Verkehrte Welt. Ging es auf Singletrails bislang um die Abfahrten, macht mit dem E-Antrieb auch das Trail-Biken bergauf richtig Spaß. Was aber Fahrer und Bike plötzlich auf ganz neue Weise fordert. Denn trotz Motorunterstützung ist es alles andere als einfach, einen anspruchsvollen Pfad hochzufahren – sowohl fahrtechnisch als auch konditionell. Neben der Physis des Fahrers muss auch das Bike, insbesondere das Fahrwerk, entsprechende Fähigkeiten mitbringen, um steile Anstiege mit technischen Hürden meistern zu können. Der Hinterreifen muss maximale Traktion liefern, das Vorderrad leicht über Hindernisse rollen. Gleichzeitig darf sich das Bike an Steilstufen aber nicht aufbäumen.
Steilstufen markieren im Uphill die Schlüsselstellen. Ein zentrales Manöver dabei: Man muss das E-MTB jederzeit mit aktiver Entlastung leicht auf das Hinterrad bringen. Auf das Hinterrad? Ja. Und das bei hohem Gewicht von Motor und Akku und dem niedrigen Schwerpunkt? Genau!
Bergab kann man Steilstufen entweder überrollen, oder man springt mit einem Mini-Drop über sie hinweg. In beiden Fällen wird der Fahrer seinen Schwerpunkt nach hinten verlagern, um das Vorderrad zu entlasten und nicht nach vorne wegzukippen. Bergauf funktioniert das Überwinden von Steilstufen auf ähnliche Weise. Um das Prinzip zu verstehen, ein kurzer Ausflug in die Fahrtechnik: Indem man den Körperschwerpunkt vom Sattel in Richtung Lenker aktiv nach vorne bringt und dabei den Lenker kurz anzieht, wird erst das Vorderrad entlastet. Dann wird das Bike vom Fahrer durch das Strecken der Arme nach vorne geschoben und das Hinterrad über die Stufe nachgezogen – nun lastet das Gewicht wieder auf dem Hinterrad. Das Gewicht aufs Hinterrad zu verlagern, ist also in beiden Situationen, bergauf wie bergab, eminent wichtig.
Mit entscheidend dabei ist das Timing und die dynamische Ausführung.
Aber auch das Fahrwerk des Bikes hat einen großen Anteil daran, wie effizient sich Steilstufen bergauf überwinden lassen. Hilfreich dabei: unterschiedliche Laufradgrößen an Vorder- und Hinterrad. Und zwar: hinten kleiner, vorne größer. Vereinfacht gilt: Ein kleines Hinterrad bedeutet eine niedrigere Achshöhe, und das wiederum bedeutet eine verbesserte Fahrdynamik. Außerdem ermöglicht ein kleines Hinterrad, einen Reifen mit großem Volumen zu montieren – und das wiederum garantiert optimale Traktion. Ein größeres Vorderrad dagegen bedeutet eine höhere Achslage, und die verbessert das Überrollverhalten an Hindernissen. Doch jetzt kommt auch noch der Pedelec-Motor ins Spiel. Er sorgt durch zusätzlichen Antrieb für eine völlig unterschiedliche Aufgabenverteilung an Vorder- und Hinterrad. Hinten Traktion, vorne Fahrpräzision. Plötzlich sind also neben unterschiedlichen Laufradgrößen auch noch verschiedene Reifenbreiten vorne und hinten wichtig.
Wir haben uns deshalb für diesen Test folgende Fragen überlegt: Welche Anforderungen stellen wir an unsere Laufrad- und Reifenauswahl, welche Laufrad- und Reifengrößen machen Sinn, wie lassen sie sich idealerweise kombinieren? Vor dem Hintergrund dieser Fragen haben wir verschiedene Test-Bikes (siehe Cube- und KTM-Projekt-Bike) mit unterschiedlichen Laufrädern ausgerüstet und dann verschiedene Reifenbreiten an Vorder- und Hinterrad getestet.
Welche Laufradgrößen und Reifengrößen stehen aktuell zur Verfügung? 
 26 Zoll, 26 Zoll mit Plus-Bereifung, 27,5 Zoll, 27,5 Zoll mit Plus-Bereifung und 29 Zoll sind die gängigen Größen, wenngleich 26 Zoll mittlerweile ein Nischendasein fristet und breite 26-Zoll-Felgen für Plus-Reifen sehr rar sind.
Welche Größe ist ideal fürs Hinterrad? 
