Wiebke Lühmann radelt zum Kap der Guten Hoffnung“Mich zieht eine abstrakte Sehnsucht”

Sandra Schuberth

 · 03.12.2023

Wie groß wohl die Aufregung war, so kurz vor dem Start? Links Hannah und ihr Equipment, rechts Wiebke mit allem, was sie auf ihrer Reise begleiten wird.
Foto: Fabienne Engel
Fahrradabenteurerin und Bikepackerin Wiebke Lühmann ist Anfang Oktober auf ihre bislang längste Reise aufgebrochen. Von Freiburg im Breisgau geht es zum Kap der Guten Hoffnung nach Südafrika - per Rad versteht sich. Einblicke in Vorbereitung, Hindernisse, schlechte - wir sagen nur Bettwanzen - und gute Erlebnisse.

Direkt an der Haustür ging es los. Am 3. Oktober 2023, heute vor genau zwei Monaten. Seit dem ist Wiebke Lühmann auf dem Weg zum Kap der Guten Hoffnung, auf dem Weg nach Südafrika. Auf den ersten Kilometern, also am 3. Oktober, war sie nicht allein. Sie wurde begleitet von Freundinnen, Freunden, Bekannten und von Instagram-Followerinnen und Followern. Nach einigen Kilometern war aber der Trubel vorbei. Von jetzt an und bis zum Jahresende geht es gemeinsam mit einer Freundin, Hannah Rapp, erst zur Atlantikküste und dann immer weiter nach Süden. Im Dezember wollen die beiden den Süden Portugals erreicht haben. Und dann trennen sich die Wege. Für Hannah geht es zurück nach Hause, für Wiebke nach Marokko, Westsahara, Mauretanien, Senegal, Gambia, Guinea... naja, immer die Westküste Afrikas gen Süden - bis zum Kap der Guten Hoffnung. Geplant ist eine Reisedauer von 14 Monaten, denn Weihnachten 2024 will Wiebke Lühmann wieder mit der Familie verbringen.

Ich plane 14 Monate unterwegs zu sein. Weihnachten 2024 will ich wieder bei meiner Familie sein. - Wiebke Lühmann

Schnell wird der ein oder andere Vergleich zu Jonas Deichmann gezogen. Nicht zuletzt, weil es einige Überschneidungen bei Sponsoren gibt. Doch Wiebke ist nicht Jonas, Wiebke hat ihre eigenen Ideen, ihre eigenen Vorstellungen, ihre eigene Geschwindigkeit. Jonas Deichmann bereist die Welt mit unvorstellbaren Rekorden im Kopf - und kommt mit eben diesen Rekorden im Gepäck am Ende wieder zurück nach Hause. Rekorde sind nicht das, was Wiebke motiviert. Sie will Reisen, unterwegs sein, Menschen begegnen und zeigen, dass es geht. Auch als Frau. Wer sie kennt, weiß, wie die Ideen aus ihr sprudeln, wie aktiv sie ist, wie spontan und gleichzeitig gut organisiert.

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2022 Nordkap - 2024 Kap der Guten Hoffnung

2022 hat sich Wiebke 30 Tage frei genommen. 30 Tage, um ein Ziel zu erreichen. 30 Tage, um per Rad von Hamburg ans Nordkap zu gelangen. Dabei ist gemeinsam mit Fabienne Engel ist ein beeindruckender Film entstanden. On her own inspiriert zahllose Menschen, eigene Abenteuer anzugehen, ganz egal ob klein oder groß. Hätte man dieses Jahr eine Umfrage unter Radreisenden mit Ziel Nordkap gemacht mit der Frage “Warum zum Nordkap?“ hätte man nicht selten etwa diese Antwort bekommen: “Wiebke Lühmann hat mich mit ihrem Film On her own und mit ihrem Instagram-Auftritt inspiriert und Mut in mir erweckt. Und jetzt bin ich selbst unterwegs.”

“Mich zieht eine abstrakte Sehnsucht”

BIKE: Wiebke, warum hast du dir das Kap der Guten Hoffnung als Ziel für deine aktuelle Reise gesetzt?

