Test Endura MT500 Weste vs. POC VPD System TorsoProtektoren-Westen im Vergleich

Laurin Lehner

 · 15.09.2023

Test Endura MT500 Weste vs. POC VPD System Torso: Protektoren-Westen im VergleichFoto: Lars Scharl
Die Protektoren-Westen von Endura (links) und POC (rechts) im Vergleich.
Rückenprotektoren gehören beim Park-Besuch zur Pflicht. Wir haben die neue Protektoren-Weste Endura MT500 gegen die aktuellste Version des POC VPD System Torso getestet und verglichen. Außerdem: Experten-Tipps von TÜV und Medizin zum besten Schutz beim Biken.

Felsen, Steine, Wurzeln, Kanten, Schotter – wer mit dem Mountainbike stürzt, fällt selten weich. Rückenprotektoren sollen das Schlimmste verhindern und die filigrane Wirbelsäule schützen. Wir haben zwei Protektoren-Westen in der Praxis getestet, die zusätzlich zum Rückenschoner auch Brustprotektoren vorweisen: die Endura MT500 Weste und den Poc VPD System Torso.

Muskeln reichen – das ist Quatsch!

Fette Muskelstränge am Rücken seien die beste Garantie, um die Wirbelsäule zu schützen, glauben Hardliner. “Das ist Quatsch!”, weiß Wirbelsäulen-Experte Prof. Dr. Christoph Siepe aus München.

Man müsse nur mal mit den Fingern über den Rücken tasten, um festzustellen, wie dicht die knöchernen Dornfortsätze unter der Haut liegen. “Beim Aufprall werden die Muskeln plattgedrückt, die Knochen brechen – da hilft nur Schaum, der den Aufprall effektiv absorbiert”, erklärt Siepe.

Um die empfindliche Wirbelsäule optimal zu schützen, sollte der Protektor sie möglichst komplett bedecken, von Nacken bis Steißbein – ohne dabei die Bewegungsfreiheit einzuschränken und einem im schlimmsten Fall das Gefühl zu geben, regelrecht eingeschränkt zu sein. Das kann einen so ablenken, dass dadurch die Gefahr eines Unfalls sogar steigt.

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Der POC VPD System Torso ist schon eine ganze Weile im Programm des schwedischen Protektoren-Labels. Er wurde aber stets verbessert.Foto: Lars ScharlDer POC VPD System Torso ist schon eine ganze Weile im Programm des schwedischen Protektoren-Labels. Er wurde aber stets verbessert.

Kleines Schwarzes: POC VPD System Torso

  • Gewicht: 1179 Gramm
  • Preis: 240 Euro

Im Gegensatz zu den meisten Brust- und Rückenprotektoren wird der Poc VPD Torso über der Kleidung getragen. Das sieht stylisch aus und sorgt für einen Motocross-Look. Vom Tragegefühl ähnelt es einer kugelsicheren Weste – das boostet das Selbstbewusstsein.

Der POC VPD Torso kommt ganz ohne Stoff oder Westenkonstruktion aus, sondern besteht nur aus den Protektoren an Brust und Rücken sowie den verbindenden Gummibändern. Das hat den Vorteil, dass der Protektor nicht so leicht müffeln kann.

Das elastische VPD-Material wird bei Wärme weicher, was den Tragekomfort erhöht. Erst bei einem Aufprall verhärtet sich das Material und schützt so den Träger. Der Protektor ist mit zahlreichen Belüftungsschlitzen versehen, insbesondere im weit heruntergezogenen Rückenteil.

Der Rückenprotektor ist allerdings nur mit dem einfacheren EN 1621-2-Level 1 zertifiziert. Hier wurde – wie übrigens bei Endura auch – aufgrund von Tragekomfort und Gewicht auf das sicherere Material verzichtet. Auf Anfrage äußert sich POC dazu knapp: “Das Erreichen von Level 2 hätte zu einer Erhöhung der Dicke und des Gesamtgewichts des Produkts geführt, was für die betroffenen Nutzer nicht ideal gewesen wäre.”

Die Handhabung des POC VPD System Torso ist einfach. Durch Gummibänder und Druckknöpfe ist der Protektor schnell an- und ausgezogen. Die Größe S/M passte den Testern mit einer Körpergröße von 1,78 m sehr gut. POC bietet auch eine Variante für nur Brust (100 Euro) und nur Rücken (180 Euro) an. In der reinen Brust-Variante sehen wir wenig Sinn. Gewicht: 1179 Gramm, Preis: 240 Euro.