 Gefordert sind: 1) ein großvolumiger Reifen, der maximale Antriebstraktion und Durchschlagschutz bietet. 2) ein niedriger Achsdrehpunkt, und ein gutes Verhältnis zwischen Kettenstrebenlänge und Achsdrehpunkt.
Welche Größe ist ideal fürs Vorderrad? 
 Ein etwas kleineres Volumen mit mehr Druck für gute Fahrpräzision, gutes Überrollverhalten und einen guten Überschlagschutz. Das liefern 27,5-Zoll-Räder bis maximal 2.6 Zoll Reifenbreite, noch besser aber 29-Zoll-Vorderräder.
Warum hinten 26 Zoll mit Plus-Bereifung? 
 Weil diese Kombination maximale Traktion bei gutem Durchschlagschutz bietet, außerdem entsteht so mehr Bewegungsfreiheit bei der Gewichtsverlagerung nach hinten: Ein Bike mit mittellangen Kettenstreben lässt sich dann gut auf das Hinterrad ziehen (niedriger Achsdrehpunkt), und sowohl im Uphill als auch im Downhill wird es wendig. Nicht zuletzt ist diese Laufrad-Reifen-Kombi leicht und steif.
Warum nicht 27,5-Plus am Hinterrad?
 27,5-Plus am Hinterrad kombiniert mit 29 Zoll am Vorderrad bietet sich eher für große Biker an. Das Bike kommt aber höher und wird dadurch im Handling schlechter. Deshalb fahren kleine und mittelgroße E-Mountainbiker besser die Kombination aus 26-Plus hinten und 27,5 Zoll vorne.
Warum 27,5-Plus vorne eher nicht?
 27,5-Zoll-Plus-Reifen müssen mit weniger Luftdruck gefahren werden, damit man das Volumen ausnutzt – dann reagieren sie aber schwammig, bei gleichem Gewicht wie 29-Zoll-Normal-Reifen sind sie außerdem weniger robust.
Warum besser 29 Zoll vorne? 
 Die positiven Fahreigenschaften eines 29-Zoll-Bikes stammen zu 90 Prozent vom Vorderrad. Das hinterhergezogene Hinterrad spielt jedoch im Gegensatz zum geschobenen Vorderrad beim Überrollwiderstand praktisch keine Rolle. Außerdem rühren die guten Kletter- und Traktionseigenschaften eines klassischen 29-Zoll-Bikes vom hohen Hinterradachsdrehpunkt her. Der erzeugt ein sogenanntes Rückdrehmoment in Steilpassagen (daher ist Wheelie-Fahren mit einem 29er-Bike schwieriger). E-Mountainbikes hingegen haben von vornherein 20 bis 30 Millimeter längere Kettenstreben und einen etwas steileren Sitzwinkel, sodass der Rückdrehmomenteffekt eines 29-Zoll-Hinterrades beim Bergauffahren gar nicht benötigt wird. 29 Zoll macht daher am E-MTB nur am Vorderrad Sinn, bietet ein unübertroffen gutes Überrollverhalten und den besten Überschlagschutz.
Und wie sieht unser E-Bike-Wunschreifen aus? 
 Leichtbaureifen und feinstollige Profile haben am E-MTB nichts verloren. Bei einem Gesamtgewicht von 22 bis 25 Kilo spielt das Reifengewicht eine untergeordnete Rolle. Dagegen steigen die Anforderungen an Karkasse und Reifenprofil in Sachen Durchschlagschutz, Brems- und Antriebstraktion. Unser Wunschreifen am Hinterrad hat deshalb ein grobstolliges Blockprofil für Brems- und Antriebstraktion, eine weiche Gummimischung an den Außenstollen, eine etwas härtere Mischung in der Mitte, einen stabilen Karkassen-Aufbau sowie ein hohes Reifenvolumen bei 3,0 Zoll Reifenbreite. Unser Wunschreifen am Vorderrad hat eine insgesamt weiche Gummimischung für maximale Traktion, ein grobstolliges Profil sowie eine Breite zwischen 2,5 und 2,6 Zoll für viel Lenkpräzision.
Fazit von Christoph Malin, EMTB-Tester:
Die Zukunft des E-Mountainbikes wird über verschiedene Laufradgrößen und Reifenbreiten sowie -mischungen am Vorder- und Hinterrad führen. 29 Zoll am Vorderrad bieten besseres Überrollverhalten, Lenkpräzision und erhöhte Seitenführung. Gleichzeitig kann mit einem kleineren Laufrad hinten die Reifenbreite erhöht, der Grip maximiert und dadurch die Kraft des Motors optimal genutzt werden. Durch zusätzliche Features wie absenkbare Gabeln erfolgt die Anpassung der Bike-Geometrie noch besser an die Anforderungen.
