Sogenannte Intercoms waren bislang vor allem Motorradfahrern bekannt. Inzwischen bieten sowohl renommierte Hersteller wie auch ambitionierte Startups spezielle Kommunikationssysteme für Mountainbiker an. Mit Aleck, Cardo und Sena baten wir die drei neuesten der elektronischen Helfer zum Systemvergleich. “Neu” sind die Systeme im wahrsten Sinne des Wortes: Während es das Cardo Packtalk Outdoor bereits zu kaufen gibt, hat BIKE die Geräte von Aleck und Sena weltweit als erstes getestet. Die Aleck Punks begannen ihren Marktauftritt als Kickstarter-Kampagne und starten im August 2023 in den Vorverkauf. Das Sena Talkie wird ab dem Frühjahr 2024 erhältlich sein. Bei unseren Testgeräten handelt es sich um Prototypen, frisch von der Eurobike-Messe in Frankfurt.
Um Mountainbiker miteinander vernetzt zu halten - auch wenn sie räumlich voneinander getrennt sind - haben sich die Entwickler bei Aleck, Cardo und Sena eine elektronische Lösung ausgedacht. Alle drei Intercom-Systeme lassen sich via Bluetooth mit dem Handy koppeln. Ohne Smartphone kommt man bei der Einrichtung der Geräte nicht weit, denn für jedes braucht es eine eigene App mit einem extra Nutzerkonto. Über diese können dann Grundeinstellungen vorgenommen und Kommunikations-Gruppen erstellt werden. Falls freigegeben, können Gruppenmitglieder außerdem die Position anderer Nutzer auf einer Karte einsehen. Wie bei alle modernen, kabellosen Elektronikgeräten, müssen auch die Kommunikationssysteme erstmal ans Kabel. Die integrierten Akkus laden via USB-C-Schnittstellen und stellen zwischen sechs (Sena) und 19 Stunden (Aleck) Akkulaufzeit zur Verfügung.
Für die Kommunikation zwischen den Geräten nutzen die Hersteller unterschiedliche Technologien. Aleck setzt als einziger auf das Mobilfunknetz. Einmal mit dem Handy gekoppelt, sind mit den Punks so beliebig viele Gesprächsteilnehmer und eine unbegrenzte Reichweite möglich. Dafür kann die Verbindung in abgelegenen Tälern und dichten Wäldern schon mal abreißen. Sobald wieder Netzempfang gegeben ist, verbinden sich die Punks automatisch wieder mit den Gesprächspartnern. Um das Mobilfunk-Problem zu vermeiden, bedienen sich Cardo und Sena eines sogenannten Mesh-Systems, das die Funk-Signale einzelner Geräte in einem gemeinsamen Netz zusammenschaltet. Auch diese Mesh-Netzwerke besitzen die Eigenschaft sich selbst zu “reparieren”. Mehrere Geräte auf derselben Frequenz sind automatisch sprechfähig. Je mehr Nutzer in einem Netz zusammengeschaltet sind, desto besser die Übertragungsqualität und die Reichweite.
Wie das Gesprochene das Ohr erreicht, hat jeder Hersteller anders gelöst. Cardo setzt auf konventionelle Kopfhörer mit Kabel und Mikrofon. Die Intercom-Spezialisten legen dem Packtalk-Outdoor-Bundle sogar zwei verschiedene Sets bei: einmal klassische In-Ear-Kopfhörer und einmal Mikrofon und Kopfhörer zur Helmintegration. Diese können via Klettverschluss und Klebepads in einem Integralhelm verbaut werden. Während diese Option sich zum Beispiel für Ski-Helme anbietet, war in unserem Test mit Enduro-Integralhelmen nicht ausreichend Platz an den Ohren. Das Gerät selbst kann mit verschiedenen Halterungen entweder an den Helm geklebt werden oder mit einer Klemmung an den Gurten von Helm, Hose oder Rucksack befestigt werden. So oder so bleibt das Problem der Kabelführung.
Das Talkie von Sena lässt sich mittels einer starken Magnethalterung entweder an einem mitgelieferten Armband oder an einer Kordel um den Hals tragen. Lautsprecher und Mikrofon liegen so zwar am Körper, aber ein Stück weg von Mund und Ohren. Aleck löst das Problem durch die sogenannte Near-Ear-Technologie. Die Intercom-Geräte lassen sich beidseitig an den Gurten des Helmes befestigen und sitzen so direkt hinter den Ohren. Anders als bei den ebenfalls von uns getesteten Knochenschall-Kopfhörern Shokz Open Run Pro gelangt bei Aleck der Sound durch konventionelle Schallübertragung in den Gehörgang. Durch die Nähe zum Ohr ist jedoch nur eine verhältnismäßig geringe Lautstärke nötig. Die Ohrmuscheln bleiben frei und können parallel zum Sound aus den Kopfhörern auch Umgebungsgeräusche aufnehmen. Dies ist gleichzeitig der größte Unterschied der Aleck Punks zu “normalen” Bluetooth-Kopfhörern mit Hands-Free-Funktion.
