Stefan Frey
· 24.06.2024
Sicherheit ist mehr als ein kühler Wert aus dem Testlabor. Klar, ein Knieschoner, der die Einschläge ungefiltert an den Körper weiterreicht, macht überhaupt keinen Sinn. Doch Sicherheit ist eben auch ein Gefühl. Es stellt ein Gleichgewicht im Körper her, durch das man sich geborgen fühlt. Der Körper entspannt und kann sich auf das Wesentliche fokussieren, auf das Gelände, das vor einem liegt.
Auch wenn die leichten Trailschoner, die wir in BIKE 3/24 getestet haben, erstaunlich gute Werte im Labor ablieferten und zum Teil sogar mit den schweren Bikeparkprotektoren mithalten können, vermitteln die acht Heavy-Duty-Knieschoner in diesem Test doch wesentlich mehr Sicherheit.
Das liegt an mehreren Faktoren: Während die Trailschoner für mehr Komfort in der Regel nur aus einem leichten Strumpf und dem Protektor bestehen, sind die Parkschoner meist zusätzlich dick mit Schaumpads gepolstert und aus robustem Neopren gefertigt. Das hat zwar kaum einen Einfluss auf die Schutzwirkung, dafür aber einen nicht zu unterschätzenden mentalen Effekt. Man fühlt sich einfach gut eingepackt.
Zudem sitzen die schweren Schoner meist wesentlich stabiler am Knie. Weil sie weniger aufs Treten ausgelegt sind, können sie besser an die abgewinkelte Position des Knies vorgeformt sein. Obendrein verbessern Klettstraps den Halt.
Als optimal für den Einsatz im Bikepark oder schweren Enduro-Stages hat sich im Test eine Kombination aus zwei Kletts erwiesen. Den Riemen am Oberschenkel findet man an allen getesteten Modellen. Ein weiterer Strap über der Wade verbessert den Sitz noch einmal spürbar.
Je weniger Stretch das Material aufweist, desto weniger läuft man Gefahr, dass der Schoner beim Sturz nach unten gezogen wird – eines der Hauptprobleme bei den leichten Trailschonern. Auch sogenannte Slide-Plates verbessern den Halt beim Bodenkontakt. Die Kunststoffplatten über dem Knie gleiten deutlich besser als etwa das robuste Corduragewebe, das man an einigen der klassischeren Protektoren findet.
Die Möglichkeit, den Schoner zum An- und Ausziehen über Klettverschlüsse oder einen Reißverschluss zu öffnen, konnte übrigens keinen der Tester wirklich überzeugen. Sie verschlechterte teilweise den Tragekomfort und stellt eine unnötige Defektquelle dar – was nicht gerade förderlich für ein sicheres Gefühl in heftigen Abfahrten ist.
Die Unterschiede bei den Laborwerten sind erstaunlich groß. Es macht einen deutlichen Unterschied, ob das Knie bei einem Einschlag etwa 9 kN einstecken muss oder zum Teil annähernd das Doppelte. Einige der Trailschoner aus unserem letzten Test in BIKE 3/24 können sogar mit den schlechteren Bikeparkprotektoren mithalten.
Die Stoßdämpfung ist das wichtigste Kriterium bei Protektoren und fließt deshalb mit 50 % bei den Knieschonern in die Wertung ein. Wir prüfen auf den Prüfständen der Sas-Tec GmbH sowie von Evoc in München in enger Anlehnung an die Motorrad-Prüfnorm EN 1621-1: 2012. Hier fällt ein fünf Kilogramm schwerer Stahlkörper mit der Grundfläche 80x40 mm aus einem Meter Höhe auf den Schoner, der auf einem Amboss mit halbkugelförmigem Radius (r = 50 mm) aus poliertem Stahl liegt. Unter dem Amboss befindet sich eine Kraftmessdose, welche die Kräfte aufnimmt. Dargestellt werden diese als die Restkraft in kN, die auf das Knie wirkt. Je höher die Werte, desto geringer der Schutz. Die Prüftemperatur beträgt 23 Grad Celsius.
