Ende August 2023 ist es so weit, das Dreifels Gravel-Camp findet statt. Auf dem Programm stehen neben Gravel-Touren auch Workshops und Abenteuer-Talks. Location ist das Forsthaus Annweiler – Zum Schwarzen Fuchs, mitten im Pfälzerwald. Hinter der Organisation des Events steckt der Gravel Club.
Um auch diejenigen abzuholen, die nicht wissen, wer oder was der Gravel Club ist, eine kurze Erklärung: Die Anfänge des Gravel Clubs liegen in der Corona-Pandemie. Aus einem losen Aufruf auf Strava wurden bunte Gruppenausfahrten mit bis zu 40 Gleichgesinnten. Im Vordergrund steht seit Beginn das Folgende:
Graveln bedeutet für uns Freiheit, Spaß und Gemeinsamkeit.
Vorurteile blieben (und bleiben) zu Hause.
Schnell waren es nicht nur Gravel-Ausfahrten in Berlin, sondern Gravel-Ausfahrten in ganz Deutschland und auch in Österreich und der Schweiz. Mit der Zeit kamen immer mehr Aktivitäten hinzu. Wie das Dreifels, das erste Gravel-Camp vom Gravel Club.
Die Idee zu einem Gravel-Camp ist schon jahrelang im Kopf von Sascha Eulig präsent, dem Gründer vom Gravel Club. Doch erst mit dem Dreifels 2023 gibt es zum ersten Mal ein Gravel-Camp vom Gravel Club. "Es gab einige Hindernisse, wie zum Beispiel so eine klitzekleine Pandemie," scherzt Felix Krakow in seiner Begrüßungsansprache nach dem Abendessen Flammkuchen satt am Donnerstag.
Ich reise von München mit dem Zug an. Das Ticket für den Fernverkehr habe ich erst wenige Tage vorher gebucht. Und Glück gehabt, dass es noch reservierbare Fahrradstellplätze gab. Um zig Umstiege zu vermeiden, fahre ich bis Karlsruhe. Von dort sind es auf direktem Weg (mit komoot, für Gravelbike geplant) etwa 65 Kilometer und 700 Höhenmeter bis zum Forsthaus Annweiler, mitten im Pfälzerwald. Um 6:24 Uhr steige ich in die S-Bahn und zwei Umstiege später fünf Minuten verspätet in Karlsruhe am Hauptbahnhof aus. Umgezogen habe ich mich auf der Zug-Toilette. Ich starte meine geplante Route auf dem Navi und schwinge mich auf's Rad.
Nach etwa 30 Kilometern lege ich einen Tankstellenstopp ein. Bisher hatte ich nur ein reichliches Frühstück. Jetzt gibt es ein Eis. Und weiter geht’s, die meisten Höhenmeter liegen noch vor mir. Der erste Anstieg führt mich durch Weinberge, die Sonne knalle. Dann geht’s in den Wald und bergab nach Annweiler. Bin ich dann gleich da?
Noch 15 Kilometer letzte Kilometer und ein Schlussanstieg, dann erreiche ich das Forsthaus Annweiler, die Homebase vom Dreifels. Ich werde begrüßt und bekomme ein Armband und ein Goodie Bag. Mir wird erklärt, wo die Duschen und die Toiletten sind. Dann werde ich zu meinem Zelt geleitet.
Wahnsinn, ich habe ein Glamping-Zelt ganz für mich alleine. Luxus pur! Das Zelt ist ausgestattet mit zwei Pappbetten, Bettdecken, Kopfkissen, einem Kleiderständer, Akkulampe und mehr.
Gegen 6:00 Uhr wache ich auf, viel zu früh, denke ich, und lasse die Augen noch zu. Vielleicht kann ich wieder einschlafen? In der Ferne Donnergrollen. Erst leiser, dann wird es lauter. Bald donnert es fast ununterbrochen. Es dauert einige Zeit, dann öffnet der Himmel seine Schleusen. Ob alle Zelte dem standhalten?
Später erfahre ich, die meisten Zelte blieben dicht, zwei Zelte sind “abgesoffen”. Für die nächsten Nächte nehme ich deshalb Anne, Verpackungsingenieurin bei Canyon, mit in mein Zelt auf. Warum auch nicht, ist ja noch ein Bett frei und so kommt auch sie in den Glamping-Genuss.
