Die Wälder in der Oberpfalz sind ein dunkles Reich. Gewesen. Heute powern MTBler und Gravelerinnen dort wie überall mit Lampen durch den Wald und machen den Trail zum Laufsteg im Rampenlicht. Schuld daran ist unter anderem einer, der sich mit der Dunkelheit nicht arrangieren wollte:
Winter 1989. Wir sehen dunkle bayerische Wälder. Noch ist kein Schnee gefallen, es ist schwarz und grau im Unterholz. Irgendwo streift ein Wolf umher, man hört ihn heulen. Auf den seltenen Lichtungen kann man im moorigen Untergrund Spuren erkennen. Doch meist ist
es einfach zu dunkel. Von fern hört man schnell aufgeregte näherkommende Stimmen, das Scheppern von anschlagenden Fahrradketten, dann einen Fluch.
So stelle man sich das Szenario vor, bevor Mountainbiker auf Licht zurückgreifen konnten, mit dem sie wirklich mit Bums in den verlassenen Wäldern unterwegs sein konnten. Und aus dieser Situation heraus hat tatsächlich ein Mountainbiker eine Leuchte entwickelt, die das Fluchen gänzlich zum Verstummen gebracht hat und die Fahrt immer mehr zu einem Flow werden ließ – ausgerechnet der Wolf in der Geschichte. Der heißt mit Nachnamen Koch, ist gelernter Steinmetz und es daher gewohnt zuzupacken.
Bei Licht fürs Bike geht es grundsätzlich darum, nicht das hellste, sondern möglichst helles Licht auf möglichst homogene Fläche zu bringen. „Das Angebot, das es damals gab, hatte Taschenlampencharakteristik! Gleichmäßige, helle Lichtfläche? Fehlanzeige!“, so Wolf Koch, einer der Waldbiker. Nur der Vollständigkeit halber: Auch in jenen dunklen Zeiten gab es schon einen Anbieter aus den USA, der ein Produkt mit besserer Leistung als die deutschen Standards liefern konnte – „aber sackteuer!“, so Koch. Die einzige Hoffnung: selbst etwas kreieren! In einer frühen Lampe für Videodrehs fand man schließlich die geeignete Grundlage dazu. Damals war die Highend-Lichtquelle Halogen. Koch und seine Kumpels gingen daran, ein Gehäuse für diese Halogenbirne zu entwickeln. Es musste aus einem Stück Alu gedreht werden. Bumm, die Kostenkeule schlug zu: mit ein paar Exemplaren für das MTB-Rudel war es nicht machbar. 300 Stück mussten es mindestens sein, damit jemand anfing zu produzieren und man es schließlich irgendwie, wenn auch mit schmerzverzerrtem Gesicht, zahlen konnte. Also musste ein Unternehmen daraus gemacht werden. Sein Name lag – zumindest für Wolf Koch – nahe: Lupine. Wolfsartig, so die Übersetzung.
Die ersten Prototypen zeigten: Das Ding ist gut! Jetzt ging’s ans Vermarkten, denn die dafür ausgegebene Kohle musste ja auch wieder reinkommen! Das so entstandene erste Modell lief unter der Bezeichnung Pasubio – eine Hommage an das italienische Bergmassiv mit 52 langen, dunklen Tunnels.
Fahrradhändler mussten überzeugt werden, so eine Lampe in ihr Sortiment zu nehmen. „400 Mark für eine Lampe?! Die konnten es nicht glauben“, erinnert sich Koch lachend. Aber der Wolf kann warten: Im Nachhinein ist er selbst erstaunt über sein Durchhaltevermögen. „Sieben Jahre lang immer wieder Stress mit der Frau, sieben Jahre lang meinte der Steuerberater, immer wieder: ‚Dein Hobby ist zu teuer‘!“
Wieso ist er drangeblieben? „Die beruflichen Perspektiven als Steinmetz waren eher unerfreulich. Ich dachte: Es kann ja anders nur besser werden! Und natürlich bleibt man einfach dran, weil man an sich glaubt.“ Schließlich ein folgenschwerer Gedanke: Vielleicht ist ein Einstieg in der Schweiz einfacher – da sitzt das Geld doch lockerer? Und es klappte: Schließlich fand Koch für die Schweiz einen eigenen Importeur. Darauf folgte einer in England – „sowieso das beste Land für Lampen, immer neblig, immer dämmrig...“. Von da an ging’s bergauf, und auch im eigenen Land kam nun der ein oder andere Fachhandel dazu.