Flache Kurve, stumpfe Spitze – so sieht das perfekte Dämpfungsverhalten mit niedrigen Restkraftwerten aus. Rauscht der Schlag durch den Schoner und erzeugt dabei einen spitzen, hohen Peak, wirken über einen kurzen Zeitraum extreme Kraftspitzen aufs Knie, und die Verletzungsgefahr steigt deutlich.
Sitz, Tragekomfort und Belüftung eines jeden Schoners haben wir mit insgesamt drei Testern überprüft. Mit jedem Modell haben wir dabei eine Strecke von ca. 20 Kilometern zurückgelegt. Die einzelnen Punkte fließen zu unterschiedlichen Anteilen in die Bewertung ein.
Wie gut und wovor können Knieschoner überhaupt schützen? Darüber haben wir mit Dr. med. Alfred Hochrein gesprochen. Der Orthopäde ist Knie-Spezialist und selbst enthusiastischer Mountainbiker. Er weiß um die Gefahren, die in technischen Abfahrten und heftigen Downhills lauern.
BIKE: Wovor kann ein Schoner überhaupt schützen? Gerade hat sich Jackson Goldstone alle Bänder zerfetzt. Da bringt ja auch ein Schoner nichts.
DR. ALFRED HOCHREIN: So ist es. Meines Wissens hat er sich das Innenband und das vordere Kreuzband am linken Knie gerissen und ist mittlerweile operiert worden. Solche Bandverletzungen entstehen in der Regel durch Verdrehungen, da hilft leider auch ein Knieschoner wenig.
Gegen was schützt ein Knieschoner dann, und wogegen nicht?
Prellungen, Platz-/Risswunden, Schürfwunden und durch direkten Anprall entstehende Frakturen können durch einen Protektor verhindert oder zumindest in ihrem Ausmaß minimiert werden. Vor Band- und Meniskusverletzungen sowie vor Frakturen durch Verdrehungen oder Biegemomente kann auch ein Schoner nicht schützen.
Es gibt fette Protektoren, die bis zu 95 Prozent der Aufprallwucht abpuffern. Und leichte Enduro- oder Trailschoner, die nur es nur auf 60 bis 70 Prozent bringen. Machen die leichten Schoner Sinn?
Ein Schoner, der vom Knie rutscht, nützt nichts, egal wie viel Aufprall er theoretisch puffern könnte. Daher würde ich sicheren Sitz höher bewerten. Insgesamt würde ich es aber durchaus vom Einsatzzweck abhängig machen: für reinen Downhilleinsatz eher den potenteren Schoner, für Enduro/Trail auch mal einen leichteren Schoner, der sich noch gut pedalieren lässt.
Mythos oder wahr? Bei Kälte in Shorts radeln steigert das Risiko für Entzündungen zum Beispiel von Sehnen.
Natürlich sinkt bei geringeren Temperaturen auch die Durchblutung und Elastizität von Sehnen und Muskeln. Allerdings sehe ich in Bezug auf derartige Entzündungen die Gefahr eher in winterlichen Trainingsdefiziten und schlecht eingestellter Sitzposition oder Cockpit.
Manche sagen, die Ellbogen seien gefährdeter als die Knie. Stimmt das?
Meine Ellenbogenschoner haben sicher schon mehr abgekriegt als meine Knieschoner. Als Kniespezialist sind mir die nichtsdestotrotz sehr wichtig.
Welche typischen Knieverletzungen begegnen dir beim Mountainbiken. Wie sind die zu verhindern?
Aufwärmen und Dehnen hilft gegen Sehnenreizungen und Überlastung. Vor Prellungen und Schürfwunden schützen Protektoren. Band-, Meniskus- und Knorpelverletzungen lassen sich nur schwer verhindern. Gegebenenfalls das Sturzverhalten trainieren und rechtzeitig ausklicken, sofern man mit Klickpedalen fährt.