Ende der 90er-Jahre arbeitete ich in einem Bikeshop auf Hawaii. Wenn ich nicht gerade Bremsbeläge tauschte, Schaltwerke justierte oder frei hatte und zum Wellenreiten ging, vertrieb ich mir die Zeit mit Trial-Tricks auf dem Parkplatz vorm Shop oder mit Speed-Manuals. Den Spaß hatte ich erst auf Hawaii für mich entdeckt, denn die Straßen sind irre steil. Schuld daran ist der Vulkan Mauna Loa.
Er ist über 4000 Meter hoch und formt die Insel zu einem Verkehrshütchen im Riesenformat. War ich beim Freeriden weit oben in den Bergwäldern, musste ich den Vulkan danach wieder runterrollen. Ziemlich dröge, es sei denn, man rauschte Vollgas auf dem Hinterrad zurück zum Strand. Diese Speed-Variante des Wheelie-Fahrens faszinierte mich. Das war wie surfen – surfen auf Asphalt!
Du reißt am Lenker, lehnst dich nach hinten, klappst die Knie mal rein, mal raus, um Balance zu halten, und ballerst mit 50 bis 60 Sachen in die Tiefe. Mit der Zeit wurde ich so gut, dass ich selbst enge Kurven schaffte, Autos überholte und den ganzen Highway runtersurfte wie eine Monsterwelle aus Asphalt. Das hatte sich anscheinend herumgesprochen, denn eines Tages stolperte eine Gruppe Männer in den Bikeshop und erkundigten sich nach dem “crazy dude”, der die schnellsten Wheelies macht. Mein Arbeitskollege an der Theke musste sofort grinsen und zeigte mit gestrecktem Finger auf mich. Die Typen wirkten arrogant, sagten im Befehlston: “Show us the goods!” – Zeig’ uns das Beste! Ständig wiederholten sie diesen Satz, sie schienen unter Zeitdruck und sprachen von ihrem Filmprojekt: New World Disorder.
Mir sagte das nichts, kein Wunder, schließlich waren sie gerade erst dabei, den ersten Teil von der später so berühmten Video-Serie zu drehen. Also spielte ich Zirkuspferdchen, trickste, hüpfte auf Lavasteine, balancierte auf dem Vorderrad – doch das interessierte sie alles nicht. Sie wollten meine Speed-Wheelies sehen. Als ich mit fast 100 km/h auf meinem knallroten Cannondale Super V an ihnen vorbeizischte, waren sie begeistert, verschwanden und tauchten Wochen später wieder auf, diesmal mit einem Kamera-Team. Sogar ein eigenes Bike brachten sie mit, das ich benutzen sollte: ein Kona Stinky Dee-Lux, denn das kanadische Bike-Label war Filmsponsor.
Als New World Disorder im Herbst 2001 Premiere feierte, geriet die ganze Bike-Szene in Aufregung. Der Film schlug ein wie eine Bombe. New World Disorder machte die Biker im Video zu Stars und mich zum Wheelie-King. Wenn ich heute zurückdenke, bin ich froh darüber, dass die Typen von Freeride-Entertainment in den Bikeshop stolperten. Denn damit begann meine Karriere als Freeride-Profi. Natürlich war nicht alles Zuckerschlecken. Ich musste lernen, wie die Industrie tickt und merkte schnell, dass es im Profisport hart hergeht. Da gab es zu viele Leute mit Ego-Problemen und kaum Hemmung, den Ellenbogen auszufahren. Oft war das zu viel für mich. Dennoch:
Ich bin happy, das alles erlebt zu haben! - Bobby Root