Clemens Kaudela & seine erste Rampage17.500 $ Reisekosten – “I’ll be back!”

Dimitri Lehner

 · 27.11.2023

Ein Traum wird wahr: Clemens Kaudela ist der erste Österreicher bei der Red Bull Rampage.
Foto: Syo Van Vliet
Clemens Kaudela aus Wien startete 2023 als erster Österreicher bei der Red Bull Rampage. Sein Video "The Minister" brachte ihm die Teilnahme ein. Wir sprachen mit Clemens über seine erste Reise zur Rampage und warum es nicht ganz so lief wie geplant.

Freeride-Profi Clemens Kaudela aus der Nähe von Wien ist der erste Österreicher bei der Red Bull Rampage. Die Teilnahme bescherte ihn sein Video-Edit “The Minister”, in dem Clemens den weitesten Step-Down-Drop in Utah sprang. Wir sprachen mit Clemens über lange Rechnungen, Jetlag, Zeitdruck, Pulsrasen und warum es am Ende doch nicht so geklappt hat wie er sich das vorgestellt hatte.

FREERIDE: Hast du die Rampage etwas aufgearbeitet?
Clemens Kaudela: Ja. Direkt danach hab ich Urlaub in Kalifornien gemacht. Da kamen mir oft Gedanken, was gut gelaufen ist und was schief gelaufen ist. Allerdings kam ich noch nicht dazu, mir das Replay anzusehen. Nicht nur meine Runs, sondern alle. Denn während des Wettkampfs kriegst du nix mit. Doch ich habe einiges gelernt und weiß jetzt, was ich nächstes Jahr besser machen will.

Du meintest, es sei schon ein Traum gewesen, überhaupt eingeladen worden zu sein. Wie ist es dann tatsächlich, wenn man die Taschen packt und in den Flieger steigt?
Es war die pure Freude, von Anfang bis Schluss. Natürlich gabs auch Stress, ob alles klappen würde, die Bikes alle ankommen. Doch mein Team war top mit den Ruso-Brüdern als Digger und Syo Van Vliet als persönlicher Fotografen. Die Gruppen-Stimmung war super und ich hatte das Gefühl, all meine Hausaufgaben gemacht zu haben.

Ihr seid gemeinsam im Team hingeflogen?
Wir haben uns in Las Vegas getroffen, einen Truck gemietet und sind zusammen nach Uath gefahren ins Mietappartement.

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Muss man das alles selbst organisieren und bezahlen?
Ja, alles musst du selbst machen. Und selbst bezahlen aus der eigenen Tasche. Erst wenn du gesund beim Riders-Meeting auftauchst, kriegst du einen Scheck über 9000 Dollar.

Reicht das?
Nein, nie. Ich kann dir genau sagen, was meine Rampage-Teilnahme gekostet hat: 17.500 Dollar.

Eigentlich ein raffiniertes Konzept, die Rampage. Du lässt die Rider alles organisieren, bezahlen und hast selbst deine Hammer-Show.
Aus dem Blickwinkel gebe ich dir Recht. Auf der anderen Seite gibt es auch Events wie den Erzberg-Rodeo, da kriegst du gar nichts vom Veranstalter. Aber das macht bei der Rampage den Reiz auch aus, diese Tough-Man-Challenge zu bestreiten. Da liegt die Herausforderung: Du stehst acht Tage in der Wüste und musst alles selbst organisieren, musst dir dein Training einteilen, das aber viel zu kurz kommt, und dann ist auch schon das Finale.

Das hat man gut bei Brendan Fairclough in seinen YouTube-Clips mitbekommen. Hast du auch so einen YouTube-Report gemacht?
Nein, ich selbst hab noch kein YouTubing betrieben, da fehlte mir die Zeit. Doch die Ruso haben einen Vlog auf ihrer Seite, da kriegt mein einen guten Eindruck wie das bei meiner Rampage-Teilnahme so zu ging. Da siehst du den Rampage-Alltag.


Jetlag, Streckenbau, Terrain begutachten – was ist dir in Utah besonders schwer gefallen?
Ich hatte einen guten Eindruck durch mein Minister-Projekt, das ich in Utah gefilmt hatte. Daher wusste ich ziemlich genau, was auf mich zukommen würde. Der Jetlag war gut zu verkraften, wir waren schon früh wach, daher fiel das frühe Aufstehen leicht. Du musst schon um 7.30 Uhr vor Ort sein, da ist es angenehm kühl fürs Arbeiten, denn um die Mittagszeit brennt die Sonne mit 30 Grad runter. Die Schwierigkeit besteht darin, genau einzuschätzen, was du in der Zeit bauen kannst und dass es am Ende auch funktioniert. Hier liegt meine Stärke, denn als Streckenbauer habe ich viel Erfahrung.

