Per Klick geht’s zur Beschreibung.
Der Fortschritt im Zeitalter des Kohlenstoffs wird hauptsächlich von den großen Unternehmen der Fahrradbranche definiert. Um im Wettbewerb um Leistung, Gewicht und Kosten mithalten zu können, sind Windkanäle und teure Fertigungsanlagen unerlässlich. Doch offensichtlich interessieren sich Radfahrer nicht nur für diese Aspekte: Die Bespoked in Dresden feierte Mitte Oktober das einzigartige Fahrrad. Etwa hundert Rahmenbauer und Manufakturen präsentierten auf der Messe das sportliche Rad als Kulturgut und technisches Kunstwerk. Tausende Besucherinnen und Besucher tauchten ein in die Welt der originellen Designs und Rahmendetails.
Die Szene der Rahmenbauer hat sich stark verändert. Der traditionelle maßgefertigte Stahlrahmen steht nur noch selten im Mittelpunkt, aber wenn, dann bis zum Äußersten. Die heutigen Rahmenbauer sind technisch auf dem neuesten Stand. Der 3D-Druck von Metall eröffnet kleinen Anbietern neue technische und ästhetische Möglichkeiten. Stahl, Titan, Aluminium und Carbon mischen sich in Rädern mit individuellem Look und ausgeklügelter Technik. Keramische Oberflächen oder künstlerische Handlackierungen ermöglichen Designs für wirklich jeden Geschmack. Und seit mittlerweile auch die Hersteller von Großserien ebenfalls mehr als 5000 Euro für ihre in Asien gefertigten Carbonrahmen verlangen, sind die Preise für handwerklich hochwertige Individualrahmen auch nicht mehr so erschreckend. Nicht jedes auf der Messe gezeigte Fahrrad war wirklich durchkalkuliert. Oft leben Designer, Techniker und Enthusiasten ihre Leidenschaft aus, ohne wirklich auf den Preis zu achten. In vielen Fällen sind es eher das Handwerk und die Ideen als das Gewicht und der Preis, die zählen.
Es ist bedauerlich, dass die beiden Räder am Avalanche-Stand keine Sonne abbekommen, da dadurch die feinen geometrischen Details im Lack strahlend zur Geltung kämen. Sofort fällt jedoch die elegante Sattelstützenklemmung auf - oder besser gesagt, ihr scheinbares Fehlen. Auch bei diesem Titan-Gravelbike ermöglicht der 3D-Druck in Titan innovative Lösungen, die früher mühsam aus vielen Blechen oder mit kantigen Frästeilen hergestellt wurden. Dieses Schmuckstück bekam auf der Bespoked Messe den Preis für das "Beste Gravelbike".
Beurriand und seine Partnerin nehmen auch gerne an Wettbewerben wie dem Fahrradbau-Wettbewerb "Concours de Machines" teil, bei dem jedes Jahr Räder für eine wechselnde Aufgabe, wie zum Beispiel "Paris-Roubaix", gefordert sind. Das abgebildete Rad gewann im Jahr 2023 den Preis für die schönste Lackierung.
Die tschechische Firma Festka hat sich in den letzten Jahren bereits eine gewisse Bekanntheit erarbeitet und sich als einer der größeren Hersteller von maßgefertigten Fahrrädern etabliert. Etwa 20 Mitarbeiter arbeiten in Prag an den Rennrädern. Die beiden Gründer haben sich mittlerweile von Metallrahmen verabschiedet und stellen nur noch Custom-Rahmen aus Kohlefaser her, oft mit ungewöhnlichen Lackierungen.
Ein Beispielstück namens "Scalatore" ist dagegen minimalistisch in jeder Hinsicht: Der laminierte Rahmen (5,3 Kilo) ist komplett unlackiert und verzichtet auf schmückende Decals. Es ist speziell auf die Körpermaße des Mitinhabers von Festka, Ondřej Novotný, zugeschnitten und mit superleichten Serienteilen ausgestattet. Wer ein so leichtes Fahrrad kaufen möchte, sollte ein Budget von etwa 18.000 Euro haben.
