Es wird aus vielen Perspektiven gefilmt. Dazu der aufwändige Stuntbau usw. Wir groß ist dein Team?
Das ist eine sehr kleine Gruppe, denn vieles passiert spontan. Wir können da nicht immer vorplanen. Bei den Clips Late for School oder Gravelmania waren wir nur zu dritt. Mein Cousin Stefan als Filmer, ich als Fahrer und meine Freundin Lara, die fotografiert hat und die zweite Kamera geführt hat. Stefan und ich konzipieren die Projekte und wir beide sind keine Freunde von großen Produktionen.
Was ist das Erfolgsrezept für ein Videoclip? Ich denke da natürlich an das erste Filmchen von Danny MacAskill, an Fabios Clips, aber auch an Clips vom Freeskier Markus Eder oder Gleitschirmflieger Jean-Baptiste Chantelier. Die Zutaten ähneln sich: Stimmung, Stunts aus verschiedenen Perspektiven mehrfach gezeigt, bisschen Klamauk, ne kleine Storyline wie “Schnell in die Schule” oder Flucht vor der Polizei. Kurzum: eigentlich keine Raketenwissenschaft!
Wenn man sich die erfolgreichen Videos anschaut, ähneln die sich tatsächlich. Und es verwundert nicht, dass sie erfolgreich sind. Was mich verwundert: Dass die anderen das so konsequent falsch machen. Der Erfolg meiner Clips liegt auch daran, dass jeder einen gewissen Bezug dazu hat, selbst, wenn er wenig mit Biken zu tun hat. Wenn die Themen dann noch mit Selbstironie lustig aufgezogen sind, kann jede Altersgruppe damit was anfangen. So gelingt es dir, Leute fürs Biken zu begeistern, die sich normalerweise keine Bike-Filme anschauen.
Ist das der Unterschied zu Typen wie Chris Akrigg, ein wahrer Virtuose auf dem Bike. Doch seine Videos kenn kaum jemand.
Genau das ist der Unterschied. Wir sagen nicht, dass wir die besten Biker der Welt sind. Darum geht es hier gar nicht: Wer ist der Beste. Es geht darum, dass die Geschichte cool ist, das Video zündet. Das sind zwei Paar Stiefel, ob man ein guter Fahrer oder ein guter Regisseur ist. Es kommt auch nicht drauf an, einen fünffach Barspin zu machen. Die meisten Zuschauer können das ohnehin nicht einschätzen.
Wie erklärst du dir, dass die anderen Biker wie Chris Akrigg dieses Erfolgsrezept ignorieren und auf Klicks verzichten?
Vielleicht sind sie nicht willens so viel Arbeit rein zu stecken. Das passiert mir ab und an auch. Ich weiß dann schon, dass die Clips nicht performen werden. Steckst du die volle Energie rein, dein Herzblut und deine Leidenschaft wie bei Late for School, dann ist dir der Erfolg fast sicher.
Welche Clips kommen dir in den Sinn, die dich voll geflasht haben in letzter Zeit?
Oh, da muss ich kurz mal nachdenken ... also ich schau generell nicht so viel YouTube. Und Bikefilme schaue ich mir eher selten an. Es gibt wenige, die rausstechen. Ich glaube, Fabio und ich haben schon sehr früh durchschaut, dass es nicht reicht, Bike-Stunts aneinander zu reihen. Davon werde ich müde beim Zusehen.
Wann hast du damit angefangen, Filme zu machen?
Schon mit 12 Jahren habe ich Youtube-Filme geschnitten. Das mache ich auch heute noch selbst. Ich weiß genau, wo die Kamera stehen muss, welche Farbe das Bike haben muss und wie der Stunt am besten aussieht. Unser Vorteil: Wir haben das Sportliche drauf und das Filmerische. Die Kombi sticht. Denn es gibt viele gute Biker und viele gute Filmer, aber die arbeiten selten zusammen.
Als ich den Clip Tropical Vibes – Ayato’s Way gesehen habe, dachte ich: Das könnte auch ein Wibmer sein.
Absolut. Das Filmchen ist verrückt, es zeigt Stunts, die man noch nicht gesehen hat wie die Surf-Session mit dem Bike, es ist witzig und unerwartet.
Wie erklärst du dir die Ähnlichkeit zu euren Filmen?
Die habe sich das sicher abgeschaut. Aber das ist okay, alle schauen sich Dinge von den anderen ab, die gefallen. Mir geht das auch so. Und es muss gar nicht mal Biken sein. Der Edit von Markus Eder hat mir irre gut gefallen. Als ich das gesehen hatte, wusste ich sofort: Das wird ein Knaller. Und da versenkt man richtig viel Zeit, um so etwas umzusetzen. Kein Wunder, dass Fabio und ich nichts anderes machen als Videos.