Erst kurz vor acht hört es auf. Jetzt höre ich, dass die Leute aus ihren Zelten krabbeln. Ich schließe mich an und pünktlich um 8:00 Uhr gibt es Frühstück. Währenddessen höre ich überall Gespräche darüber, wer welche Strecke fährt. "Was fährst du?", fragen viele unentschlossen, ich mich auch. An meinem Frühstückstisch entscheiden sogar zwei, in die Therme zu fahren, da es den ganzen Tag regnen soll. Verlockend. Ich entscheide mich dann aber doch für's Rad, denn im Pfälzerwald war ich noch nie. Und ich bin ja zum Radfahren hier. Meine Idee: Ich nehme eines der Testbikes von Orbea in meiner Größe und lasse das eigene Rad sauber und trocken in meinem Glamping-Zelt.
Es gibt ein Rad in Größe S. Das ist mir eigentlich zu groß aber für die auserkorene Strecke am heutigen Tag (Rittermahl, 88,5 Kilometer, 2030 Höhenmeter) sollte das gehen. Erst einmal müssen einige Dinge umgeschraubt und angepasst werden:
Schon kann es los gehen. Zugegeben, das hat jetzt doch etwas länger gedauert. Aber meine Gruppe wartet geduldig - und andere schrauben ebenfalls noch an ihrem Testrad rum.
Wir radeln los, auf den ersten Metern warten bereits die ersten Höhenmeter. Unsere Gruppe besteht aus sieben Personen, einige kennen sich, andere lernen sich kennen. Die ersten Kilometer sind geprägt von technischen Defekten. Ein Platten oder ein Navi, das nicht mehr an der Halterung hält, kosten Zeit, und wir nehmen sie uns.
Die Gruppe ist ganz gemischt, einige fahren schneller bergauf, andere schneller bergab. Diejenigen, die vorne sind, warten auf die, die weiter hinten sind. Und dann bleiben wir gern noch ein paar Minuten länger stehen und quatschen. Das Wetter spielt mit, kein Regentropfen.
Nach etwas über 30 Kilometern überlegen wir, dass unsere gemütliche und pausenreiche Fahrweise hintenraus zeitkritisch werden könnte. Wir entscheiden uns, auf die Strecke Trifelsblick (67 Kilometer, 1320 Höhenmeter) zu wechseln. Das bedeutet, vor uns liegen noch gut 30 Kilometer und die Verpflegungsstation. Ja, Verpflegung gibt es auch. Das hat der Gravel-Club aufgetischt:
Wir lassen uns Zeit, dann geht’s auf die letzten 20 Kilometer. Und am Ende wartet der obligatorische Berg hinauf zum Forsthaus. Ob gemütlich oder Vollgas oder eine Mischung, oben ist für alle eine Bike-Wash-Station aufgebaut und wir werden mit einem herzlichen “Hallo” empfangen.
Am Camp angekommen, putzen die meisten als erstes ihr Rad und gehen danach selbst duschen. Ich ebenfalls. Außerdem habe ich Hunger, doch es dauert noch mindestens 2,5 Stunden bis zum Abendessen. Also bestelle ich mir im Forsthaus Spinatknödel. Dazu gibt's ein alkoholfreies Weizen und einen Kaffee.
Wenig später startet der Tubeless-Workshop. Einige schauen nur mal kurz vorbei, andere sind seeehr interessiert. Von Felge reinigen über Felgenband kleben zu Ventil montieren und Reifen aufziehen gibt es viel zu lernen. Es werden so viele Fragen gestellt, dass der Workshop kurzerhand nach dem Abendessen im Halbdunkeln weitergeführt wird.
Heute gibt es Pasta-Variationen, dazu Salat. Nach dem Essen versammelt sich ein Großteil um das Lagerfeuer, andere führen den Tubeless-Workshop fort und vereinzelt werden die Gespräche vom Abendessen weitergeführt.
Der Gravel-Club hat sogar zwei Abenteurerinnen und eine Rekordjägerin eingeladen. Alle drei sitzen abends am Lagerfeuer nebeneinander. Erst stellen sich alle vor, dann berichtet eine nach der anderen von ihren Erlebnissen und es gibt Zeit, Fragen zu stellen.
Den Anfang macht Lea Borer, die mit ihrem mittlerweile sechsjährigen Sohn per Rad um die Welt reist. Wie reist man mit einem Kind? Was gibt es zu beachten? Wird ihm nicht langweilig? Was ist mit der Schule? Viele Fragen, spannende Antworten. Definitiv eine Inspiration. Es muss ja nicht gleich um die Welt gehen.
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Weiter geht’s mit Leona Kringe, die im vergangenen Jahr den European Devide-Trail gefahren ist - 7000 Kilometer einmal über den Kontinent, von Portugal ans Nordkap. Auf Instagram und in ihrem Podcast inspiriert sie andere, mutig zu sein und Träume wahr werden zu lassen.