Der Rahmen von Jaegher sieht zwar verdächtig nach Titan aus, besteht aber aus Edelstahl, genau wie alle anderen Rahmen der Marke. Das Basismaterial ist ein spezieller Rohrsatz von Columbus. Die flämische Firma Jaegher ist seit 1934 im Geschäft. Emanuel Ramoudt, einer der Inhaber, erklärt: "Um Edelstahl erfolgreich zu verarbeiten, ist viel Erfahrung erforderlich. Andernfalls wird der Rahmen niemals gerade und haltbar sein."
Die Verarbeitung des Fahrrads ist entsprechend tadellos. Das Gravelbike, das ebenfalls gezeigt wird, verwendet eine keramikbasierte Oberflächenbeschichtung namens Cerakote, die auch von einigen anderen Herstellern verwendet wird. Ursprünglich für Waffen entwickelt, ist diese Beschichtung laut Ramoudt langlebiger als herkömmlicher Lack.
Die Renn- und Gravelräder von Jaegher werden nach individuellen Wünschen hergestellt und bieten eine Vielzahl an Oberflächenvarianten. Bei diesem besonderen Exemplar hat Jaegher Perfektionismus auf die Spitze getrieben: Der bereits schwarze Carbonlenker wurde zusätzlich schwarz lackiert, um perfekt zum Schwarz des Vorbaus zu passen.
"Meerglas" - das sind für Thomas Becker, den Fahrradbauer, die Scherben am Strand, die vom Meer rundgeschliffen wurden und oft fast poetisch schön aussehen können. Sein Singlespeed-Gravelbike ist genauso ein seltenes Fundstück und hat auch ein wenig die Farbe einer Grünglas-Flasche. Dieses Fahrrad ist mit einer beinahe verrückten Liebe zum handwerklichen Detail gefertigt worden:
Wenn ich an einem meiner Räder etwas sehe, das nicht perfekt ist, dann fühlt sich das an wie ein Kratzen im Hirn. – Thomas Becker, Fahrradbauer Meerglas
Wenn es “kratzt”, dann schleift er jede Rändelschraube, bis sie perfekt in den Fingern liegt, fertigt die Rahmenmuffen einzeln an und dreht den Vorbauschaft so ab, dass er exakt das Steuerlager verschließt. Seine Kunden schätzen die Sorgfalt, den Stil und den zeitlosen Auftritt so sehr, dass sie auch jahrelange Wartezeiten (!) in Kauf nehmen – und für ein echtes Meerglas Bike fünfstellige Summen (!!) zahlen.
Nikola Banishki, ein Bulgare, der in Frankreich lebt, geht beim Eigenbau bis an die Grenzen. Das von ihm speziell für seine zweite Teilnahme am Brevet Paris-Brest-Paris gebaute Bike mag zwar nicht besonders schön sein, aber die originellen Ideen des hauptberuflichen Molekularbiologen könnten einen eignen, ausführlichen Artikel füllen.
Eine Liste in aller Kürze:
Und dann eine simple Shimano-Nabenschaltung mit Riemenantrieb? Der Langstreckler Banishki entgegnet da trocken: “Wenn es nass, kalt und dreckig wird, ist das jeder Kettenschaltung überlegen”.
Nils Stolz hat buchstäblich seine Hausaufgaben erledigt. Das außergewöhnliche Bahnrad mit dem glänzendem Lack war das Jahresprojekt des Schweizer Schülers, das ihm die Bestnote einbrachte, was in der Schweiz eine Sechs ist. Der 16-jährige Bahnradsportler beeindruckt setzt damit eine Familientradition fort: die Firma Fahrradbau Stolz wurde von seinem Vater vor 40 Jahren gegründet.
Extravagant an der Stahlkonstruktion ist nicht nur der Vorbau, der eher den Carbon-Zeitfahrrahmen ähnelt und das Oberrohr optisch verlängert, sondern auch der Einsatz von zwei Exzentern. Das Exzentergehäuse des Tretlagers ermöglicht eine geringfügige Anpassung der Geometrie und effektiven Tretlagerhöhe - ein Prinzip, das bei Fahrrädern mit Nabenschaltung zur Einstellung der Kettenspannung bekannt ist. Besonders ungewöhnlich ist der Exzenter im hinteren Ausfallende. Er verhindert ein Verrutschen der Steckachse und ermöglicht gleichzeitig eine präzise Ausrichtung des Hinterrades. Der Abstand vom Reifen zu Sitzrohr und Sitzstreben ist minimal. Darauf war auch Vater Stolz sehr stolz.