“Der Weg ist das Ziel. Ich möchte Afrika auf dem Rad durchqueren. Das sind 19 Länder. Unzählige Orte, an denen ich noch nie war und die ich sehen will. Meine Vorstellungskraft reicht nicht aus,  um mir all diese Orte, Menschen, Gerüche, den Wind und die Weite auszumalen und deswegen zieht mich eine abstrakte Sehnsucht dahin. Nachdem ich letzten Sommer am Nordkap war ist das Kap der Guten Hoffnung ein schönes Ziel, womit ich den nördlichsten Punkt Europas mit dem südlichsten Punkt Afrikas verbinden kann.”

Einfach machen?

Mal eben für ein gutes Jahr Radreise Sachen zusammenkramen und in Fahrradtaschen zu stopfen, das ist ganz sicher nichts, was wir alle uns trauen und zutrauen würden. Wiebke schon. Wobei mal eben wohl nicht die richtige Formulierung dafür ist, denn es bedarf Einiges an Vorbereitung und auch eine gehörige Portion Mut gehört dazu überhaupt aufzubrechen.

Reisevorbereitung auf drei Ebenen

Wie sahen die Vorbereitungen konkret aus, die Wiebke im Vorfeld ihrer Reise? Grob lässt sich die Vorbereitung auf drei Ebenen aufteilen.

1. Organisatorische Vorbereitung

Organisatorisch hat sich Wiebke Lühmann insbesondere um Impfungen gekümmert und um die Anschaffung einer umfangreicheren Reiseapotheke, die etwa Malariaprophylaxe enthält. Außerdem hat sie einen zweiten Reisepass beantragt, ihren Wohnsitz umgemeldet und sich über Reiseversicherungen informiert.

2. Planung der Reise

Eine so lange Reise bis ins kleinste Detail im Voraus zu planen ist schwierig bis unmöglich. Und auch nicht Wiebkes Art. Es gibt zahllose Dinge, die jegliche Planung zunichte machen können - Wetter, Krankheit, Änderungen der politischen Lage und mehr. Deshalb hat Wiebke Lühmann eine Makroplanung von Freiburg bis nach Kapstadt erstellt, die einen groben Plan enthält, der aber immer an die jeweilige Situation anpassbar ist. Die Tagesetappen werden unterwegs geplant.

Die sich schnell ändernden politische Situationen habe ich grob im Blick, aber entscheide kurzfristig, wie und wo es weitergeht. - Wiebke Lühmann

Bei der Vorbereitung eines solchen Reiseunterfangens kommt man nicht umhin, sich um Visa zu kümmern. Man sollte wissen, wo welches Visum benötigt wird und wie man es erhält. Um die notwendigen Visa kümmert sich Wiebke erst, wenn sie genau weiß, wann sie wo einreisen wird. Mit der App Sicher Reisen vom Auswärtigen Amt bleibt man beispielsweise immer up-to-date, was Einreisebestimmungen, Sicherheitshinweise etc. angeht. Und dazu sollten regelmäßig Nachrichten der entsprechenden Regionen verfolgt werden.

3. Mentale und körperliche Vorbereitung

Wiebke hat nicht trainiert, um sich auf ihre Reise vorzubereiten, aber sie ist Rad gefahren und war Bikepacken.Foto: Nick RotterWiebke hat nicht trainiert, um sich auf ihre Reise vorzubereiten, aber sie ist Rad gefahren und war Bikepacken.

Viele fragen sich, wie bereitet man sich körperlich und mental auf eine so lange Radreise vor? Wiebkes Antwort auf den zweiten Punkt:

Mental ist es vor allem das Abschiednehmen und Verlassen von einem schönen Zuhause gewesen, was mir zu meiner Überraschung schwerer gefallen ist als erwartet. - Wiebke Lühmann

Abschied nehmen ist also schwerer als unterwegs sein. Später mehr, wie das Abschied nehmen gelungen ist und wann Wiebke tatsächlich im Reisen angekommen ist. Körperlich hat sie sich nicht speziell vorbereitet - kurz: sie hat keinen Trainingsplan verfolgt. Aber natürlich zählen auch alle Touren, ganz egal ob kurz oder lang, zur körperlichen Vorbereitung. Wiebke saß regelmäßig auf einem ihrer Räder:

Eine präzisere Vorbereitung braucht sie nicht, davon ist Wiebke Lühmann überzeugt - aus eigener Erfahrung.