Fazit zum POC VPD System Torso im Test 2023

Die Protektoren-Weste POC VPD System Torso gefiel, weil sie handlich, angenehm zu tragen und mit einem langen Rückenprotektor ausgestattet ist. Nur Level-1-Zertifikat, also nix für den harten DH-Einsatz. – FREERIDE Magazin

Stärken

  • Tragekomfort
  • Langes Rückenteil
  • Belüftung

Schwächen

  • Nur CE EN 1621/2 Level 1 Zertifikat
  • Preis
  • Gewicht
Erstlingswerk: Endura stellte die erste eigene Protektorenweste (MT500) Anfang des Jahres vor.Foto: Lars ScharlErstlingswerk: Endura stellte die erste eigene Protektorenweste (MT500) Anfang des Jahres vor.

Leicht protegiert: Endura MT500 D30 Weste

  • Gewicht: 890 Gramm
  • Preis: 150 Euro

Auf dem BIKE-Festival in Riva stellte das Schotten-Label ihre erste Protektoren-Weste vor. Das Anlegen der leichten MT500-Weste ist dank der Klettverschlüsse sehr einfach. Die Protektoren lassen sich leicht herausnehmen, die Polyesterweste kann dann einfach gewaschen werden. Trotzdem: Wir empfehlen, die Weste unter das Shirt zu ziehen. Denn wenn man den Protektor erst einmal eingesaut hat, bekommt man den Schmodder nur schwer wieder aus dem Kunststoffnetz heraus.

In der Weste befinden sich an Brust und Rücken große D30-Schaumprotektoren. Dieser elastische Schaumstoff verhärtet sich beim Aufprall und schützt so den Körper vor Stößen. Vorteil des weichen Materials: Es schmiegt sich beim Tragen angenehm an den Körper an.

Der verwendete D30-Protektor hat allerdings nur das einfachere Level 1-Sicherheitszertifikat: CE EN 1621/1. Zur Info: Das bessere Level 2 überträgt bis zu 50 Prozent weniger Energie als Level 1. ist das ein Argument gegen die Endura MT500 Weste? Wir meinen ja, zumindest für Downhiller. Denn hier erreichen Biker hohe Geschwindigkeiten und brauchen maximalen Schutz, wenn sie bei einem Sturz mit dem Rücken auf Stufen und Kanten aufschlagen.

Das Produkt-Management von Endura äußert sich dazu so: “Da dies unsere erste Protektorenweste auf dem Markt ist, waren wir der Meinung, dass das EN Level 1 besser für unseren Markt geeignet ist und mit dem Rest des Endura-Sortiments übereinstimmt. Die Protektorenweste richtet sich an Trail- und Enduro-Fahrer und ist nicht nur auf Downhill ausgerichtet.“ Gewicht: 890 Gramm, Preis: 150 Euro >> hier erhältlich.

Fazit zur Endura MT500 D30 Protektoren-Weste im Test 2023

Hoher Tragekomfort, easy Handhabung, leicht. Top! Nur Level-1-Zertifikat. Nix für den harten DH-Einsatz. – FREERIDE Magazin

Stärken

  • Passform
  • Belüftung
  • Gewicht
  • Preis

Schwächen

  • Nur CE EN 1621/2 Level 1 Zertifikat

Protektoren: Weste vs. Rucksack – was schützt besser beim Biken? Das sagt die TÜV-Prüferin:

Christiane Reckter, Sachverständige für Persönliche Schutzausrüstung (PSA) beim TÜV RheinlandFoto: TÜV RheinlandChristiane Reckter, Sachverständige für Persönliche Schutzausrüstung (PSA) beim TÜV Rheinland

“Kauf’ den mit den besten Werten!”