Unser Tipp für die schnelle Nachrüst-Tuning-Lösung: 26 Zoll mit 2,8–3,0-Plus-Bereifung hinten und 27,5 Zoll x 2,5–2.6 Zoll Reifenbreite vorne. Der Außendurchmesser dieser Kombination ist nahezu gleich. Für größere Biker kommt auch die Kombination aus 27,5-Plus hinten und 29 Zoll vorne in Frage. Langfristig wird sich wahrscheinlich die Kombination aus 26-Plus hinten und 29 Zoll mit 2,4 bis 2,6 Zoll breiten Reifen vorne etablieren. Diese Kombination ist für alle Körpergrößen ideal zu fahren und bietet den besten Mix aus Gewicht, Steifigkeit und Performance.
Das sollten Sie wissen:
Reifen- und Laufradgrößen: Die idealen Kombinationen an Vorder- und Hinterrad hängen auch von der Körpergröße des Bikers ab.
Laufradanbieter gibt es wie Sand am Meer. Doch nicht alle Modelle sind fürs e-MTB freigegeben. Breite 26-Zoll-Laufräder mit Boost-Standard für Plus-Reifen gibt es derzeit nur von Syntace.
Das Syntace-29-Zoll-Vorderrad und das 26-Zoll-Hinterrad sind mit Boost-Standard und als Normal-Version mit angepasster Nabenbreite erhältlich, recht steif und speziell auch fürs E-MTB freigegeben. 32 Syntace-eigene, dreifach konifizierte Rundspeichen werden mit der W35-Felge kombiniert. Diese kommt gut mit bis zu 3,0 Zoll breiten Reifen klar, macht Reifen nicht allzu birnenförmig, senkt so den Rollwiderstand und kann auch mit ProCore kombiniert werden. Über Micro Adjust werden die Naben einmalig auf Hinterbau und Gabel eingestellt – dadurch wird die Lebensdauer der Naben erhöht.
Bewertung Reifen 
26": C
ontinental Kaiser 26 x 2.5"
Preis   82,59 Euro
 Gummimischung   Black Chili
 Gewicht   1215 Gramm
 Breite¹ Karkasse / Stollen   6,63 cm / 6,5 cm
 Sonstiges   Protection Apex
PRAXISTEST
 Kurvenhalt   10 von 10 Punkten
 Antriebstraktion   8 von 10 Punkten
 Bremstraktion   10 von 10 Punkten
Einsatzbereich   trocken | nass
FAZIT    Am HR absolut souverän. Extremer Grip, sehr geschmeidiger Grenzbereich, gut in der Bremstraktion, hoch im Verschleiß.
EMTB-URTEIL   SEHR GUT
26": K
enda Nexcavator Pro 26 x 2.5"
Preis   44,99 Euro
 Gummimischung   Downhill RSR CAP Butyl
 Gewicht   1250 Gramm
 Breite¹ Karkasse / Stollen   5,7 cm / 5,71 cm
 Sonstiges   Draht
PRAXISTEST
 Kurvenhalt   7 von 10 Punkten
 Antriebstraktion   9 von 10 Punkten
 Bremstraktion   7 von 10 Punkten
Einsatzbereich   trocken | nass | Schlamm
FAZIT    Vielseitiger Hinterreifen, hält gut von felsig bis trocken. Nur Schotter etwas undefiniert, bricht aus, fängt sich aber sofort wieder.
EMTB-URTEIL   GUT
26": M
axxis Minion DHF+ 26 x 2.8"
Preis   72,50 Euro
 Gummimischung   3C MaxxTerra EXO Prot. TR 60 TPI
 Gewicht   980 Gramm
 Breite¹ Karkasse / Stollen   6,63 cm / 6,5 cm
 Sonstiges   Derzeit OEM-Reifen
PRAXISTEST
 Kurvenhalt   9 von 10 Punkten
 Antriebstraktion   7 von 10 Punkten
 Bremstraktion   9 von 10 Punkten
Einsatzbereich   trocken | nass
FAZIT    In 26"-Plus vielversprechend! Bewährtes DH-Profil, auf harten Böden sehr gut. Setzt im Matsch schnell zu. Ab Juli in Serie verfügbar.