Wie viel Zeit brauchst du für ein Edit.
Für Gravel Mania hatten wir 31 Filmtage ohne An- und Abreise.
Und danach hast du Terrabites an Filmmaterial zu sichten.
Oh ja, das dauert ewig. Und da immer dran zu bleiben, erfordert Diziplin. Denn das Aussortieren ist nicht wirklich spannend. Dann geht es drum, die Soundeffekte zu machen, die Farbkorrekturen vorzunehmen ....
Und am Ende kannst du dein Film gar nicht mehr sehen.
Na, wenn ich den Clip online stelle, schaue ich es mir maximal ein Mal an. Und dann vielleicht nach einem halben Jahr nochmal.
Und denkst dann was?
Dass es ganz schön krass war. Denn bei der ganzen Schneiderei verlierst du den Abstand zum Film und denkst dass es so besonders gar nicht ist. Doch mit Abstand, kommt die Wirkung wieder zurück.
Fühlst du Leistungsdruck wie ein Bestseller-Autor, der seinen Erfolg wiederholen muss?
Den versuche ich auszublenden und den Spaß in den Vordergrund zu stellen. Und die Gaudi an der Idee. Denn das spürst du sofort, ob die Leute Spaß an ihrem Edit gehabt haben. Doch ein gewisser Druck ist natürlich da. Besonders am Anfang, wenn man die Idee den Sponsoren vorstellt und auch was versprechen muss. Doch je mehr das Projekt voran schreitet, desto spaßiger wird es. Dann hast du schon Stunts im Kasten und kriegst damit noch mehr Ehrgeiz, es gut zu machen. Ein Laie kann sich kaum vorstellen, wie anstrengend meine Arbeit sein kann. Wenn ich z.B. einen Trick einen Tag lang versuche oder gar zwei. Immer und immer wieder.
Das sieht man gut an den Outtakes bei Danny MacAskill.
Ja, das ist brutal.
Die Klickzahlen deiner Videos gehen ab. Träumst du jetzt auch schon von Monaco, einem Red Bull Helm und einer Model-Freundin?
Lacht. Monaco ist mir nicht so wichtig, doch ein Red Bull Helm hat natürlich einen enormen Reiz. Doch ich träume nicht von einem Haufen Geld. Ich träume davon, dass ich möglichst lange Spaß habe am Radel-fahren. Das spüre ich besonders, wenn ich verletzt bin. Da habe ich dann nur noch einen Wunsch: Schnell wieder aufs Bike.
Du meintest, Danny MacAskill sei ein Vorbild für dich. Kennst du ihn persönlich?
Ich habe mich zwei, drei Mal mit ihm unterhalten. Er ist extrem freundlich und offen. Es wirkt als würden wir uns schon ewig kennen. Das erste Mal habe ich ihn auf der Toilette getroffen.
Auf der Toilette?
Ha ha, ja, das war während der Eurobike. Und wir haben uns gleich nett unterhalten. Von Star-Allüren keine Spur. Wenn man ihn so sieht, kann man sich nicht vorstellen, dass er die wildesten Videos auf Youtube macht.
Dir geht es nicht um Millionen, nicht um Lamborghini oder ner Villa in Monaco. Sondern um Spaß. Was steht denn noch auf deiner Spaß-Bucketliste?
Stunts mit Fallschirm finde ich extrem spannend. Als der Motocrosser Tom Pages da einen DoubleFrontflip mit der Motocross-Maschine machte und dann den Fallschirm zog, war ich sprachlos. Unglaublich geil! Da gibt es Video-Ideen, da kriege ich schon Angstschweiß alleine vom Drüber reden. Es gibt schon harte Ideen, die ich so über den Tag habe.
Kannst du vom Sport leben?
Ja. Das klappt gut.
Stimmt, du brauchst ja nicht viel. Von Canyon kriegst du die Bikes, von Nine Year die Klamotten und von First Degree die Schuhe.
Lacht. Stimmt. Fast, denn Auto, Wohnung und Essen brauch ich ja auch.
Könntest du alleine von deinen Youtube-Einnahmen leben?
Youtube ist eine gute Einnahmequelle. Allerdings sehr launisch. Mal gibt’s viel, mal wenig. Da ist es gut, Sponsoren zu haben auf die ich mich verlassen kann. Sonst wäre der Druck hoch, dass das nächste Video genug Klicks bekommt oder ich muss mein Auto abmelden, nur Ravioli aus der Dose essen oder kann die Miete nicht zahlen.
Ich dachte, du wohnst noch zuhause.
Ja, die meiste Zeit schon. Denn da habe ich mein Trampolin und kann die Motocross-Maschine ankicken, wann immer ich will und in den Wald brausen.