Der Jah-Drop geisterte schon eine ganze Weile in meinem Kopf rum. Josh Bender wagte ihn vor 23 Jahren! Irre, was Bender zu den Pionierzeiten des Freeridings alles wagte. Ich bin ein Bender-Fan, und mir gefällt die Vision, die er vom Mountainbiking hatte. Bender inspirierte mich, und da reizte es mich natürlich, sein Reich zu betreten und zu fahren, wo Bike-Legende Bender gefahren ist.
Ich war sechs Jahre alt, als ich in “New World Disorder” sah, wie Bender den Jah-Drop springt. Was für ein Spektakel! Was für ein Crash – mehr Explosion als Sturz! Die Landung sah brutal flach aus. Über die Jahre schaute ich mir den Stunt immer wieder an, er wollte mir nicht aus dem Kopf gehen.
Manchmal dachte ich: Der Drop ist machbar. Dann wieder: no way! Doch es ist diese Ungewissheit, die ich liebe in unserem Sport. Mich faszinieren Stunts, von denen du nicht weißt, ob sie klappen. Das ist aufregend, denn es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden: Du musst den Stunt wagen. Herrlich! Aber ich bin nicht naiv, ich denke natürlich an die Konsequenzen. Im Falle des Jah-Drops machte ich mir am meisten Sorgen um meine Schulter. Ich hatte vor sechs Monaten eine OP und trotz viel Krafttraining fühlte sie sich noch nicht 100 Prozent fit an. Ich bangte, dass mir die Schulter bei der Landung um die Ohren fliegt – im Wortsinn. Das machte mir Angst, richtig Angst!
Der Jah-Drop ist verdammt oldschool. Da geht’s senkrecht runter. Als würdest du mit einem Anker um den Hals in einen Brunnen springen. Und dann die Landung: Sie ist flach und liegt direkt unter dir. Das in Kombination mit der beachtliche Höhe macht den Jah-Drop so tückisch. Mein X-Games -Drop war höher, doch hier hatte ich Speed und eine steile Landung. Das hilft enorm, die entfesselte Energie zu vernichten. Und dann der Anlauf beim Jah-Drop. Da ist keiner! Die Erosion hat die Grasnarbe abgenagt. Ich würde auf dem Bike balancieren müssen, im 90-Grad-Winkel, dann einen Hopser in die Fall-Linie machen und die Bremse lösen. So weit die Theorie.
Josh Bender freute sich, als er hörte, dass ich den Jah-Drop wiederholen wollte. Das war wichtig für mich. Ohne sein „Go“ hätte ich den Drop nicht gemacht. Als ich zum ersten Mal oben auf der Klippe stand, überraschte mich die Höhe. Das Ding sah riesig aus. Was mich noch mehr beunruhigte war der Fuß der Klippe. Derek hatte erzählt, dass die Erde betonhart sei. Doch jetzt im Mai hatte der Regen alles aufgeweicht. Ich stapfte da unten rum, sank bis zu den Knöcheln ein und dachte mir: Das funktioniert nie! Wir mussten den Sand festklopfen. Wenn ich jetzt das Foto sehe, wünschte ich, dass die Landung natürlich aussehen würde. Doch dann wäre der Drop nicht möglich gewesen. Wir hätten bis Sommer warten müssen, doch Derek musste seinen Film “Nothing’s for Free” fertigkriegen.
Die Tage vor dem Stunt stand ich unter Stress. Ich konnte kaum schlafen vor Aufregung. Es regnete, biken unmöglich, Marzocchi hatte den Spezialdämpfer noch nicht geschickt, und ich wartete auf Hardcore-Pedale, die nicht kamen.
Der Postbote brachte sie am Tag nach dem Drop. Erst als die Film-Crew eintraf und ich wusste, dass es losgeht, atmete ich auf. Denn ich rutschte in die Zone, wie ich es nenne. In der Zone gibt es nur noch das Jetzt. Und das Jetzt fühlt sich verdammt lebendig an. Ich wartete zusammen mit Derek oben am Drop, hörte Musik, genoss diesen Augenblick in der Abendsonne. Und dann war es so weit: Ich rollte über die Klippe – und droppte.
Bämm! Der Aufprall war heftiger als erwartet. Viel heftiger! Es presste mich ins Bike. Ich stampfte die Sattelstütze durchs Sitzrohr – mit meinen Eiern. Die färbten sich danach blauschwarz. Der Sattel brach. Gleichzeitig prallte ich mit dem Helm auf den Lenker. Kurbeln und Pedale bohrten sich in den Boden, und ein Fuß bog sich ums Pedal, dass die Bänder rissen. Dann schleuderte es mich wieder nach oben. Ich schaffte es zwar, den Lenker festzuhalten und den Rodeo-Ritt ohne Sturz zu beenden, doch happy war ich mit der Landung weiß Gott nicht. Gerne hätte ich den Jah-Drop ein zweites Mal gemacht, um sauberer zu landen, doch der geschwollene Knöchel machte mir einen Strich durch die Rechnung. Aber: dennoch happy – geschafft, ohne Sturz! So richtig hab’ ich es noch gar nicht begriffen, dass ich diesen symbolträchigen Stunt gemacht habe. Ja, verdammt, ich bin den Jah-Drop gesprungen!