FREERIDE: Frau, Reckter, Rückenprotektorweste oder Protektorenrucksack – was ist sicherer?
Christiane Reckter: Eine Weste besitzt den Vorteil, dass sie den Protektor optimal an den Rücken fixiert. Sie wird meist unter der Kleidung getragen. Dadurch wird der Protektor beim Aufprall nicht zur Seite geschoben, sondern bleibt dort, wo er sein soll. Ruck­säcke haben den Nachteil, dass sich die Position mit und ohne Beladung nicht exakt einhalten lässt.
Wie entscheidend ist die Abdeckung?
Es gibt Full-Back-Protektoren, die die Wirbelsäule und einen Teil der Schulterblätter abdecken und Protektoren, die nur die Wirbelsäule schützen. Ich halte viel Abdeckung für sinnvoll. Wenn der Protektor allerdings zu weit runterreicht, kann das die Bewegungsfreiheit stören.
Hartplastik oder Schaum?
Wie die Protektoren gestaltet sind, ist egal. Wichtig ist, dass die Protektoren dort bleiben, wo sie schützen sollen, sprich: die Passform ist wichtig. Und, dass sie eine gute Dämpfungsleistung besitzen.
Sind die Normgrenzen der EN 1612.2 nur Minimalanforderungen?
Standards sind immer Minimalanforderungen. Das sind aber dennoch die Werte, die einen relevanten Schutz garantieren.
Ich kaufe also besser einen Protektor, der den Normschlag auf 5 kN abpuffert, als einen, der den Schlag nur auf 10 kN reduziert?
Natürlich. Denn ich will, dass möglichst wenig Kraft auf den Körper wirkt. Und diese Kraft ist bei dem Protektor mit 10 kN doppelt so hoch. Am besten wäre, wenn gar nichts mehr am Körper ankommt. Ich würde immer den Protektor mit der besten Schlagdämpfung kaufen (Anm. d. Red.: ein Rückenprotektor mit Level 2).
Moderne Schäume verkraften mehrere Aufschläge, ohne dass man sie auswechseln muss. Stimmt das?.
Die Verordnung für Persönliche Schutzausrüstung (PSA) besagt zwar, dass die Protektoren nach Sturz ausgetauscht werden sollen, doch aus meinen Test-Erfahrungen weiß ich, dass diese modernen Multi-Impact-Schäume wie sie BMW, Sas-Tec, D30 usw. anbieten, mehr als einen Sturz wegstecken.

Protektoren: Können sie schwere Verletzungen verhindern? Das sagt der Doktor:

Dr. Josef Obrist, Chirurg und Primar der Unfallklinik SalzburgFoto: Privatarchiv Dr. Josef ObristDr. Josef Obrist, Chirurg und Primar der Unfallklinik Salzburg

”Dagegen gibt es keinen Schutz!”

FREERIDE: Herr Dr. Obrist, wogegen schützt der Rückenprotektor?
Dr. Josef Obrist: Mit einem Rückenprotektor kann man die Lendenwirbelsäule und untere Brustwirbelsäule schützen. Der Protektor kann den Aufprall dämpfen – davon bin ich überzeugt. Doch die überwiegenden und wirklich ernsten Verletzungen betreffen die Halswirbelsäule. Die Sturzfolge sind Brüche beim Aufprall und Querschnittslähmung. Dagegen kann ein Rückenprotektor leider nicht schützen – dagegen gibt es keinen Schutz!
Viele Bikepark-Biker werden in Ihre Klinik eingeliefert. Wissen Sie, ob die Verunfallten einen Rückenprotektor trugen?
Leider wissen wir das nicht und erfragen es auch nicht. Die Verletzten kommen per Hubschrauber und werden teilweise schon künstlich beatmet. Da kriegen wir zu wenig Informationen. Doch viele Bikepark-Biker tragen einen Rückenschutz, davon konnten wir uns schon vor Ort überzeugen.
Haben die ernsten Unfälle zugenommen?
In den Jahren circa 2013-2018 haben sich die ernsten Mountainbike-Unfälle verdoppelt. Die Verletzten kommen in erster Linie aus den Bike-Arenen Leogang und Saalbach-Hinterglemm zu uns.
Ähneln Mountainbike-Unfälle in ihrer Schwere bereits Motorradunfällen?
Bei Mountainbike-Unfällen ist sehr oft die Halswirbelsäule und die obere Brustwirbelsäule betroffen, weil sich Mountainbiker überschlagen und oft den Hang runterkullern. Das führt zu Querschnittslähmungen. Motorradfahrer brechen sich dagegen eher die Beine, weil sie kollidieren.
Nackenstützen, sogenannte Neckbraces, sollen die Halswirbelsäule schützen. Sinnvoll?
In meinen Augen machen Nackenstützen keinen Sinn, denn sie schränken den Fahrer in seinen Reaktionsmöglichkeiten zu sehr ein. Das ist jetzt allerdings nur die biomechanische Sichtweise.
Haben Sie eine Idee, wie man die Flut an Schwerverletzten eindämmen kann?
Nein. No risk, no fun – das ist die gängige Einstellung. Den Akteuren ist das Risiko bewusst. An einem schönen Wochenende kriegen wir zwei bis drei Biker mit Wirbelsäulenverletzungen rein, die operativ versorgt werden müssen.

Beide Interviews führten wir 2018 im Rahmen eines Test für Rückenprotektoren und Rucksäcke mit integrierten Protektoren.

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