Bikes, Zubehör, Klamotten und jetzt: Schuhe! Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sich der Koblenzer Versender in seinem Sortiment bis zu unseren Füßen vorarbeitet. Speziell für Mountainbiker und teils auch für den Gravel-Einsatz hat Canyon inzwischen zwei Modelle im Angebot.
Den leichten Tempr CFR, den wir ebenfalls schon ausgiebig testen konnten, schiebt der Hersteller für Race-Piloten an die Startlinie. Mit dem ebenfalls neuen Scampr zielt Canyon auf alle Stollen-Biker, die das Abenteuer abseits befestigter Wege suchen – Gravelbiker sind hier ausdrücklich eingeschlossen, auch wenn der Scampr weniger wie ein Schuh für Schmal-Bereifte wirkt.
159,95 Euro verlangt Canyon für den Scampr, was für einen Bike-Schuh in der heutigen Zeit, traurigerweise, gar nicht mal so teuer ist. Wie zu erwarten, packt der Versender dafür aber auch ordentlich Ausstattung in seinen neuesten Wurf. Den hochwertigen Li2 Drehverschluss von Boa, der eine Anpassung in beide Richtungen ermöglicht, sucht man in dieser Preisklasse ansonsten vergeblich.
Boa-Verschluss defekt? In unserer How-to-Anleitung erklären wir, wie ihr die praktischen Drehrädchen in wenigen Schritten selbst austauschen könnt.
Auch sonst zeigt die Konstruktion des Canyon-Schuhs viel Liebe zum Detail. Auf eine klassische Zunge verzichtet der Scampr. Stattdessen umschließt stretchiges Mesh-Gewebe den Fuß vollflächig wie eine Art Socke, was Druckstellen verhindern und die Luftdurchlässigkeit erhöhen soll. Damit der Fuß trotz der komfortablen Konstruktion fest im Schuh sitzt, verteilen drei breite Laschen den Zug des Boa-Systems großflächig über den Fußbogen. Auch eine hochwertige Solestar-Einlage mit leichter Pelotte ist alles andere als selbstverständlich in diesem Preisbereich. Den Kontakt zum Boden stellt der Scampr über eine mit Vibram zusammen entwickelte Laufsohle her.
Der Fit des Canyon Scampr wurde laut Hersteller anhand einer ausführlichen Datenanalyse entwickelt. Klar ist, dass kein Schuh optimal zu jedem Fuß passen kann. Doch aus unserer Sicht haben die Koblenzer bei ihrem Erstlingswerk vieles richtig gemacht. Während Mittelfuß und Ferse etwas enger vom Schuh umschlossen werden, bleibt an den Zehen mehr Platz und Bewegungsfreiheit, was sich vor allem auf längeren Touren als Komfort-Booster herausgestellt hat.
Druckstellen? Dank des flexiblen Mesh-Materials kein Thema. Weder im Bereich der “Zunge”, noch an den Knöcheln fällt der Scampr unangenehm auf. Die Ferse wird bei Antritten und auch beim Laufen fest im Schuh gehalten. Dafür ist hauptsächlich die durchdachte Verschluss-Konstruktion des Canyon Scampr mit ihren drei breiten Lachen verantwortlich, mit der sich erstaunlich viel Zug auf den Fuß bringen lässt. So leicht wie bei einem normalen Schuh gelingt der Einstieg zwar wegen der “Wrap-around-Zunge” nicht, sofern der Boa-Verschluss weit genug geöffnet ist, flutscht der Fuß aber auch so ohne großen Kraftaufwand an seinen Platz.
Bei der Sohlenkonstruktion ist Canyon ein guter Kompromiss aus Steifigkeit und Abrollkomfort gelungen. In Verbindung mit dem guten Halt bringt man ordentlich Kraft aufs Pedal. Ein- und Ausklicken ist dank des langen Pedalkanals auch mit Schmodder an den Füßen kein Problem. Dennoch funktioniert der Scampr am besten, wenn er von einem etwas größeren Pedalkörper gestützt wird. Für kleine Race-Pedal-Käfige ist der Schuh aus unserer Sicht zu wenig steif.
Kritik gibt es vor allem für die Sohle. Mit feuchten Böden, rutschigen Wurzeln oder glatten Felsen kommt das Profil trotz Vibram-Gummi nur schlecht zurecht. Schiebepassagen durch den herbstlichen Mix aus modrigen Blättern und matschigen Böden werden schnell zur Rutschpartie. Von einem Schuh für Gravel-Abenteuer und Trail-Experimente hätten wir uns mehr erwartet.
Angenehm dagegen ist das erstaunlich luftige Material. Während die Füße in vielen aktuellen Trail-Schuhen zumindest an heißen Tagen dahindampfen wie in Plastiktüten, herrscht im Scampr meist ein gut erträgliches Klima.
Schuhe gibt es eigentlich schon genug, doch ständig kommen neue Marken und Modelle dazu. Braucht es jetzt also auch noch Schuhe vom Bike-Versender? Aus rein funktioneller Sicht muss ich sagen, ja: denn Canyon macht mit dem Scampr vieles richtig. Die Ausstattung mit hochwertigem Boa-Verschluss, Solestar-Einlage und Vibram-Sohle sucht zu diesem Preis ihres gleichen. Passform und Tragekomfort sind ebenfalls gelungen. Die sockenähnliche Zunge und luftiges Mesh schmeicheln dem Fuß. Der dreilaschige Boa-Verschluss läuft super und fixiert Fuß und Ferse sicher im Schuh, was die Kraftübertragung fördert. Den Zehen lässt Canyon dafür mehr Raum, was den Komfort auf langen Touren fördert. Weniger gelungen ist die Vibram-Sohle, die nur auf einfachem, trockenem Terrain gut zurechtkommt. Sobald es feucht und rutschig wird, fehlt der Grip – nicht optimal für einen Abenteuer-Schuh. Ansonsten hat der Scampr aber rundum überzeugt.
+ sehr gute Ausstattung zum fairen Preis
+ komfortable Passform und solide Kraftübertragung
+ durchdachtes Anpassungssystem
+ nicht zu schwitzig auch an warmen Tagen
- schwaches Profil mit wenig Grip
- auf Pedalen mit kleinem Käfig nicht ideal
Ein MTB-Schuh für alle Fälle? Gar nicht so leicht. Allround-Modelle müssen nicht nur ordentlich Kraft aufs Pedal bringen, sondern auch bei Schiebe- und Tragestücken eine gute Figur machen. Welcher Tourenschuh schafft den Spagat zwischen den Anforderungen am besten? Wir haben sechs aktuelle MTB-Schuhe für den Trail- und Enduro-Einsatz getestet.