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Und dann fängt es an zu regnen. Wobei, Regen ist kaum der richtige Ausdruck dafür. Es schüttet. Das ist wohl das Zeichen, dass die Fragerunde mit Monika Sattler auf den nächsten Abend verschoben wird. In diesem Bericht spielt der Regen keine Rolle und für die Geschichte ergibt die Vorstellung von Monika Sattler genau hier Sinn.
Moni Sattler ist Erfolgs-Mindset Expertin, Radrekordhalterin, Keynote Speakerin, Autorin - so steht es auf ihrer Website. Und wer sie kennt, weiß, was das heißt. Am 22. August 2022 startete sie ihre jüngste Challenge: Die 124-Pässe-Challenge. Seitdem hält sie den Rekord, alle 124 Schweizer Pässe in 26 Tagen mit dem Rad befahren zu haben. Wie geht das? Was für ein Rad braucht es? Wie bereitet man sich vor? Welche Schwierigkeiten treten auf? Solche und weitere Fragen darf Moni am Lagerfeuer beantworten.
In diesem Jahr veröffentlichte Moni Sattler übrigens auch ein Buch, passend zum Gravel-Trend und ideal, um die nächste eigene Herausforderung anzugehen: Abenteuer Gravel-Transalp.
Was wohl ihre nächste Challenge wird? Natürlich wird auch diese Frage gestellt. “Sie ist in Planung und wird etwas anderes als die bisherigen Challenges”, mehr will Moni noch nicht verraten. Auf Instagram gibt es aber schon den ersten Teaser.
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Das Programm für den Samstag sieht ähnlich aus wie am Freitag: vier verschiedene Routen-Optionen, Tubeless-Workshop und Lagerfeuer-Talk.
Auch der zweite Tag des Gravel-Camps im Pfälzer Wald beginnt mit Kaffee und Frühstück. Währenddessen ist wieder das meistgeführte Gespräch: "Was fährst du heute?". Der Großteil wagt sich heute auf die 100-Kilometer-Strecke, die knapp 1900 Höhenmeter bereit hält. "Zum Tisch des Teufels" heißt sie. Und das hat einen Grund, führt sie doch: zum Teufelstisch.
Einige haben ihre eigene Route geplant und wollen unbedingt ins nahe angzenzende Frankreich, um ein Pain au Chocolat zu essen. Ich selbst bin unschlüssig. Auf eine den Tag füllende Tour habe ich eigentlich keine Lust, denn davon hatte ich in den letzten Wochen ausreichend. Schließlich finde ich mit Elmar und Volker zwei Mitstreiter, die heute die Strecke "Reblaus" als die ihre auserkoren haben. 55 Kilometer und 1000 Höhenmeter. Ich schließe mich an. Die erste Frage, die mir gestellt wird: "Isst du Eis, Sandra?". Ich: "Ja, warum?". So erfahre ich, dass nach der ersten Abfahrt schon ein Stopp an einem Eiscafé eingeplant ist. "Sehr gut", denke ich, denn da ist hoffentlich Internetempfang und ich kann mir endlich ein Rückfahrticket buchen.
Mit Volker und Elmar wird die Runde, wie angekündigt, gemütlich. Wir fahren gemeinsam, warten nach Anstiegen aufeinander und machen eine ausgiebige Pause an der Verpflegungsstation. Zurück am Forsthaus waschen wir die Räder und tauschen uns mit anderen aus. Dann geht’s duschen. Kalt. Irgendwas stimmt, wie auch schon an den vorherigen Tagen, nicht mit der Bereitung vom Warmwasser. So sind am ganzen Wochenende zwei von meinen drei Duschen kalt. Aber das soll ja gesund sein. Vielleicht war das Absicht? Andere haben dreimal kalt geduscht. Und wieder andere haben nur eine Katzenwäsche gemacht.
Später wartet eine Gruppe auf Benno vom Gravel Club, um ihn gebührend zu empfangen. Warum? Mit ihm findet die längste Route heute einen Abnehmer. Als einziger wagt er sich an die ganz lange Route und startet bereits um 7:00 Uhr oder eher. "Wadenkrampf" hat es in sich, auf 160 Kilometern warten sage und schreibe 3440 Höhenmeter.
Benno - Benjamin Spahn - konnte leider, und hier müssen wir “leider” sagen, schon einmal bei einem Artikel zum Thema Garantie mitwirken. Erst verlor er Luft aus seinem Tubeless-Laufrad, dann bemerkte er einen Riss in der Felge. Wie die Geschichte ausging und was es mit Garantie, Sachmängelhaftung und Kulanz auf sich hat, gibt’s hier.