Es gab Riesen-Unterschiede. Faircloughs Line schien mit einem massiven Arbeiten verbunden, das war der reinste Bergbau. Dagegen schien sich Emil Johansson eine schon gebaute Line genommen zu haben.
Emil hat Brett Rheeders Line genommen und hat da wenig verändert. Auch Bienve (Best-Trick-Winner Bienvenido Aquada Alba, d. Red.) nahm eine bereits fertige Line. Der Gedanke kam mir auch. Doch ich kann die Slopestyle-Tricks nicht, die Brett und Emil beherrschen wie ein Flip Can Can über einen Flat-Drop. Daher hätte ich auf der Line schlecht ausgesehen. Ich wollte mir selbst was bauen, was meine Stärken sichtbar macht. Und am Ende hatte ich dann auch eine ziemlich krasse Line.

Du warst im Vorjahr als Digger dort für Szymon Godziek. Jetzt als Fahrer. Wie war der Unterschied?
Wenn du nur als Digger da bist, musst du keine Energie aufsparen. Du kannst Vollgas-Schaufeln. Als Fahrer dagegen musst du mit deinen Kräften haushalten. Nicht nur, dass du am nächsten Tag wieder Kaft hast für die Erdarbeiten, sondern noch genug Energie, die Stunts zu trainieren. Für die Test-Springerei brauchst du 100 Prozent Power. Das baut einen großen Druck auf.

Wie bist du mit dem Druck umgegangen? Kriegt man nachts überhaupt ein Auge zu?
Ich baue schon seit Ewigkeiten mit viel Zeitdruck. Dennoch war der Stress hoch. Ich habe z. B. oben in meiner Line einen Stunt umgebaut, Dylan Stark hatte ihn im Vorjahr benutzt. Da sah ich sofort, dass das viel Arbeit werden würde. Und tatsächlich hat der Sprung erst am Vorabend vom Finale funktioniert.

Und: nachts schlafen können?
Ich hatte überlegt, Schlafmittel zu nehmen. Doch das habe ich noch nie gemacht, deswegen habe ich es auch sein lassen. Mein Rezept: Ich mache am Abend vor der Rampage genau das, was ich all die Abende zuvor gemacht habe.

Was war das?
Wir haben im Team jeden Abend 4 bis 5 Bier getrunken, die amerikanischen Biere sind eh nicht so stark. Wir haben gut gegessen, im Team einen gescheiten Schmäh gemacht und deswegen habe ich auch am Abend vorm Finale sehr gut geschlafen. Das hat mich selbst überrascht. Doch ich war richtig ausgeschlafen.

Bei der Rampage treten die Rookies an wie du, die Veteranen wie Cam Zink oder Kyle Strait. Wie kann ich mir das vorstellen? Bilden sich Lager?
Stimmt. Zink und Strait hängen miteinander ab und machen ihr Ding. Ja, es bilden sich Teams. Aber strikt: Team Europa oder Team USA, so kann man nicht sagen. Die Fahrer, die auch sonst miteinander befreundet sind, tun sich zusammen. Ich bin mit Fairclough befreundet, daher saßen wir beim Mittagstisch meist zusammen. Jeder konzentriert sich auf seine Line. Ich bin z.B. auch mit Thomas Genon befreundet, doch der schaufelte woanders, daher sah ich ihn gar nicht. Außer beim Mittagessen.

Und beim Mittagessen klopft dir Cam Zink auf die Schulter und wünscht dir Glück als Newcomer?
Genau so. Doch ein wirklicher Newcomer, der da mit 21 Jahren zum ersten Mal auftaucht, war ich ja nicht. Ich kenne jeden von vielen Events. Die anderen Fahrer wissen, dass ich Erfahrung im Bauen habe. Letztendlich wurde ich auch wegen meines Minister-Projekts respektiert. Denn den Sprung ist bisher noch kein Zweiter gesprungen. Daher war der Vibe: Du kannst das und cool, dass du dabei bist.

Kann man die Rampage mit dem Darkfest vergleichen?
Beim Darkfest hast du irre viel Zeit zum Trainieren. Beim Darkfest sind die Landehügel riesig – die kannst du gar nicht verpassen. Und beim Darkfest machst du den Move, wenn du dazu bereit bist. Das kann am ersten Tag sein, das kann am Tag 7 sein. Doch bei der Rampage machst du deinen besten Move, wenn die Uhr es vorgibt. Bei der Rampage hast du null Training. Vor allem im ersten Jahr. Die Teams, die im zweiten Jahr auf ihren Lines sind, können besser trainieren und müssen nur noch finetunen. Ich dagegen bin einige Stunts meiner Line erst im Finale gesprungen z.B. einen Drop weit oben in meiner Line. Oder das Stück vom Starthäuschen bis zum Drop am Battleship – das bin ich nicht ein einziges Mal gefahren. So was stresst enorm und sägt an den Nerven.

