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Die ersten Alpen-Überquerer haben sich noch mit groben Wanderstiefeln über den Hauptkamm geschunden. Mit deren stabilen Sohlen konnte man nicht nur kräftig in die Pedale treten, ihr Profil war auch griffig genug, um die zahlreichen Schiebepassagen auf den elend steilen Pässen zu bezwingen. Außerdem boten sie den Füßen Schutz vor Steinkontakt und Wetterkapriolen. Alles Eigenschaften, die einen guten Touren-MTB-Schuh auch heute noch auszeichnen. Die Optik hat sich über die Jahre aber extrem verändert. Heute gleichen viele Fahrradschuhe eher Skate-Sneakern als Bergstiefeln, was per se nicht schlecht sein muss.
Abstriche muss man trotzdem bei vielen Modellen im Test machen. Ausreichend Profil für Klettereien in alpinem Gelände sucht man häufig vergeblich. Die Sohlen sind teilweise nur in Verbindung mit breit abstützenden Pedalkäfigen steif genug für harte Alpen-Anstiege. Vollflächige Kunststoffmaterialien, dick ausgepolstert, lassen die Füße teils im eigenen Saft schmoren. Und für bis zu 180 Euro muss man sich meist mit simplen Schnürungen statt mit durchdachten Verschluss-Systemen zufriedengeben – die Preise für Fahrradschuhe sind in den letzten beiden Jahren, wie nahezu bei allem, um bis zu 20 Euro gestiegen.
Doch es gibt auch Lichtblicke: Hersteller wie Crankbrothers, Ride Concepts, Scott oder Vaude schaffen es, ihre Schuhe mit Alpen-tauglich profilierten Sohlen auszustatten. Sie finden einen Weg, gute Kraftübertragung mit angenehmen Laufeigenschaften zu verknüpfen, und ihre Schnürsysteme verankern die Füße bombenfest in den MTB-Schuhen. Dagegen hätten bestimmt auch die ersten Alpen-Überquerer ihre klobig-schweren Wanderstiefel eingetauscht.
Ganz klar Klickies. Sie haben meist die steifere Sohle und bringen die Kraft besser aufs Pedal, das spart auf langen Touren Körner. Außerdem muss ich nicht ständig nach der optimalen Position auf dem Pedal suchen und kann mich voll auf den Trail konzentrieren. Aktuelle Modelle sind längst keine steifen “Stöckelschuhe” mehr. Griffige Sohlen, angenehme Laufeigenschaften und lässige Optik – Fahrradschuhe mit Klicksystem sind für mich die optimalen Allrounder für lange Touren.
Wer es nicht eilig hat, sollte auf Flat-Schuhe setzen. Sie fördern einen aktiven Fahrstil, weil man für die Verbindung mit dem Bike eine Bogenspannung zwischen Fuß, Beinen, Rumpf und Armen erzeugen muss. So agiert man mehr, als sich mit einem defensiven Fahrstil auf die mechanische Verbindung zu verlassen. An kritischen Stellen kann ich zudem schnell den Fuß absetzen, dadurch bin ich mental offensiver. Schiebepassagen lassen sich ohne Cleats an der Sohle auch besser meistern.
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Die Optik von Touren-Fahrradschuhen geht immer mehr von Wander-Boots zu Sneakern. Die Kernkompetenzen bleiben aber gleich: gute Kraftübertragung, Schutz vor Felskontakt, Grip und Komfort auf Schiebepassagen. Die wichtigsten Eigenschaften im Detail.
Eine TPU-verstärkte Zehenkappe bieten die meisten Schuhe. Wer mehr Schutz möchte, sollte ein Modell mit innen hochgezogenem Knöchelbereich wählen. Strick- oder Neopren-Gamaschen verhindern, dass Schmutz in den Schuh gelangt und Reibung verursacht.
Mesh-Einsätze oder Laser-Cuts verbessern die Belüftung an heißen Tagen und verhindern, dass man im eigenen Saft steht. Wer mehr Schutz vor Schlamm und Spritzwasser sucht, sollte auf nahtloses und geschlossenes Obermaterial setzen.
Erstaunlich viele Hersteller gehen wieder zurück zur klassischen Schnürung. Vorteil: So lässt sich der Bike-Schuh über den kompletten Spann perfekt an den Fuß anpassen. Das gelingt mit den praktischeren Drehverschlüssen nicht immer. Zudem sind Boa und Co schmutz- und defektanfällig und unterwegs kaum zu reparieren. Dafür lassen sie sich auch während der Fahrt feinjustieren. Hochwertige Schnürsenkel sind ein Muss, an den Testschuhen fransen sie teils schon bei Kontakt mit den Klettverschlüssen aus. Tipp: Fädelt man die Schnürsenkel von außen nach innen, verbessert das den Halt erheblich.