Zurück zum Forsthaus: Heute wird gegrillt. Die veganen Optionen beinhalten Gemüse, Salat, Kartoffeln und Brot. Proteine fehlen. Außerdem gibt es Käse und verschiedenes Fleisch und Würste - das habe ich mir nicht näher angeschaut.
Heute steht nach dem Frühstück nur noch ein Hangover Ride an. 15 Kilometer, 260 Höhenmeter, zwei Aussichtspunkte und für alle, die wollen, ein Singletrail der Kategorie S3 bis S4. Verblockt und zwei Spitzkehren, von denen man maximal eine fahren kann, heißt es. Ich überlege, ob ich mir das zutraue und habe verblockte Trails am Gardasee vor Augen. Aber ich beschließe, es zu probieren.
Beim Trail gilt: Safety first. Und so starten wir nach Ampelsystem. Einer fährt los, Pause, erst dann darf die nächste Person auf den Trail.
Hätte mir niemand die Klassifizierung genannt, sondern wären wir einfach gefahren, hätte ich deutlich sauberer fahren können. So erwarte ich das Schlimmste und bin zu angespannt, um locker flowig hinabzudüsen. Es gibt ein paar Steine, vereinzelte Wurzeln und an manchen Stellen muss man schauen, welche Linie passt. Insgesamt aber für mich gut fahrbar - abgesehen von den Spitzkehren.
Hier bietet sich ein kurzer Einschub zu den angebotenen Strecken an. Alle Strecken und Strecken-Abschnitte, die ich gefahren bin, sind gut gescoutet. Oft gibt es Passagen, bei denen ich mir denke: “Na, das hätte man sicher anders planen können” - nicht so bei den Routen beim Dreifels. Die Strecken sind abwechslungsreich, es geht vom Wald in Weinberge, zu Aussichtspunkten und durch süße Ortschaften.
Zurück zum letzten Programmpunkt. Unten, also am Ende des Singletrails, treffen sich beide Gruppen, Gruppe Singletrail und Gruppe Ohne Trail. Gemeinsam geht es in Richtung des nächsten Aussichtspunkts. Gemeinsam ist hier aber relativ. Einige drücken ordentlich in die Pedale und fliegen davon, andere lassen es gemütlicher angehen. Noch andere werden unfreiwillig ausgebremst: Platten.
Mir sitzt langsam die Zeit im Nacken. Ab 12 Uhr ist die Abreise angedacht. Mein Zugticket habe ich mit einem Zeitpuffer gebucht, so dass ich mich noch verabschieden kann - dachte ich. Mittlerweile ist es aber kurz vor zwölf. Ich muss entweder runter nach Rinnthal oder besser bis nach Neustadt an der Weinstraße fahren (38 Kilometer, 260 Höhenmeter), um 14:30 Uhr würde mein Zug dort fahren.
Wenn alles gut geht, kein Problem, bei einem Defekt wie Platten würde ich die Bahn verpassen. Ich schaue mir deshalb nur kurz die Aussicht an, warte nicht auf alle, sondern fahre zurück zum Camp. Dort schnappe ich mir meine schon gepackten Sachen, montiere die Taschen an's Rad und schleiche mich davon. 38 Kilometer, gut zwei Stunden, das sollte gar kein Problem sein, in meinem Kopf befürchte ich aber das Schlimmste und gebe Gas.
Ich komme in Neustadt an, so früh, dass ich mir beim Backwarenshop noch etwas Essbares besorgen kann und sogar eine S-Bahn früher nehmen kann. Dann habe ich mehr Zeit in Mannheim - für einen Kaffee und noch mehr Essen. Und: Ich hätte mich gar nicht beeilen müssen, der ICE nach München hat 40 Minuten Verspätung! Ein paar Stunden später stecke ich den Schlüssel in die Wohnungstür.
Das Dreifels ist ein liebevoll organisiertes Gravel-Camp in familiärer Atmosphäre. Hier sind alle willkommen, egal, welche Klamotten, egal welche Pedale, egal welches Rad. Alle verbindet die Liebe zum Radfahren.
Lust bekommen? Dann gleich mal den Kalender gezückt, denn das Datum fürs nächste Jahr steht schon fest. Das Dreifels Gravel-Camp wird 2024 vom 22. bis 25. August stattfinden. Ich bin gespannt, was sich der Gravel-Club noch einfallen lässt.