Gegen Ende der Neunziger waren die Händler auch in Deutschland überzeugt: Okay, das ist was. Schon lang vorher aber gab es die ersten Vertreter der Gruppe, die das Unternehmen bis heute imagebildend mittragen: die Fans – schätzungsweise damals wirklich nur Männer. Wie man zu denen kommt? „Das war die Konzentration auf das technisch maximal Machbare“, so Koch. Und darauf setzt das Unternehmen nach wie vor, in Sachen Leistung, aber auch in Sachen Qualität. Stolz ist man auf die „300.000 glücklichen Stammkunden! Der Kunde muss nachhaltig begeistert sein. Anders funktioniert das für uns nicht“, sagt Wolf.
Dabei sind die Bike-Lampen mit dem breiten Lichtkegel und der definierten Reichweite perfekt auf den Einsatzzweck ausgelegt und verzichten dafür auf kleine, extrem helle Lichtpunkte in der Mitte. „Das macht unsere Lampen marketingmäßig eigentlich eher schwierig“, so Koch. „Mit den reinen Zahlen kann man in diesem Bereich nicht punkten.“ Aber mit der Praxis, und die lieben Fans. Sie sorgen dafür, dass er als Chefentwickler und seine Kollegen weiter dranbleiben, immer wieder etwas ganz Neues bringen können. Erwartungsdruck schafft Höchstleistung. 2019/20 beispielsweise die Alpha – „stärkste Lampe ihrer Klasse, 8.600 Lumen!“; das kommt nicht ohne Stolz in der Stimme.
Zum Vergleich: Ein Standard-Autoscheinwerfer liefert etwa 2.000 Lumen. Schiere Leistung ist ja für Lupine nicht alles, aber in diesem Fall sehr werbewirksam. Kostenpunkt? Etwa 1.100 Euro. Den Fans ist es das wert, und für die Preiskalkulation im Unternehmen wäre weniger nicht unbedingt mehr. So eine Lampe ist schließlich auch ein Statussymbol. „Wenn der Kumpel sagt, ‚meine Lampe hat über 1.000 Euro gekostet‘ ist das für sein Image besser als wären es ‚knapp 1.000 Euro‘. Oder?“, fragt Wolf. „Leisten“ kann sich das Unternehmen, das seit 2018 im neuen, edel-puristischen Stammsitz in Neumarkt residiert, auch ein ungewöhnliches Kalkulationskonzept.
Das heißt etwa: „Wir entwickeln was Neues, und wenn wir fertig sind, schauen wir, was es kostet.“ Das kennt man sonst bestenfalls aus dem Luxus-Sektor. Aber irgendwie gehört die Power-Lampe ja auch hierhin. In einem früheren Produktkatalog wird die Heckleuchte „Rotlicht“ als „das teuerste Rücklicht der Welt“ angepriesen. Andererseits ist das „Made in Germany“ mit der entsprechenden Erwartungshaltung der Kunden in Sachen Qualität kein Niedrigpreiskonzept. Außerdem muss im Produkt ja ein Teil der Kosten stecken, die mögliche Serviceleistungen abdecken. Service, den es so anderswo gar nicht gibt.
Das ist ja auch unser Vorteil: Weil wir schon so lang dabei sind, konnten wir schon viele Fehler machen und viel daraus lernen. - Wolf Koch, Gründer und Geschäftsführer
Nachhaltigkeit steckt hier schon im Produktkonzept der Robustheit: Die Leuchte Betty ist ein bekannter Klassiker, bereits ewig im Programm. Auch die Lupine Piko gibt es schon in der dritten Generation. Sie funktioniert als Fahrradlampe, aber auch, auf diffuses Licht umgeschaltet, als Leselampe beim Camping. Überhaupt gibt es die meisten Lampen mit kleinen Abänderungen als Helm-, Stirn und Lenker-Ausführung. Aktuell werden
15 Grundmodelle im Katalog vorgestellt. Seit Jahren haben viele Modelle auch eine App-Steuerung über Bluetooth. Da können per Handy etwa verschiedene Basis-Modi, etwa zum Laufen und Fahrradfahren, eingestellt und die Leistungsstufen definiert werden.
Natürlich waren auch die Oberpfälzer von den Lieferkettenproblemen der Corona-Pandemie betroffen, wenn auch weniger als andere. Der umgekehrte Faktor zählte aber stärker: Mit dem Fahrrad-Boost dieser Jahre kam unter anderem der Verkauf der StVZO-Lampen auf ein neues Niveau. Bike- und E-Bike-Hersteller kaufen immer mehr bei Lupine zu. Leichtes Spiel hat Lupine nicht: „Die Lampen sind so komplex und diffizil, da braucht man viel Erfahrung, schon in der Fertigung. Aber das ist ja auch unser Vorteil: Weil wir schon so lang dabei sind, konnten wir schon viele Fehler machen und viel daraus lernen“, so der Chefentwickler mit einem Grinsen.
