Das Leben als Profisportler verlangt Mountainbikern so einiges ab. In der Cross-Country- Disziplin sind nicht nur Fahrtechnik und Kondition gefragt, sondern auch das richtige Mindset. Hohe Trainingsumfänge und zahlreiche Rennen über das Jahr verteilt erfordern jede Menge Durchhaltevermögen und Biss. Bei schulpflichtigen Rennfahrern kommen dazu noch ganz andere Herausforderungen. Wie vereinbar sind Abitur und Sportler-Karriere? Wir baten die 17-jährige Paulina Lange und den 14-jährigen Benjamin Huber uns diese und weitere spannende Fragen zu beantworten. Beide gehen im äußerst erfolgreichen BIKE Junior Team an die Startlinie von internationalen XC-Jugendrennen. Auch Teammanager Bernd Sigl ließ sich in die Karten schauen und verrät, wie Jugendliche Nachwuchs-Athleten so ticken.
Die Cross-Country-Disziplin wird immer anspruchsvoller. Je früher Kids anfangen, desto eher können sie die benötigten Automatismen lernen und taktisches Geschick entwickeln. Erst über die Jahre trennt sich die Spreu vom Weizen. Wie überall im Radsport landen irgendwann die Fleißigen mit den passenden körperlichen Voraussetzungen und der Bereitschaft sich quälen zu wollen immer weiter vorne. - Bernd Sigl, Team-Manager BIKE Junior Team
Sie steht kurz vor dem Abitur und will in ihrer vierten Saison mit dem BIKE Junior Team trotzdem wieder alles geben. Paulina Lange kann bereits zwei Bronze-Medaillen bei der Deutschen Meisterschaft und zwei Top-Ten-Platzierungen bei Europäischen Meisterschaften vorweisen. Dieses Jahr startet sie in der U19-Kategorie.
Das erste Jahr mit dem BIKE Junior Team war für Benjamin Huber gleich mit Erfolg gekrönt. So wurde er vergangene Saison nicht nur Vierter bei der Jugend-XC-Europameisterschaft in Schweden, sondern auch Deutscher Meister im Cyclocross. Für 2025 will der Rosenheimer Vollblut-Radsportler in der U17-Klasse angreifen.
Es ist, als spräche man mit einem Worldcup-Athleten. Trainingsplan? Klar! Was es zum Sieg braucht? Disziplin, Durchhaltevermögen und Selbstvertrauen! Benjamin Huber ist gerade mal 14 Jahre alt. Über seine Fitnessroutinen spricht er allerdings, als hätte er bereits 15 Jahre im Profi-Lager hinter sich. Für unser Gespräch hat er seine Einheit auf der Rolle kurz unterbrochen. "Der Kerl ist ein echter Bike-Nerd und saugt jedes Detail auf, wie ein Schwamm", fasst sein Team-Manager Bernd Sigel zusammen. Schon in der U7-Klasse fuhr Benny Cross-Country-Rennen und eiferte dabei seiner großen Schwester nach.
Auch Team-Kollegin Paulina Lange wurde in eine Mountainbike-Familie hineingeboren. Auch sie sitzt wöchentlich gut 14 Stunden auf dem Bike. Hinzu kommen bis zu vier Stunden Krafttraining und in der Offseason Langlauf-Einheiten. So viel Zeit widmen andere Jugendliche nur ihrem Smartphone. Dabei hat Paulina das Abi vor der Brust: "Büffeln muss ich halt abends. Jedes Training bringt mich meinen Zielen näher." Im Blick hat sie die ganz großen. Ihre Vorbilder hören auf die Namen Evie Richards und Matthieu van der Poel.
Paulina und Benjamin fahren für das BIKE Junior Team. Dort treten sie in die Fußstapfen vieler international erfolgreicher Radsportler, wie die deutsche Elite-Meisterin Leonie Daubermann oder der Cape-Epic-Sieger Georg Egger. Seit der Gründung 2010 gehört die Jugend-Mannschaft zu den besten Deutschlands. Auf dem Niveau, das Paulina und Benny bereits in jungen Jahren erreicht haben, ist ein Team unverzichtbar. Nicht nur aus finanzieller Sicht. Bei rund 20 Rennwochenenden jährlich plus Trainingslager und Team-Camps ist die Community aus eingeschworenen Familien ein riesiger Vorteil.
Neben Vertrag und Zielvereinbarungen, schaffen auch die persönlichen Beziehungen Verbindlichkeit. "Ein Team-Wechsel darf nicht sein, wie ein Unterhosen-Wechsel", so Sigel. Falls doch mal Motivationsflauten aufkommen, hilft der enge Kontakt zu den gleichaltrigen Rennfahrern diese zu durchstehen. Wenn Sigel anruft, gilt die erste Frage immer der Gesundheit. Die zweite gilt der Schule. Erst dann geht es ums Radfahren. "Wenn die Leistung im Rennen nicht stimmt, liegen die Gründe bei den Jugendlichen fast immer außerhalb des Trainings", sagt der Manager.
Abi? Das krieg ich auch so hin. Eine XC-Karriere wäre der Traum. - Paulina Lange, BIKE Junior Team
So reflektiert, wie die Jugend-Rennfahrer auftreten, erlebt man selbst Erwachsene selten. Paulina ist nicht nur talentiert, sondern auch fleißig. Im Wettkampf haperte es in der Vergangenheit hin und wieder an der Startphase, manchmal fehlte der "Killerinstinkt", um dem Rennen den eigenen Stempel aufzudrücken. Ein früheres Timing der Vorbelastungseinheit und die Zusammenarbeit mit einem Mental-Coach brachten Fortschritte. Benjamin muss von seinen Eltern manchmal eingebremst werden, um nicht zu viel zu trainieren. Der 1,87 Meter große Neuntklässler hat einen biologischen Vorsprung von rund zwei Jahren und einen extrem starken Motor. Groß geratene Jugendliche können aber mit der eigenen Schlagsigkeit zu kämpfen haben. Benny fordert deshalb immer wieder Fahrtechniktrainings ein und weiß, dass koordinative Weiterentwicklung ein Schlüsselelement sein muss.
So richtig verstehen seine Klassenkameraden nicht, was Cross Country eigentlich ist. Downhill und Bikepark ja, aber bergauf fahren? Da sind viele Jugendliche skeptisch. Paulinas Peergroup ist schon ein paar Jahre älter. Freundinnen bewundern ihre Selbstbeherrschung in der Klausurenphase. Für sie ist das Training auch Chance den Kopf frei zu bekommen. Im Gegensatz zum Worldcup-Profi muss sie nämlich noch die Schulbank drücken.