BMX-Star Kriss KyleFreestyle extrem unter einem Heißluftballon

Dimitri Lehner

 · 11.05.2023

Tabletop in 700 Metern Höhe: Kriss Kyle fliegt übers Geländer.
Foto: Eisa Bakos/ Red Bull

Kriss Kyle (31) ist einer der besten BMXer der Welt. Der Schotte trickst aber auch mit dem Mountainbike auf Weltklasse-Niveau. Kriss hat sich spezialisiert auf verrückte Stunts. Das hier ist sein neuster Streich. Wir haben mit Kriss Kyle darüber gesprochen.

FREERIDE: Wie kommt man auf die Idee, in einem schwebenden Mini-Skatepark in 700 Metern Höhe zu tricksten?

Kriss Kyle: Corona! Während des Lockdowns hatte ich Zeit für verrückte Ideen. Ich wollte irgendwas machen, was noch niemand gemacht hat. Als ich eine Runde mit dem Mountainbike drehte und in den Himmel schaute, fantasierte ich rum: Wie wäre es wohl, da oben zu tricksen? Die Idee erzählte ich meinem Manager.

Und der meinte, Du seist verrückt?

Komplett verrückt! Dennoch hat er Red Bull davon erzählt. Die Typen sind erfahrungsgemäß offen für verrückte Ideen. Sie wollten wissen, ob ich es wirklich ernst meinte.

Besser Glühwein statt Red Bull: Kriss Kyle wartet auf den Take-Off bei winterlichen Temperaturen.Foto: Patrik Lundin / Red Bull
Besser Glühwein statt Red Bull: Kriss Kyle wartet auf den Take-Off bei winterlichen Temperaturen.

Warst Du entschlossen?

Ja, war ich. Doch ich wollte eine spezielle Bowl. Nicht so ein 08/15-Ding, sondern eine Bowl mit einem curved Wallride, einem Channel-Gap und einer Hip. Wir bauten sie aus Holz und stellten dann fest, dass das Monster über sechs Tonnen wog.

Viel zu schwer für einen Ballon.

Viel zu schwer. Ursprünglich dachte ich an einen Chinook-Lastenhelikopter. Doch ich bin schon mal aus einem Heli gesprungen. Das war in Dubai. Für einen Stunt hüpfte ich auf eine Rampe, die auf dem Wolkenkratzer Burj Al Arab stand. Der Downwash der Rotorblätter war so turbulent – ich hatte das Gefühl, in einen Tornado zu springen. Unmög­lich, um Tricks in der Bowl zu machen, während der Chinook die Luft aufwirbelt. So kam ich auf einen Heißluftballon.

Kann ein Ballon so viel Last tragen?

Nein. Daher mussten wir erst einen bauen. Sechs Mal so groß wie ein herkömmlicher Ballon. Dieser Ballon ist jetzt einer der größten Heißluftballons der Welt. Er ist 43 Meter hoch. Doch auch er war nicht stark genug.

Und dann?

Die Bowl musste abspecken! Wir fragten die Formel-1-Ingenieure des Oracle Red Bull Racing Teams um Rat. Die Dudes waren Feuer und Flamme. Sie schlugen vor, die Bowl aus Kohlefaser zu laminieren wie einen Formel-1-Rennwagen. Gesagt, getan. Schon wog sie nur noch 1,2 Tonnen.

Das muss ja irre teuer sein!

Denke ich auch, doch Red Bull lässt sich da nicht in die Karten schauen.

Trocken-Übung: Kriss Kyle übt in der Bowl. Die Holzvariante wiegt über 6 Tonnen. Zu schwer, ums in die Luft zu schaffen.Foto: Dave Mackison / Red Bull
Trocken-Übung: Kriss Kyle übt in der Bowl. Die Holzvariante wiegt über 6 Tonnen. Zu schwer, ums in die Luft zu schaffen.

Wie übt man Tricks in einer Bowl aus Kohlefaser?

Nicht am Boden. Wir hängten das Teil an einen Kran. Doch es war furchtbar. Das Ding schwankte, und ich wurde seekrank. An dem Punkt wollte ich das Projekt schon abblasen. Doch ich übte weiter und dann hieß es: warten!

Warum warten?

Für die Aktion brauchten wir perfektes Wetter. So was passiert in England nur an wenigen Tagen im Jahr. Im Dezember war es so weit. Knackpunkt: Es war saukalt.

Wie kalt?

Minus 7. Und da sollte ich Frontflips machen! Schlimmer noch: Wir mussten so viel Treibstoff tanken, um die Last zu heben, daher schrumpfte die Flugzeit auf 35 Minuten. Meine Tricks mussten also sitzen. Denn bei jedem Sturz, würde es heißen: von vorne bitte! Da das Team aus zwei Helikoptern filmte, würden die um den Ballon kreisen müssen. Für mich war das ein enormer Leistungsdruck. Und es wurde noch krasser.

Wie das?

Red Bull bestand darauf, dass ich einen Fallschirm trage. Das Teil wog so viel wie ein schwerer Rucksack. Wenn ich einen Flair machte, sprang ich nach vorne, doch der Fallschirm zog nach hinten. Tricks, die ich im Schlaf kann, klappten nicht mehr. Ich kann Dir sagen: Das war das härteste Projekt meines Lebens.

Als ich den Fallschirm sah, dachte ich, Du springst am Ende runter.

Das hätte ich gerne gemacht, doch Red Bull ließ mich nicht. Ursprünglich wollte ich Fallschirmspringen lernen, doch das ging zeitlich nicht. Dann lieber ohne Fallschirm tricksen, denn ich vermutete auch, dass alle Zuschauer nur drauf warteten, dass ich am Ende runterspringe. Das durfte ich aber auch nicht: zu gefährlich! Meine Freunde meinten, ich hätte es einfach machen sollen. Doch das ist Quatsch, denn ohne zu wissen, was man tut, ist so was nicht nur riskant, sondern auch dumm.

Beim nächsten Mal! Auch so wurde Dein Ballon-Stunt irre erfolgreich.

Ja, verrückt! Alleine auf Insta 30 Millionen Likes. So eine Resonanz hatte ich bisher noch nie. Der Stunt wurde im Fernsehen gezeigt, und ich musste zig Interviews geben. Witzig, selbst im Supermarkt werde ich jetzt angesprochen. Danny MacAskill und Fabio Wibmer waren stoked und haben mir gleich Nachrichten getextet. Das hat mich gefreut, denn deren Videos sind absolut der Hammer.