Unkomfortabel, unflexibel und schwitzig – Argumente gegen das Tragen von Rückenprotektoren oder Protektorenwesten gibt es viele, und zum Teil sind sie auch nachvollziehbar. Doch in den letzten Jahren hat sich dank innovativer Materialien viel zum Guten verändert.
Die Erfindung viskoelastischer Schäume war ein Gamechanger im Bereich der Körperprotektoren. Im Gegensatz zu den klassischen Hartschalen, mit denen Biker oft wirkten wie Ritter in Rüstungen – und sich meist auch so fühlten –, besitzen die Spezialschäume Eigenschaften, dank derer sie sich für den Einsatz im Bikesport bestens eignen.
Durch ihre Flexibilität passen sie sich gut der Anatomie und den Bewegungen des Körpers an. Trotz ihrer hervorragenden Dämpfungseigenschaften sind Schäume wie D3O oder Sas-Tec wesentlich leichter als Hartschalenprotektoren. Sie reagieren spontan und ohne Zeitverzögerung selbst auf kleine Schläge und nehmen anschließend ihre Ausgangsform wieder an – das heißt: Sie vertragen auch mehrere Stürze auf dieselbe Stelle, ohne ausgetauscht werden zu müssen.
Nachteil: Es gibt die Protektoren nur als einzelne Pads, die dann in den Strumpf eines Knieschoners eingesetzt oder in den Rückenprotektoren verbaut werden. Somit trägt man immer eine zusätzliche Schicht auf dem Körper – vor allem an heißen Tagen schwitzig und unangenehm. Zudem reagieren die Schäume auf Hitze häufig negativ, werden weicher und verlieren einen Teil ihrer Schutzwirkung.
>> Duell – Rückenprotektoren-Test #1: Vorreiter bei den Torso-Protektoren Poc VPD System Torso gegen Neuling Evoc Torso Protector (gerade geöffnet)
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Hier setzt Evoc mit einem ganz neuen Material an. Beim Liteshield Flex handelt es sich, im Gegensatz zu den übrigen Schäumen, um einen im Spritzguss-Verfahren gefertigten Protektor, der besonders temperaturunempfindlich sein soll und über einen weiten Bereich seine schützenden Eigenschaften behält.
Auch dadurch benötigen die Rückenprotektoren von Evoc keinen zusätzlichen Layer, in den sie eingesetzt werden müssen, sondern dienen selbst als Träger für die sechs Riemen, über die sie an den Körper angepasst wird. Ähnlich funktioniert auch der VPD System Torso von Poc, der wie der Evoc auch die Temperaturanforderung der Prüfnorm von -20° C bis +40° C erfüllt.
Optisch unterscheidet die beiden Rückenprotektoren nur wenig: Beide besitzen sowohl eine stabile Brust als auch eine große Rückenplatte. Diese werden jeweils von sechs Riemen zusammengehalten, die sich zusätzlich an den Träger anpassen lassen. Während Poc beim Verschluss auf klassische Druckknöpfe setzt, spendiert Evoc seinem Torso Protector innovative und praktischere Magnetverschlüsse. Zudem bietet die Evoc-Weste die Option, eine kleine Rückentasche am Protektor anzubringen – ebenfalls per Magnetverschluss. Hier können Tools oder Proviant verstaut werden.
Den größten Unterschied zwischen den beiden Rückenprotektoren offenbart ein Blick auf die Zertifizierung. Während der Liteshield Flex Protektor von Evoc am Rücken auch für beide Temperaturbereiche T- und T+ freigegeben ist und zudem das hohe Schutzlevel 2 der EN 1621-2 erfüllt, besitzt der Poc lediglich die Level-1 Zertifizierung.
Das spiegelt sich in unserem Test auch in den Labormessungen wieder: Mit 6,36 kN Restkraft im Durchschnitt liegt der Evoc-Schoner noch mal deutlich unter der Poc-Weste mit einer Restkraft von 11,28 kN. An der Brust liegen die beiden Protektoren auf ähnlichem Niveau und erfüllen beide die Level-1-Norm mit 11,71 kN (Evoc) und 12,15 kN (Poc)
An heißen Tagen im Park oder auf Endurostages sind Rückenprotektoren wie der Evoc ein Segen – sie sind gut belüftet und kommen ohne zusätzliche Stoffschicht aus. Zusätzlich liefert der Torso Protector exzellente Werte im Labor, und das über das gesamte Temperaturspektrum – allerdings ist das gespritzte Material insgesamt etwas unflexibler als die Schäume von D3O oder SAS-Tec.
Der Tragekomfort ist dennoch hoch, weil sich der Evoc über sechs Riemen sauber anpassen lässt. Leider laufen sie aber ähnlich schwer wie bei Poc. Die Magnetverschlüsse sind jedoch deutlich angenehmer und erleichtern das An- und Ausziehen. Wer möchte, kann am Rücken über weitere Magnetclips eine kleine Tasche für Werkzeug oder Proviant anbringen. Probleme mit Druckstellen hatten wir während des Tests keine.
Mit dem Poc System Torso haben die Schweden den Trend zu Rückenprotektoren losgetreten, die über dem Jersey getragen werden. Zwar erfüllt der Poc-Torso nur Schutzlevel 1, dafür deckt er vorne wie hinten eine immense Fläche ab. Diesen Schutz erkauft man sich mit sehr hohem Gewicht und etwas weniger Flexibilität, was die Beweglichkeit auf dem Trail leicht einschränkt.
Der Brustpanzer kann in gebeugter Haltung auf das Zwerchfell drücken. Die Verstellung der Riemen läuft sehr hakelig, zudem ist der Verschluss über die Druckknöpfe recht mühsam, die erst durch eine Lasche gefädelt werden müssen. Am Hals liegen die Gurte etwas nahe an und sind hier nicht verstellbar. Wie auch der Evoc ist der Poc-Protektor sehr temperaturstabil und erfüllt die Norm auch bei T+ (+40 °C) und T- (-20 °C).
Die Stoßdämpfung ist das wichtigste Kriterium bei Protektoren und fließt deshalb mit 50 % bei den Knie- bzw. 60 % bei den Rückenschonern in die Wertung ein. Wir prüfen auf den Prüfständen der Sas-Tec GmbH sowie von Evoc in München in enger Anlehnung an die Motorrad-Prüfnormen EN 1621-1: 2012 (Knie) und EN 1621-2: 2014 (Rücken). Bei den Rückenprotektoren wird ein stabförmiger Fallkörper mit der Grundfläche 160 x 50 mm ebenfalls mit einem Gewicht von fünf Kilogramm verwendet. Die kinetische Energie muss beim Aufprall 50 J betragen. Hier wird die verbleibende Restkraft in kN angegeben. Je höher die Werte, desto geringer der Schutz.
Sitz, Tragekomfort und Belüftung eines jeden Schoners haben wir mit insgesamt drei Testern überprüft. Mit jedem Modell haben wir dabei eine Strecke von ca. 20 Kilometern zurückgelegt. Die einzelnen Punkte fließen zu unterschiedlichen Anteilen in die Bewertung ein.
¹BIKE-Messwerte. ²Das Schutz-Level bezieht sich auf die offizielle Angabe des Herstellers. ³Die BIKE-Note ist preisunabhängig. Die BIKE-Bewertung orientiert sich am Schulnotensystem mit den Bewertungsstufen 1 bis 5.