Biken gilt als besonders schonend für die Gelenke. Die kreisförmige, regelmäßige Bewegung pumpt Blut durch die Gelenkknorpel, wodurch vermehrt Gelenkflüssigkeit produziert wird. Das Knie wird quasi geschmiert wie ein Lager mit der Fettpresse. Die Kehrseite der Medaille: Die hohe Sturzgefahr beim Mountainbiken birgt auch gehörige Risiken. Laut einer Statistik der AGA (Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie) sind drei Viertel aller Verletzungen Schürfwunden, Platzwunden und Prellungen der unteren Extremität. Zumindest am Knie ließen sich viele der Verletzungen verhindern oder zumindest abschwächen. Doch Knieschoner haben noch immer keinen allzu guten Ruf: schwitzig, schwer und unbequem – so lauten die gängigen Vorurteile.
Mag sein, dass das vor einigen Jahren noch zutreffend war, als man versuchte, mithilfe von hartschalenbedeckter Schaumpolster die Einschläge abzufangen. Doch die Einführung sogenannter viskoelastischer PU-Schäume hat den Knieschoner-Markt einmal auf links gekrempelt. Ihre Eigenschaften sind geradezu phänomenal: Sie sind leicht, sprechen selbst bei geringen Krafteinwirkungen ohne Verzögerung an und nehmen schon nach kurzer Zeit wieder ihre ursprüngliche Form an. Zudem sind die PU-Schäume im Gegensatz zu vielen anderen Dämpfungsmaterialien mehrschlagfähig und passen sich flexibel der Anatomie des Trägers an.
Für unseren aktuellen Test haben wir ein Gewichtslimit von 400 Gramm für das Paar in Größe L gesetzt. Alles, was darüber liegt, empfiehlt sich eher für den Einsatz im Bikepark und ist mehr auf maximalen Schutz im Downhill als auf Tragekomfort und Belüftung ausgelegt. Zwölf Knieschoner haben diese Hürde genommen und wurden von uns sowohl im Labor als auch in der Praxis ausgiebig getestet.
Die leichten Trail-Schoner schneiden im Labor zum Teil kaum schlechter ab als schwere Modelle für den Bikepark. Weil ihnen aber die Klett-Straps zur besseren Fixierung fehlen, ist eine optimale Passform hier besonders entscheidend. - Stefan Frey, BIKE-Testredakteur
Selbstverständlich müssen alle Knieschoner, die in Deutschland in den Verkauf gehen, die Normprüfung EN 1621-1:2012 bestehen. Dass es innerhalb dieser Grenzen jedoch große Unterschiede gibt, beweist unser Test. Mit gerade mal 9,57 kN Restkraft würde der Flow 2.0 von IXS auch locker das schwere Level 2 der Norm erfüllen. Pearl Izumis Summit nimmt dagegen mit 30,76 kN nur knapp die Hürde zu Level 1.
Das ist ein gewaltiger Unterschied, bestätigt Sas-Tec-Experte Holger Hertneck. Um es etwas bildhafter zu machen, könnte man es mit dem Bremsweg eines Pkw vergleichen. Es ist, als würde ein Fahrzeug schon nach 30 Metern zum Stehen kommen, ein anderes erst nach 60. Die Folgen kann sich jeder selbst ausmalen.
Unser aufwändiges Testprozedere für Knieschoner besteht zum einen aus einem ausgiebigen Praxistest, zum anderen aus der Laborprüfung. Sie möchten mehr über den Ablauf wissen? Wir haben alle wichtigen Infos in einem eigenen Artikel zusammengefasst.
Sie wollen genauer wissen, wie wir die Knieschoner getestet haben? Lesen Sie mehr dazu in unserem “So testet BIKE” Artikel.
Erstaunlich, wie gut selbst die leichten Trail-Protektoren vor Verletzungen schützen. Die besten Modelle können sogar mit guten Bikepark-Knieschonern mithalten.
Für eine bessere Übersicht haben wir alle Werte der getesteten Knieschoner in einer einzigen Tabelle zusammengefasst. Den ausführlichen Test zu den jeweiligen Modellen finden Sie hinter den Modellbezeichnungen weiter oben im Artikel.
Es ist auf jeden Fall besser, einen leichten Schoner zu tragen, als gar keinen! – Holger Hertneck, COO/Prokurist SAS-TEC GmbH, im Interview
BIKE: Die Knieschoner im Test machen teils keinen allzu soliden Eindruck – kann ich mich auf ihre Schutzwirkung verlassen?
Holger Hertneck: Zumindest was die Impact-Prüfungen anbelangt, bieten auch die leichteren Trail-Schoner im Testfeld normgerechten Mindestschutz. Und auf alle Fälle ist es besser, einen leichten Protektor zu tragen, als gar keinen! Allerdings sollte man auf guten Sitz achten, der ist bei Light-Schonern aufgrund zumeist fehlender Fixiermöglichkeiten oft etwas kritisch.
Worauf sollte ich beim Schonerkauf achten?
Nach Möglichkeit Schoner mit Markenprotektoren verwenden. Ein nach Motorradnorm EN 1621-1:2012 geprüfter Protektor ist die Mindestanforderung. Ob ein Level-1-Protektor genügt oder ob es das höhere Schutzlevel 2 sein soll, muss jeder für sich entscheiden. Schließlich schränken dickere, schwerere Kandidaten zumeist die Beweglichkeit etwas ein. Ganz wichtig: eine Anprobe oder sogar Probefahrt, um den perfekten Sitz zu prüfen.
Sollte ich nach einem Sturz den Schoner tauschen?
Wenn hochwertige Marken-Schaumprotektoren drin stecken, können Schoner zumeist bedenkenlos weiterverwendet werden – ein visueller Check, ob Risse oder Ausbrüche entstanden sind, vorausgesetzt Hartschalenprotektoren und minderwertige Schäume sind nach einem Impact meist hinüber (zu sehen an irreversiblen Verformungen). Ähnlich wie bei Helmen, deren EPS- oder EPP-Schale nach einem Einschlag komprimiert bleibt und nicht mehr den vollen Schutz bietet.
Stichwort Pflege: Teilweise können die Protektoren nicht aus dem Strumpf entnommen werden. Kann ich sie einfach mitwaschen?
Diese Angabe sollte sich auf den Wasch-Labels am Produkt befinden. Wir von SAS-TEC empfehlen, die Schaumprotektoren vor dem Waschen herauszunehmen, da die Belastungen beim Waschen in der Maschine nicht absehbar sind (Stichworte: Temperatur, Waschmittel, Füllgrad, Schleudergang). Manuelle Handwäsche ist hingegen gar kein Problem.
Oft heißt es, bei Kälte seien die Schaumprotektoren nicht zu gebrauchen, weil sie verhärten.
Alle hochdämpfenden viskoelastischen PU-Schäume werden bei niedrigen Temperaturen steifer und bei hohen weicher. Das liegt an Ihren physikalischen Eigenschaften. Solange die Protektoren jedoch körpernah getragen werden, sollten kalte Bedingungen kein Problem sein, da sie durch die Körperwärme schnell auf Betriebstemperatur kommen.