Stefan Frey
· 27.06.2024
Im Bikepark gelten Torso-Protektoren seit jeher als unverzichtbar. Schützen sie doch die knöcherne Mitte des Körpers und das im Wirbelkanal liegende lebenswichtige Rückenmark. Doch auch auf dem Enduro oder auf dem Trailbike greifen immer mehr Biker zum Brust- und Rückenpanzer – dank gestiegenem Risikobewusstsein, neuen Materialien und nicht zuletzt dem Trend zu Protektoren, die stylish über dem Jersey getragen werden können.
Der schwedische Schutzausrüster Poc hatte mit seinem VPD System Torso diesen Trend vor ein paar Jahren ins Rollen gebracht. Kürzlich ist auch der Münchner Taschen- und Schoner-Spezialist Evoc mit seinem Torso Protector auf diesen Zug aufgestiegen. Beide, Evoc und Poc, haben wir bereits in einem separaten Artikel getestet.
Allerdings sind beide Protektoren von Poc und Evoc etwas schwerer und unflexibler als etwa Rückenprotektoren mit D3O- und Sas-Tec-Schäumen. Hier punkten vor allem die leichten Modelle von Ion und Scott.
Sie sind zwar nach dem geringeren Level 1 zertifiziert, bei dem im Schnitt maximal 18 kN Restkraft an den Körper durchdringen dürfen. Dafür können die Protektoren dünner und auch flexibler ausfallen. Top für Biker, die einen leichten Schutz für anspruchsvolle Trails suchen.
Umso erstaunlicher ist, dass der Scott an Brust und am Rücken sogar das hohe Level 2 erfüllen würde. Hier dürfen die Restkräfte maximal 9 kN betragen. In der Regel schaffen das nur Modelle mit wesentlich dickeren und somit auch schwereren sowie unflexibleren Protektor-Pads. In diesem Punkt hat die Ion-Weste eindeutig das Nachsehen. Vor allem an der Brust bietet die AMP Protektorenweste mit 16,67 kN Restkraft deutlich weniger Schutz.
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Die Bauweise der beiden Protektoren unterscheidet sich grundlegend. Ion setzt auf eine per Reißverschluss zu öffnende Weste als Trägermaterial für den Schoner und integriert zusätzlich zwei kleine Rückentaschen im leichten Gewebe.
Bei Scott dagegen ist das D3O-Pad außen lediglich mit einem dünnen Mesh bezogen. Auf der Innenseite des Schoners setzen die Schulterträger und die seitlichen Klett-Straps direkt am Trägermaterial an.
Die Scott ist somit eine Hybrid-Weste, die man sowohl unter als auch über dem Trikot tragen kann – je nach Style-Vorliebe - aber auch je nach Wetterlage. An heißen Tagen zieht man den Scott-Protektor einfach über das Shirt, an schlechten Tagen unter die entsprechenden Bekleidungsschichten.
Auch wenn die finale Note nur mittelmäßig ausfällt: Die Ion Protektorenweste ist ein absoluter Tipp für Trailbiker, die für etwas anspruchsvollere Einsätze einen leichten Schutz suchen. Beide Pads erfüllen zwar nur das niedrigere Level 1, dafür sind sie angenehm flexibel und schmiegen sich gut dem Träger an. Die Weste, in die sie eingearbeitet sind, sitzt wie eine zweite Haut und wirft keinerlei Falten.
Nach kurzer Fahrt mit der Ion Protektorenweste hat man eigentlich schon vergessen, dass man einen Oberkörperschutz trägt – außer an heißen Tagen, da kann es in der Ion schnell schwitzig werden, weil Material und Protektor eher luftundurchlässig sind. Seitlich am Rücken nehmen zwei Taschen etwas Zubehör auf. Der Reißverschluss fällt sehr filigran aus und könnte auf Dauer eine Schwachstelle darstellen.
Weil die Softcon Air auf eine Weste als Trägermaterial verzichtet, über den Protektoren aber dennoch eine dünne Stoffschicht bietet, lässt sie sich sowohl über als auch unter dem Jersey tragen. Erstaunlich: Rücken UND Front würden in unserem Test Level 2 der Prüfnorm erfüllen. Damit bietet die Scott bei äußerst geringem Gewicht ein enormes Maß an Schutz. Nur der Rückenpanzer könnte noch etwas weiter nach unten reichen.
Zwei dehnbare Klettbänder fixieren die Softcon sehr satt am Körper. Durch den hohen Flex der D3O-Pads bleiben dabei Tragekomfort und Beweglichkeit auf dem Bike angenehm hoch. Die Softcon ist sehr viel-seitig einsetzbar und funktioniert auf technischen Trailtouren unter dem Shirt genauso wie auf ruppigen Parkabfahrten als äußere Schicht.
¹BIKE-Messwerte. ²Das Schutz-Level bezieht sich auf die offizielle Angabe des Herstellers. ³Die BIKE-Note ist preisunabhängig. Die BIKE-Bewertung orientiert sich am Schulnotensystem mit den Bewertungsstufen 1 bis 5.
Die Stoßdämpfung ist das wichtigste Kriterium bei Protektoren und fließt deshalb mit 50 % bei den Knie- bzw. 60 % bei den Rückenschonern in die Wertung ein. Wir prüfen auf den Prüfständen der Sas-Tec GmbH sowie von Evoc in München in enger Anlehnung an die Motorrad-Prüfnormen EN 1621-1: 2012 (Knie) und EN 1621-2: 2014 (Rücken). Bei den Rückenprotektoren wird ein stabförmiger Fallkörper mit der Grundfläche 160 x 50 mm ebenfalls mit einem Gewicht von fünf Kilogramm verwendet. Die kinetische Energie muss beim Aufprall 50 J betragen. Hier wird die verbleibende Restkraft in kN angegeben. Je höher die Werte, desto geringer der Schutz.
Sitz, Tragekomfort und Belüftung eines jeden Schoners haben wir mit insgesamt drei Testern überprüft. Mit jedem Modell haben wir dabei eine Strecke von ca. 20 Kilometern zurückgelegt. Die einzelnen Punkte fließen zu unterschiedlichen Anteilen in die Bewertung ein.