Einmal nehme ich noch richtig Schwung und schon taucht das Vorderrad in der wadentiefen Pfütze ab. Mein linker Fuß folgt wie ein U-Boot, das auf Schleichfahrt geht. Drei Meter weiter vorne taucht er wieder auf und badet nun knöcheltief im braunen Schmodder. Eigentlich war mir das Ergebnis schon klar, als ich kurz zuvor in den Gore-Tex-verkleideten Halbschuh von Scott gestiegen bin. Ein wasserdichter Bike-Schuh, der nur bis unter den Knöchel reicht? Kann nicht funktionieren, hatte ich noch gedacht. Aber das Kind im Manne wollte es einfach wissen.
Spontan schießt mir der Begriff Dachschindelprinzip durch den Kopf. Auch wenn es diesen vermutlich gar nicht gibt, lässt sich damit gut beschreiben, wie wasserdichte Bekleidung auf dem Bike funktioniert: Die Regenjacke sollte am Bund der Regenhose überlappen. Diese überdeckt wiederum den Schaft der Schuhe – nur dann kann das Wasser abfließen, ohne einzudringen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Mit kurzer Regenhose oder halbhoch geschnittenen Schuhen bekommt man unweigerlich nasse Füße. Auch eine Gamasche wie am Shimano hilft hier wenig, sofern sie, wie in diesem Fall, nicht wasserdicht ist.
Dauerhaft trocken bleibt man nur im HydraDri 7.0 von Leatt, dessen wasserdichte Konstruktion bis an den Wadenansatz reicht. Die übrigen Modelle muss man eher als Spritzschutz für Tage nach dem Regen sehen. Doch wäre dann ein klassischer Trail-Schuh nicht die schlauere Wahl? Hier zeigt sich in den letzten Jahren eine erstaunliche Entwicklung: Dank nahtloser Obermaterialien halten einige der Testmodelle ähnlich viel Spritzwasser ab wie die Regenschuhe. Vor allem, weil die Lüftungslöcher zum Teil mehr angedeutet als tatsächlich vorhanden sind.
Das fördert einen weiteren Nachteil sowohl der wasserdichten als auch der normalen MTB-Schuhe zutage. Wirklich luftig ist keines der Testmodelle. An heißen Sommertagen schmort man schnell im eigenen Saft – vor allem in Verbindung mit der teilweise üppigen Polsterung, die zusätzlich Feuchtigkeit aufnimmt. Richtig unangenehm wird’s aber erst, wenn nach einem Regenschauer die Nässe in den wasserdichten Schuhen steht und die Sonne die Füße im tropisch warmen Sumpf aufweicht.
MTB-Schuhe mit Regenmembran sind aus meiner Sicht ein Nischenprodukt mit sehr beschränktem Einsatzbereich. In den meisten Fällen wird ein klassischer Bike-Schuh die bessere Wahl sein. Eine preiswerte Alternative könnten beispielsweise auch wasserdichte Socken sein. – Stefan Frey - BIKE Testredakteur
Braucht es wirklich wasserdichte MTB-Schuhe? Wir wollten wissen, was ausgesprochene Vielfahrer dazu sagen und haben unseren Labor-Mitarbeiter Hans-Peter Ettenberger sowie den Transalp-Experten Peter Brodschelm vom Reiseveranstalter Fahrtwind gefragt.
Für mich als Vielfahrer machen wasserdichte MTB-Schuhe durchaus Sinn, weil ich auch an Regentagen unterwegs bin. Solange der Schuh bis unter die lange Regenhose reicht, bleibt man über Stunden trocken und bekommt auch beim Durchfahren von Pfützen keine aufgeweichten Füße. – Hans-Peter-Ettenberger, Bike-Labor-Mitarbeiter
Wasserdicht heißt meist auch relativ luftdicht. Bei einer Transalp hat man selten mehrere Etappen Dauerregen. An den oft sehr heißen Tagen hat man dann an Anstiegen einen schweren und dichten (heißen) Schuh dabei. Bei den Halbschuhen dringt Wasser unweigerlich über die Knöchel ein, der Schuh saugt sich voll und wird schwer. Ein zweites Paar Socken oder Überschuhe sind da cleverer. – Peter Brodschelm, Bike Guide & und Inhaber Fahrtwind
Der Fizik ist ein echter Hingucker, robust und mit solidem Zehenschutz ausgeführt sowie mit griffiger Vibram-Sohle ausgestattet. Zudem bringt er die Kraft ordentlich aufs Pedal. Weniger gelungen ist die etwas klobige Passform. Das sperrige Material passt sich nur schwer dem Fuß an, die Schnürung bringt wenig Zug auf den Fuß und auch die Ferse hat Schlupf. Überlappungen an der Zunge können für Druckstellen sorgen. Größtes Manko: Die Gore-Tex-Membran reicht nur bis an den Mittelfuß.
Mit seiner langen Gamasche ist der Leatt der einzige Schuh im Test, in dem man auch längere Regenfahrten trocken übersteht. Unter der Gamasche befindet sich ein normaler Halbschuh mit sehr clever gelöster Schnellschnürung und hohem Tragekomfort – nur die Ferse könnte etwas mehr Halt vertragen. Auf dem Pedal steht der HydraDri sicher, die steife Sohle sorgt für guten Vortrieb. Beim Schieben stört das flache, wenig griffige Profil. Hat man sich erst mal in dem Leatt reingeschält, geht’s mit Spaß durch die Pfützen.
Wie beim Fizik reicht auch beim Scott die Membran nur bis zum Mittelfuß – eine große Pfütze oder viel Regen und schon steht man im Wasser. Die Passform mit schmalem, flachem Zehenbereich und weiter Ferse ist gewöhnungsbedürftig, der Halt nur mäßig, weil der Boa-Verschluss den Fuß nicht optimal fixiert. Das grobe Profil gibt guten Halt im Gelände. Auf dem Pedal steht man mit dem Trail Evo allerdings etwas wacklig. Auch die Kraftübertragung ist nur mäßig – hier empfiehlt sich ein Pedal mit großem Käfig.
Shimanos EX700 ist ein top Schuh für Abenteuer-Touren mit erweitertem Nässe-Schutz. Die Gamasche hält Schmutz fern, ist aber leider nicht wasserdicht – auch hier reicht die Membran nur bis zum Mittelfuß. Clever gelöst: Der Boa-Verschluss mit seinen drei Riemen verteilt den Druck sauber über den Fuß und sorgt für ordentlichen Halt. In Verbindung mit dem griffigen Profil meistert man auch längere Schiebepassagen. Ungewohnt: Der Cleat-Kanal sitzt recht weit hinten und bietet wenig Verstellbereich.
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