Ich reise in meinem Tempo und aus Erfahrung weiß ich, dass mein Körper sich den Belastungen anpasst. - Wiebke Lühmann

Wiebke Lühmanns Fahrrad für eine Tour um die halbe Welt

Bisher war Wiebke vor allem mit dem Gravelbike unterwegs, in der ersten Jahreshälfte zum ersten Mal mit dem Mountainbike - ein Abenteuer in Georgien. Für ihre aktuelle Radreise zum Kap der Guten Hoffnung hat sie das für sie beste beider Kategorien in einem Rad vereint - der Aufbau mit Flatbar erinnert an das Supergravel, das Biketuner Dangerholm kürzlich aufgebaut hat. Das Rad der Wahl ist das Adlar von Wilier Triestina. Aber nicht so, wie man es kaufen kann. Sie hat einen Flatbar montieren lassen, der Vergleich zu einem Dropbar mehr Platz bietet, um die Lenkertasche vollzupacken. Rennlenker hingegen schränken das Packvolumen ein. Auch Licht, Fahrradcomputer etc. lassen sich besser montieren, da an einer Flatbar mehr Platz dafür ist. Gerade bei kleinen Rädern bzw. Rädern von kleineren Personen, ist der Platz an einem Dropbar sehr begrenzt und der Lenker bereits voll, wenn Licht und Navi montiert sind. Durch den gewählten Lenker ist die Sitzposition auf dem Rad aufrechter und der breite Lenker bietet ein anderes Handling. Beides spricht auch für Wiebke für diese Variante.

Neben der Lenkertasche von Ortlieb ist die Bikepackerin diesmal mit Gepäckträger und Seitentaschen - Ortlieb Backroller Plus - unterwegs. Diese bieten ausreichend Platz für ein komfortables Zelt, eine größere Küche und vor allem für das Home-Office, bestehend aus Laptop und Fotoausrüstung. Gerade beim Laptop stoßen Bikepacking-Taschen an ihre Grenzen. Fork Packs - also Gabeltaschen - ergänzen die Taschenkonfiguration und sorgen für eine gute Gewichtsverteilung. Für Zahlenfans: Zwischen 28 und 30 Kilo wiegt das Gepäck an Wiebke Lühmanns Rad - ihr Zuhause für 14 Monate.

Keine Zeit für eine Probefahrt

Oben vernachlässigt, aber ebenfalls sehr wichtig bei der Vorbereitung war die Konfiguration des Reiserades. Welches Rad es werden sollte, stand schon lange fest. Dass das Rad erst am späten Abend am Tag vor der geplanten Abfahrt fertig sein würde, war so nicht geplant. Die Räder für Wiebke und Hannah kamen erst kurz vor knapp in Freiburg an. Und es musste noch einiges installiert werden wie eine Lichtanlage mit Ladesystem für Navi oder Smartphone. “Es war nicht einfach, loszukommen. Der Stress war groß trotz eigentlich langer Vorbereitungszeit” beschreibt Wiebke die Zeit vor der Abfahrt. Und weil die Räder erst am Abend vor der Abreise fertig waren und es Zeit für eine Abschiedsparty war, blieb keine Zeit für eine Probefahrt. Die Emotionen waren überwältigend - wegen dem Abschied, weniger wegen der fehlenden Probefahrt. Kein Wunder, dass der erste Tag auf dem Rad von Kopfschmerzen und innerer Unruhe geprägt war. Gleichzeitig sei es aber auch ein sehr schönes Gefühl gewesen, loszufahren, beschreibt Wiebke den emotionalen Zwiespalt.

Wir wurden von Freund*innen und Follower*innen aus der Stadt begleitet. Das war sehr besonders für mich. Und unterm Strich ist Losfahren für mich auch immer ein toller Moment. - Wiebke Lühmann

Wer noch nie so lange von zu Hause weg war, kann sich kaum vorstellen, wie es ist, der Wahlheimat, den Freundinnen und Freunden und der Familie den Rücken zu kehren. Das Gefühl des Aufbruchs ist sicher sehr surreal, man ist noch so nah - und doch so fern.

Am Atlantik angekommen, war die Heimat endlich weit genug weg

Langsam ist die Reise RealitätFoto: Wiebke LühmannLangsam ist die Reise Realität


Mit dem Losfahren war es nicht getan. Es hat einige Tage und Kilometer gedauert, bis sie in der Reise angekommen war. “Als wir am Atlantik angekommen sind, auf der anderen Seite von Frankreich, gut zwei Wochen und einige kleine Herausforderungen später, war die Heimat endlich weit genug weg für mich, um zu checken, dass ich jetzt unterwegs bin und erstmal nicht zurückkomme. Ich wusste, jetzt rollts und ich bin froh unterwegs zu sein. Jetzt bin ich auf der Reise angekommen.”