Je steifer die Sohle, desto besser kommt die Kraft aufs Pedal. Umso schlechter rollt der MTB-Schuh in der Regel aber auch ab. Beim Schieben schlüpft dann schon mal die Ferse halb aus dem Schuh. Ein aufgebogener oder weicherer Zehenbereich verhindert Schlupf. Richtig grobes Profil, das auch auf felsigem Grund Halt gibt, bieten nur noch wenige Modelle. Für Alpen-Touren sollte man aber unbedingt ein Modell mit griffigem Gummi und ausreichend Profil wählen.
Laut Ergonomieexperten sollten die Cleats etwa unter den Zehen-Grundgelenken montiert sein. Je weiter vorne, desto besser ist die Kraftübertragung aufs Pedal. Wer eher bergab unterwegs ist, platziert die Cleats weiter hinten für einen stabileren Stand. Das entlastet auch die Muskulatur in der Abfahrt. Ein möglichst langer und abgeflachter Cleat-Kanal erleichtert den Einstieg ins Pedal und verbessert die Selbstreinigung bei schlammigen Bedingungen.
Die Einlegesohle ist maßgeblich für den Tragekomfort verantwortlich. Hier sparen viele Hersteller. Gute Sohlen gibt es bei Fox, Scott oder Specialized. Wer mehr Komfort und Effizienz will, greift zu Spezialsohlen wie Currex, Solestar oder SQlab.
Mit dem Mallet liefern die US-Amerikaner einen top Allrounder. Per Klett und Boa-Drehrad ist der Fahrradschuh schnell angepasst und sitzt dank guter Polsterung bequem und ohne Druckstellen. Die steife Sohle und das zugfeste Material bringen die Kraft gut aufs Pedal. Weil der Mallet vorne etwas aufgebogen ist, läuft er sich auch angenehm, sein Profil erzeugt zudem viel Grip. Die Zehenbox bietet viel Schutz vor Felskontakt und Spritzwasser, an heißen Tagen wird der Schuh aber etwas schwitzig. Guter Einstieg dank angeschrägtem Cleat-Kanal.
Bewertung:
Der Five Ten Trailcross sticht nicht nur optisch aus dem Testfeld heraus. Er ist besonders leicht und gut belüftet. Das macht ihn zum angenehmen Begleiter an heißen Tagen. Gummi und Profil erzeugen viel Grip auf Schiebepassagen. Der Sitz im MTB-Schuh dagegen ist nicht allzu gut. In Verbindung mit dem leichten Material und der wenig steifen Sohle verpufft viel Kraft. Die Schnürung kann zudem durch die labbrige Zunge drücken. Nicht optimal. Somit ist der Trailcross eher ein Modell für gemäßigte Trail-Einsätze und entspannte Touren.
Bewertung:
Super Schutz, gute Kraftübertragung und sicherer Stand auf dem Pedal – der Fizik Gravita Bike-Schuh kommt dem Enduro-Ideal schon recht nahe. Die asymmetrische Neopren-Gamasche geht nahtlos in die Zunge über und schmiegt sich druckfrei um die Knöchel. Robustes , wasserabweisendes Ripstop-Material und die seitlich versetzte Schnürung bringen Zug auf den Fuß und lassen sich fein anpassen. Der abgeflachte Cleat-Kanal erleichtert den Einstieg. Top beim Kurbeln. Andere Schuhe laufen sich aber besser.
Bewertung:
Der neue Union von Fox sitzt angenehm unauffällig und trägt sich fast schon wie ein Sneaker. Bei enger Schnürung faltet sich das wenig flexible Obermaterial leicht auf. Die Schnürsenkel fransen schnell aus. Dank des großen Cleat-Kanals findet man leicht ins Pedal, der Fuß rückt dabei aber sehr nah an die Kurbel und kann sie streifen. Die Sohle dieses Mountainbike-Schuhs gehört zu den wenig steifen, daher eignet sich der Fox eher für Pedale mit großem Käfig. Gummi und Profil bieten nur mäßigen Grip beim Laufen. Für den Preis etwas mager ausgestattet.
Bewertung:
Schnell rein und raus sowie Anpassung während der Fahrt, das sind die großen Vorteile der Boa-Verschlüsse. Beim Ion Rascal lässt sich aber nur schwer ausreichend Zug damit aufbringen. Zusammen mit dem beweglichen Obermaterial steht man mit viel Flex auf dem Pedal, nicht optimal für Racer, aber gut für lange, entspannte Trail-Tage. Zudem ist dieser Fahrradschuh gut belüftet und an Zehen und Fersen solide geschützt. Die Sohle läuft sich angenehm, das Heck ist gegen Fersenschlupf aufgeraut. Das Profil bietet aber nur mäßig Grip.