EMTB-URTEIL   SEHR GUT
26": S
chwalbe Magic Mary 26 x 2.35"
Preis   58,39 Euro
 Gummimischung   VertStar
 Gewicht   1190 Gramm
 Breite¹ Karkasse / Stollen   5,85 cm / 6,12 cm
 Sonstiges   Super-Gravity-Version
PRAXISTEST
 Kurvenhalt   8 von 10 Punkten
 Antriebstraktion   8 von 10 Punkten
 Bremstraktion   9 von 10 Punkten
Einsatzbereich   trocken | nass | Schlamm
FAZIT    Unauffällig, aber gut. Wühlt sich überall hoch, und bremst gut. Sehr gutes Blockprofil. In 2,5" noch mehr Grip.
EMTB-URTEIL   SEHR GUT
27,5": C
ontinental Der Kaiser 27.5 x 2.4"
Preis   82,59 Euro
 Gummimischung   Black Chili
 Gewicht   1240 Gramm
 Breite¹ Karkasse / Stollen   5,8 cm / 6 cm
 Sonstiges   Apex-Seitenwand
PRAXISTEST
 Kurvenhalt   9 von 10 Punkten
 Antriebstraktion   9 von 10 Punkten
 Bremstraktion   9 von 10 Punkten
Einsatzbereich   trocken | nass | Schlamm
FAZIT    Toll am VR, gut am HR. Sehr guter Grenzbereich, sehr gute Traktion und Durchschlagschutz. Noch besser wäre eine 2,6"-Version. Niedriger Verschleiß.
EMTB-URTEIL   SEHR GUT
27,5": 
Kenda Honey Badger DH Pro 27.5 x 2.4"
Preis   44,99 Euro
 Gummimischung   Downhill RSR CAP
 Gewicht   1130 Gramm
 Breite¹ Karkasse / Stollen   5,42 cm / 5,88 cm
 Sonstiges   Draht
PRAXISTEST
 Kurvenhalt   8 von 10 Punkten
 Antriebstraktion   4 von 10 Punkten
 Bremstraktion   10 von 10 Punkten
Einsatzbereich   trocken | nass | Schlamm
FAZIT    Nur am VR! Extrem gute Bremstraktion auf fast jedem Boden. Guter Seitenhalt. Wäre als 2,6"-Reifen wohl eine Wucht. Hoher Verschleiß.
EMTB-URTEIL   GUT
27,5": 
Maxxis Minion DHR II 27.5 x 2.8"
Preis   84,90 Euro
 Gummimischung   TR, EXO, 3C, MaxxTerra 60 TPI
 Gewicht   980 Gramm
 Breite¹ Karkasse / Stollen   6,63 cm / 6,5 cm
 Sonstiges   Plus-Version
PRAXISTEST
 Kurvenhalt   9 von 10 Punkten
 Antriebstraktion   8 von 10 Punkten
 Bremstraktion   9 von 10 Punkten
Einsatzbereich   trocken | nass | Schlamm
FAZIT    Wuchtiger Plus-Vorder- und Hinterreifen. Gute Antriebstraktion, am Vorderrad starkes Eigenlenkverhalten, noch gute Bremstraktion.
EMTB-URTEIL   SEHR GUT
29": M
axxis Shorty 29 x 2.5"
Preis   72,73 Euro
 Gummimischung   3C MaxxTerra EXO TR
 Gewicht   910 Gramm
 Breite¹ Karkasse / Stollen   6,1 cm / 6,45 cm
 Sonstiges   Folding
PRAXISTEST
 Kurvenhalt   8 von 10 Punkten
 Antriebstraktion   8 von 10 Punkten
 Bremstraktion   9 von 10 Punkten
Einsatzbereich   trocken | nass | Schlamm
FAZIT    Toller Vorderreifen für tiefe und lose Böden, auch Waldböden. Am Hinterrad in 26" ebenfalls gut, außer auf Fels. Als 2,6"-Reifen wäre er perfekt.
EMTB-URTEIL   SEHR GUT
29": M
axxis 
Minion DHF 29 x 2.5"
Preis   72,73 Euro
 Gummimischung   3C MaxxTerra EXO TR
 Gewicht   925 Gramm
 Breite¹ Karkasse / Stollen   6,22 cm / 6,3 mm
 Sonstiges   Folding
PRAXISTEST
 Kurvenhalt   9 von 10 Punkten
 Antriebstraktion   8 von 10 Punkten
 Bremstraktion   9 von 10 Punkten
Einsatzbereich   trocken | nass
FAZIT    Ausgezeichneter Vorderreifen für harte, wurzelige und felsige Böden. Auf Schotter noch gut. In 2,6 Zoll würde uns der Pneu wohl noch besser gefallen.
EMTB-URTEIL   SEHR GUT
 ¹
  Gemessen auf Syntace-W35-Felgen 
 ²
  Beschreibt das Eigenlenkverhalten