Inmitten der großen Halle stehen die Monteurinnen und Monteure an riesigen Tischen und bauen abschnittweise edle Lampen. „Nur bei den ‚einfacheren‘ Produkten kommen die Gehäuse aus China, ansonsten ist das meiste aus Deutschland“, so Koch. Bis auf ein paar Feinheiten, auf die der Chefentwickler besonders Wert legt. Die kleinen Schrauben für die Lampendeckel etwa – sie kommen aus Japan, „vom Zulieferer für Leica“, schwärmt er. Warum diese? „Bei denen sind auch die Aufnahmen für den Torx-Schlüssel tiefschwarz eingefärbt!“ Zulieferer zu finden, ist heute nicht mehr schwer für die Oberpfälzer. Aber man ist wählerisch.
Die LEDs selbst kommen seit jeher vom amerikanischen Kult-Hersteller Cree. Der schafft es, aus 1 Watt Leistung über 100 Lumen zu holen, was ziemlich einmalig ist. Bei den StVZO-Lampen finden ausgewählte und besonders hochwertige Osram-LEDs aus dem Automotive-Sektor Verwendung. Linsen und Reflektoren werden für die jeweilige Lampe zusammen mit den Linsenzulieferern konzipiert. Dazu braucht es eine technische Simulation, die selbst schon einige Zehntausend Euro verschlingt. Das ist aber weit besser, als bereits fertige Produkte wieder einzustampfen, wenn das technische Konzept nicht stimmt. Ein bis zwei Jahre Entwicklungszeit erhält ein neues Modell. Das ist dann aber oft auch Jahrzehnte im Programm, wir erinnern uns: Nachhaltigkeit ist Pflicht, und damit Langlebigkeit.
Die letzten Jahre hatten es auch in Sachen neue Leuchten in sich. 2022 etwa kam mit der SL Mono die erste Lupine-Lampe mit integriertem Akku auf den Markt – per Schnellspanner in Sekunden am Lenker montierbar. Sie schickt bis zu 700 Lumen oder 90 Lux aus. Geladen wird – nach maximal neun Stunden Leuchtdauer – per USB.
Ganz ohne Vorbild neu entwickelt wurde dagegen die Lichtwumme Minimax AF mit satten 2.400 Lumen Fernlicht – mehr als viele Autoscheinwerfer. Die „komplette Straßenbreite“ wird ab dem Vorderrad ausgeleuchtet, so Wolf. Steuern lässt sich diese Lichtmaschine bequem per Bluetooth-Fernbedienung.
Und gerade erscheint die SL Grano mit bis zu 900 Lumen Abblendlicht. Sie ist in der Basis die bewährte SL Nano, speziell an den Gravel- und Road-Bereich angepasst. Heißt: Der kleine Schweinwerfer bietet einen integrierten Akku und einen im Alugehäuse eingefrästen GoPro-Mount für die Montage unter dem Radcomputer. Die Grano ist – heute absolut im Trend – aerodynamisch optimiert und hat auch „smarte Funktionen“, erklärt Wolf nicht ohne Stolz, wie etwa die Lichtsteuerung per Sensor. Der Akku schafft satte zwölf Stunden Leuchtdauer im Tagfahrlicht-Modus.
Niemand wird von den Leuten in dem coolen Bau in Neumarkt so gut behandelt wie die begeisterten Endkunden. Man weiß, was man an ihnen hat. Der Servicewille ist groß, die Kulanz im Schadensfall laut Koch – und auch vielen Einträgen in Fahrrad-Foren – enorm. „90 Prozent der Zusendungen gehen am selben Tag wieder raus“, so der Chef. Gut 50.000 Lampen werden im Jahr verkauft, davon sind die Hälfte Lampen fürs Fahrradfahren. Lupine ist auch noch bei Institutionen wie Bergrettung oder Polizei beliebt. „Das ist auch einer der Gründe für unseren schönen Stammsitz hier“, feixt der Wolf. „Kunden wie sie erwarten einen soliden Auftritt. Einen, der zeigt, dass man mit seinem Produkt Geld verdient. Sonst werden die nervös.“ Die Scheune, in der Lupine lange Jahre produzierte, dürfte da wesentlich weniger imageträchtig gewesen sein. Und sie hätte wohl kaum den Platz auf dem Dach für die enorme Menge an Solarpanels geboten, mit denen Lupine seit 2021 sämtliche Akkus vor dem Verschicken lädt.
Mittlerweile ist der Lampenhersteller bei einem Umsatz von elf bis zwölf Millionen Euro pro Jahr angekommen, die letzten Jahre gab’s jeweils mindestens zehn Prozent Zuwachs. Derzeit wuseln 35 Mitarbeiter durch die mit viel Open Space gesegneten Hallen.
Heute wird auch die Integration der Produkte bei den Radherstellern immer mehr nachgefragt. Beispiel: Canyon Grizl:On. Am E-Gravelbike leuchten gleich zwei in den Hinterbau integrierte Rücklichter aus dem eindrucksvollen Wolfsbau.