Bewertung:
Umfangreich gepolstert, Zehen und Knöchel gut geschützt – der Leatt zielt eher auf Enduro-Biker. Schnürung und Klett fixieren den Fuß sicher im MTB-Schuh, die steife Sohle bringt ordentlich Kraft aufs Pedal. Beim Einstieg knautscht die Fersenpolsterung, die Schnürung läuft extrem schwergängig, zudem ist ständig der quer laufende Klett im Weg – nicht optimal. Großer Cleat-Kanal mit weitem Verstellbereich und guter Selbstreinigung. Der Cleat-Kanal liegt extrem tief, was den Einstieg ins Pedal erschwert.
Bewertung:
Sportlich geschnittener Trail-Schuh mit straffem Sitz. Die Schnürung passt das robuste Cordura-Gewebe gut an den Fuß an. In Verbindung mit der steifen Sohle bringt man viel Kraft aufs Pedal – gut für lange Anstiege. Trotzdem trägt sich der Fahrradschuh komfortabel. Auch im Gelände punktet der Tallac mit massig Grip und Traktion. Durchdacht ausgestattet und sauber verarbeitet, aber insgesamt recht schwer. Den Tallac gibt es auch als Damenversion (Flume Clip) und alternativ mit dem praktischen Boa-Drehverschluss. Recht teuer.
Bewertung:
Wenn der schlanke Schnitt passt, bekommt man mit dem Scott einen top Trail-Schuh, der viel Komfort und Schutz bietet und trotzdem ordentlich belüftet ist. Der einzelne Boa-Verschluss fixiert den Fuß erstaunlich sicher im Bike-Schuh, so steht man stabil und fest verbunden auf dem Pedal. Auch die Kraftübertragung stimmt. Dank breitem Cleat-Kanal findet man leicht in die Bindung. Der Shr-alp rollt beim Gehen angenehm ab, das grobstollige Profil funktioniert auf vielen Untergründen und bietet ausreichend Halt und Traktion.
Bewertung:
Mit dem AM903 hat Shimano einen robusten, aber durchaus bequemen Begleiter für Trail- bis Enduro-Einsätze im Programm. Hoher Schutz für Zehen und Knöchel, gute Kraftübertragung und ein reibungsloser Einstieg ins Pedal. Die praktische Schnellschnürung wird von einer Klettlasche abgedeckt, die zusätzlich Schutz vor Nässe oder Schlägen bietet. Griffige Sohle und guter Abrollkomfort machen diesen Mountainbike-Schuh zum stabilen Gravity-Allrounder. An heißen Tagen wird es trotz Laser-Cuts eher warm darin.
Bewertung:
Gleich zwei Boa-Verschlüsse erleichtern den Einstieg. Für die optimale Anpassung fehlt aber eine Schlaufe über den Zehen. So ist der Halt nicht optimal, und die Kraftübertragung leidet etwas. Die Einlegesohle stützt den Fuß ideal. Beim Laufen rollt der Zehenbereich gut ab, an der Ferse hat man etwas viel Schlupf. Die Boa-Aufsätze und die Zunge können auf Dauer drücken. Auf dem Pedal steht der 2FO sicher. Im Gelände generiert das Profil dagegen eher wenig Grip. Geringer Schutz für einen MTB-Schuh dieser Klasse.
Bewertung:
Mit seinem störrischen Obermaterial und der schlecht laufenden Schnürung passt sich der Up Link nicht optimal an den Fuß an. Der kleine Cleat-Kanal bietet wenig Verstelloptionen, man trifft nicht zuverlässig ins Pedal. Dank steifer Sohle kommt die Kraft noch gut aufs Pedal. Grip und Traktion bietet der Up Link im Gelände aber nur wenig. Der etwas erhöhte Schaft kann an den Knöcheln drücken. Geringe Belüftung und dickes Polster machen den Unparallel Bike-Schuh an warmen Tagen schnell schwitzig.
Bewertung:
Den Vaude könnte man als klassischsten Fahrrad-Schuh für Touren im Vergleich bezeichnen. Komfortabel gepolstert, gut belüftet, mit passabler Kraftübertragung und ordentlich griffig profilierter Sohle funktioniert er auf und abseits des Pedals. Leider läuft der Boa-Zug zäh durch die Schlaufen, so kommt nur wenig Zug am Vorfuß an, und die Ferse hat etwas Schlupf. An den Knöcheln und an der vordersten Schlaufe des Verschlusses kann auf Dauer etwas Druck entstehen. Der einzige Schuh mit “grüner Seele” im Test.
Bewertung:
¹BIKE-Messwerte
²Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig: super (ab 56 Punkten), sehr gut (55 bis 46 Punkte), gut (45 bis 36 Punkte), befriedigend (35 und weniger Punkte)