Und dein Super-Drop, der dich im Finale ausgeknockt hat?
Den habe ich am meisten trainiert. Sechs Mal bin ich da rüber am Morgen vorm Fianle und anschließend übers Canyon Gap – und es hat super geklappt. Ironie des Schicksals.

Wie erklärst du dir deinen Crash dann?
Irgendwie habe ich es kommen sehen. Denn ich hatte viel zu viel Schwung. Ich wusste, dass ich beim ersten Stepdown voll in die Eisen gehen muss, dann nach einem Double-Sprung noch mal. Ursprünglich wollte ich dort einen Roller hinbauen, doch die Zeit hat nicht mehr gereicht. Es ging also darum, vor dem 13,5-Meter-Drop allen Schwung rauszunehmen. Doch beim Finale jubeln die Zuschauer, du bist angespannt, die Helis fliegen durch die Luft und dann gibst du unweigerlich 5 Prozent mehr Power. Das waren am Ende drei Meter zu weit. In Summe, wurde dann ein 17-18 Meter-Drop draus und den habe ich nicht mehr gepackt.

Bitter.
Dazu kam noch, dass ich direkt vor meinem Run gesehen habe, dass ich einen technischen Defekt am Bike habe. Das hat mich aus dem Konzept gebracht. Denn du hast ein 8-Minuten-Fenster. Wenn du da nicht startest, dass war es das für dich. So ist das eben bei einem Livestream-Event. Also musste das zweite Bike her. Das stand weiter unten am Hang. Die Rusos haben mir das Bike schnell hochgetragen, doch ich wusste gar nicht, ob sie es in der Zeit schaffen würden. Es hat gerade so geklappt.

Ein enormer Stress.
Ich bin mit trockenem Mund, außer Atem und Pulsrasen zu meinem ersten Rampage-Run gestartet. Das Ersatzbike war nicht optimal eingestellt, ein bisschen zu wenig Druck in den Reifen, die Gabel etwas zu soft. Doch damit musste ich jetzt klar kommen. Vielleicht kam es deswegen zum ersten Patzer. Daher hatte ich dann nur noch einen Chance: den zweiten Run. Doch jetzt musste ich das Bike umbauen, aus zwei Bikes ein optimales machen. Damit war ich gerade fertig, da hieß es schon: zweiter Run! Nicht einmal 5 Minuten Pause.

Und dann auch noch die Dronen, die Helis, der Wind.
Die Dronen und Helis habe ich gar nicht gehört, da hast du zu sehr Tunnelblick, bist in der “Zone”. Doch statt 13 Meter zu springen, 18 zu springen ist einfach “too much”.

Es hat dich fies ausgehebelt, doch du bist nach dem Horror-Crash wieder aufgestanden und Organisator Todd Barber war gleich bei dir. Was hat er gesagt?
Er meinte, das sei ja mega gewesen und: “you will be back!” Yes, I’ll be back!

Kannst du dich drauf verlassen, wieder eingeladen zu werden?
Ich bin zuversichtlich. Denn später kamen die Judges zu mir und sagten: “Wir waren am meisten aufgeregt über deine Line, weil sie so krass war. Und du bist im Training so gut gefahren – das wollten wir unbedingt im Finale sehen. Du musst nächstes Jahr wieder dabei sein.”

Obwohl du ja meintest: Mit der Teilnahme ist dein Traum schon erfüllt.
Doch ich will über die Ziellinie fahren! Das ist das Wichtige. Lacht.

Deine Line wirst du nicht mehr fahren können, ich hörte die Rampage 2024 soll in einem neuen Gelände stattfinden.
Das weiß ich nicht. Das werden die Organisatoren erst entscheiden.

Kann man deinen Sprung sehen als er im Training geklappt hat?
Auf meinem Insta-Profil. Doch ich will jetzt einen YouTube-Clip zusammen schneiden, wo ich das Ganze kommentiere und Hintergrund-Infos gebe.

Dieses Jahr gab es viel Kontroverse. Vor allem über das Judging. Es gab Forderungen nach einer internationalen Jury, mehr Transparenz usw. Kannst du Kritik üben oder musst du fürchten, dann nicht mehr eingeladen zu werden? Wie offen kannst du reden?
Ich glaube schon, dass ich kritisieren kann, solange es kein persönlicher Angriff ist. Ich habe das Gefühl, dass die Wettkampfrichter nach bestem Wissen und Gewissen urteilen. Sie sind alle Lines abgegangen und wissen, wo welche Schwierigkeiten liegen. Also Big Hits zählen mehr als Tricks und technische Schwierigkeiten sind ein Muss. Wenn es die in deinem Run nicht gibt, kriegst du weniger Punkte. Bienve zum Beispiel hatte im oberen Teil keine technischen Herausforderungen, das war zu zahm. Deswegen konnte er keine Maximalpunktzahl erreichen.