24/7 zu zweit unterwegs sein. Geht das gut?

Könnt ihr euch vorstellen, mit einer Person drei Monate lang 24 Stunden am Tag gemeinsam unterwegs zu sein? Ich bin unsicher. Auf jeden Fall ist Kommunikation das A und O dafür, dass es klappt. Wiebke Lühmann und Hannah Rapp haben ihren Rhythmus gefunden.

Ich hätte es fast nicht zu träumen gewagt, dass Hannah und ich so gut auskommen und so viel Rücksicht nehmen können, ohne dass es sich wie eine Einschränkung anfühlt. Wir haben unseren Rhythmus gefunden, lachen viel, treffen neue Leute und haben eine unvergessliche Zeit als Freundinnen zusammen. - Wiebke Lühmann

Neben der Reisepartnerin für die ersten drei Reisemonate ist Hannah eine von Wiebkes engsten Verbindungen in ihre Wahlheimat Freiburg. Das gemeinsame Reisen stärkt die Bindung zur Stadt weiter. Und Wiebke beschreibt genau das als enorm wichtig, um so lange und so weit weg sein zu können. Zu wissen, dass eine geliebte Heimat da ist, in die man zurückkehrt nach einer so langen Reise. Als nicht selbstverständlich und mit großer Dankbarkeit beschreibt Wiebke die gemeinsame Reise. Und gleichzeitig freut sie sich sehr auf das, was kommt, auf die Zeit allein, auf die unvorhersehbaren und neuen Erlebnisse, die sie nach Europa erwarten. Täglich wächst die Vorfreude darauf, sagt sie.

3 Fragen an Bikepackerin Wiebke Lühmann

Wovor hast du den größten Respekt auf deiner Reise?

Vor Dingen, die ich nicht kontrollieren kann, die mit hoher Wahrscheinlichkeit passieren werden. Vor allem gesundheitliche Probleme, wie potentielle Lebensmittelvergiftungen und die Gefahr, Malaria zu bekommen. Unschön können sicher auch bürokratische Hürden beim Einreisen oder technische Probleme mit dem Rad werden. Ansonsten mache ich mich wenig verrückt und habe ein großes Vertrauen.

Gibt es etwas, auf das du dich am meisten freust?

Ich freue mich auf die vielfältige Natur und endlose Weite auf über 15.000 Kilometern, die mich auf der Route über den afrikanischen Kontinent erwarten. Und auf das Gefühl von Freiheit auf meinem Fahrrad und, mich verbunden zu fühlen im Unbekannten. Außerdem bin ich gespannt auf neue, kurze und lange Bekanntschaften und voller Vorfreude viele Menschen kennenlernen zu dürfen, die zu Freund*innen werden könnten.

Was war das größte Problem - bisher?

Bettwanzen. Und Dauerregen. Beides ist jetzt aber schon überstanden und wir rollen fröhlich in Richtung Süden.

Gewiss ist, dass vieles ungewiss ist

Wenn eines auf einer langen Reise gewiss ist, dann, dass vieles ungewiss ist. Viele Dinge, Situationen, Ereignisse sind unplanbar. Nach 3000 gemeinsamen Kilometern ist Hannah heimgekehrt, 1000 Kilometer eher als geplant. Die Gründe dafür waren persönlicher Natur. Mit ganz vielen Erlebnissen und Erinnerungen und einer gewachsenen Freundschaft radelt sie mittlerweile wieder im Schnee rund um Freiburg und nicht mehr unter der Sonne Portugals.

Und mit Hannah hat sich auch die Sonne von Wiebke verabschiedet, jedenfalls erst einmal. Strömender Regen prasselt herab, auf sie, auf die Straßen und Fahrradwege. Aber nichts motiviert sie mehr als das Unterwegs sein. Und so setzt sie ihre Reise frohen Mutes fort. In drei Wochen wird sie von ihrer Schwester besucht.

Gute Reise

Wir wünsche Wiebke Lühmann weiterhin eine gute Reise. Wir werden bei BIKE regelmäßige Updates ihrer Reise geben mit spannenden Einblicken, schönen Begegnungen, Höhen und Tiefen.

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