Was spricht gegen eine internationale Jury, damit der Vorwurf ausgeräumt wird, dass die jetzigen US-Judges dazu neigen ihre Landsleute zu bevorteilen.
Dagegen spricht nichts. Doch letztendlich ist das die Entscheidung des Veranstalters.

Wenn ich an den Run von Brendan Fairclough denke, wundert man sich, warum er nicht in der Top-3 gelandet ist.
Da gebe ich dir Recht. Seine Line war brutal, das Risiko extrem hoch und in live sah sein Run noch viel beeindruckender aus. Er hätte weiter vorne landen müssen. Doch so ist es nun mal, das ist das System, da kann man sich jetzt aufregen oder auch nicht.

Was sagst du dazu, dass diesmal einige Rider mit Singlecrown-Bikes angetreten sind. Emil Johansson hat aus der Rampage fast einen Slopestyle-Wettkampf gemacht mit seinem Run.
Jeder kann das Bike nehmen, das er nehmen will und so fahren wie er will. Auch das macht den Reiz der Rampage aus in meinen Augen. Die Bewertungskriterien kennt jeder, also sprich nichts dagegen, dass jeder seinen Style in den Wettkampf einbringt.

Hört man Josh Bender reden, gibt es keine Limits. Die einzigen Limits sind im Kopf. Siehst du das auch so?
Naja, ganz so ist es nicht. Natürlich gibt es Limits. Die Physik und Geometrie geben Grenzen vor. Für Video-Stunts kannst du dir Zeit lassen und viel stärker ans Limit gehen als bei der Rampage mit Zeitdruck und Leistung auf Knopfdruck. Aber ja, vermutlich kann man auch 25 Meter tief droppen. Aber dann nur mit einer perfekten XXL-Landung. Der Drop von Gee Atherton z. B. wäre sicher machbar gewesen, doch dann hätten seine Digger weitere drei Tage in die Landung stecken müssen.

Wäre es nach mir gegangen, hätte Gee Atherton den Tough-Man-Award bekommen. Hattest du dir seinen Monster-Drop mal angeschaut?
Ja klar. Ich habe ihn sogar mit meinem elektronischen Messgerät ausgemessen. Ich will jetzt auch nicht gescheit daher reden, doch ich hab den Jungs gesagt: Bitte steckt mehr Arbeit in die Landung – die kann man so nicht lassen. Der Drop war bist zur ersten Landemöglichkeit 16 Meter hoch. Und das waren so schwindelige Sandsäcke, die da lagen, ein Knick in der Landung und kein richtiger Auslauf. Für mich war der Drop so nicht machbar. Erst mit einer besseren Landung.

Dann ist Gee sicher 18 Meter runter gedroppt.
Ja, 18 Meter waren das bestimmt. Seinen Crash hab’ ich kommen sehen.

Hattest du Gee deinen Eindruck mitgeteilt?
Ich habe ihn ganz sachte drauf hingewiesen. Doch ich bin Gee bei der Rampage zum ersten Mal begegnet und wollte da nicht groß aufsprechen. Der Typ ist 38 Jahre, hat massig Erfahrung – das muss er dann schon selbst wissen.

Gee ist 38, Sieger Cam Zink 36 – Alter scheint bei der Rampage keine Rolle zu spielen.
Das ist eine Veranstaltung, die viel Erfahrung erfordert. Und die kommt eben erst mit der Zeit. Ich vergleiche es gerne mit Big-Wave-Surfen. Da sind die Athleten auch meist älter. Denn da brauchst du keinen jugendlichen Leichtsinn, sondern Erfahrung.

Bienvenido Alba hat nach seinem Run seinen Helm hoch in die Luft ins Gerümpel geschleudert vor Freude. Ist er mit dem selben Helm auch seinen zweiten Run gefahren?
Lacht. Keine Ahnung. Ich weiß, dass ich mich über meinen Helm gefreut habe. Der hat bei meinem Sturz das gemacht, was ein guter Helm machen soll. Das Styropor ist gebrochen und hat den Impakt gedämpft. Und ich bin ja voll auf den Kopf gefallen, doch habe weder das Bewusstsein verloren, noch hatte ich Anzeichen für eine Gehirnerschütterung, nicht einmal Kopfweh. Der Helm ist wirklich gut. Schaut euch den Sturz an!

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