Maximal minimalistisch erscheinen die Aleck Punks auf den ersten Blick. Im Vergleich zu den zwei anderen Intercom-Systemen sind sie deutlich kleiner und leichter. Da es sich um zwei separate Geräte handelt, müssen auch beide zunächst aufgeladen werden. Die übersichtliche Aleck-App führt gut durch den Setup-Prozess. Dass sich dieser schließlich doch als nicht ganz einfach herausstellt, liegt daran, dass die Punks über einen Knopf pro Seite verfügen, der aber jeweils mit unterschiedlichen Funktionen belegt ist. Welche gerade bedient wird, hängt davon ab, welche Seite, wie oft gedrückt wird. Zwar hält Aleck eine Auflistung der Funktionen bereit, anfangs braucht die Bedienung aber etwas Eingewöhnung. Erst recht, wenn die Geräte nicht am Helm befestigt sind, denn eine Beschriftung mit “Links” oder “Rechts” sucht man vergebens. Auch während der Fahrt ist die Bedienbarkeit das größte Manko der ansonsten überzeugenden Punks. Um nicht durcheinander zu kommen, müssen Biker die Tastenkombinationen quasi auswendig lernen.
Über die App kann zwischen zwei Modi gewechselt werden. Im “Push-To-Talk”-Setting können sich zwei Nutzer im Walkie-Talkie-Stil auf Knopfdruck unterhalten. Im “Party”-Modus bleibt das Gespräch dauerhaft aufrechterhalten. Dann können sich alle möglichen Freunde über die App zuschalten und unabhängig von der Distanz miteinander sprechen. Die Gesprächsqualität über das Mobilfunknetz war in unserem Test durchgehend gut. Das Problem der Funklöcher bleibt jedoch. Die Near-Ear-Kommunikation der Punks ist faszinierend. Trotz freier Ohren ist die Soundqualität überzeugend. Allerdings hören auch Außenstehende leise mit. Musik und Gespräche sind bei stiller Umgebung in einigen Metern Abstand vom Träger noch dezent zu hören. Für Sportarten ohne Helm scheiden die Punks als Intercom leider aus.
Mit 249,95 Euro ist das Cardo Packtalk Outdoor deutlich teurer als die anderen getesteten Geräte. Für zwei Nutzer sind damit satte 500 Euro fällig. Schon beim Auspacken des Packtalk Outdoor wird dafür aber klar: Hier steckt viel drin. In der verschachtelten Verpackung liegen verschiedene Montage-Halter, Klebepads, Kabel, ein Adapter und zwei hochwertige Kopfhörer von JBL - gut für alle, die das System als Multisport-Gerät nutzen wollen. Mit vielen Teilen kommt jedoch auch Komplexität. Bis das richtige Setup aus Geräte-Positionierung und Kabelverlauf gefunden ist, muss etwas experimentiert werden. Auch in Sachen Bedienbarkeit bietet das Cardo Intercom mehr, als die Konkurrenz. Über mehrere Tasten mit Piktogrammen, eine LED-Anzeige und ein Drehrad lässt sich das System einfach handhaben. In einer einstellbaren Sprache informieren Sprachansagen zum Beispiel über die Verbindung zum Smartphone oder den Akkustand. Zusammen mit der übersichtlichen App leistet sich das Cardo Packtalk Outdoor so keine Schwächen beim Handling und lässt sich auch unterwegs einfach bedienen.
Die Kommunikation zwischen zwei Nutzern klappte in unserem Test problemfrei. In diesem Vergleich verfügt das Mesh-Netzwerk von Cardo jedoch über die geringste Reichweite. Bei Wiedereintritt in den Kommunikationsradius verbindet sich das System schnell und automatisch neu. Durch die Verwendung von In-Ear-Kopfhörern macht das Cardo einen nicht ganz so futuristischen Eindruck wie die Konkurrenz von Aleck. Dafür bieten die Kopfhörer unangefochten die beste Klangqualität und die höchste Maximallautstärke. Wie oft in Deutschland ist die Rechtslage zum Thema In-Ear-Kopfhörer auf dem Bike leider recht undurchsichtig. Im Straßenverkehr darf das Gehör nicht beeinträchtigt werden. Der kurze sprachliche Austausch über ein Kommunikationssystem sollte auch mit verschlossenen Gehörgängen unproblematisch sein. Anders könnte das beim Hören von Musik über In-Ear-Kopfhörer aussehen. In jedem Fall bleibt die Ahndung Auslegungssache des kontrollierenden Beamten oder im Härtefall des Gerichts. Die JBL-Kopfhörer bieten in Sachen Staub- und Wasserresistenz eine niedrigere Schutzklasse, als das Cardo-Gerät selbst.
Sena führt mit dem Modell Pi eine ähnliche Near-Ear-Lösung im Portfolio wie Aleck. Dieses Intercom-System ist jedoch genauso auf einen Helm als Montagepunkt angewiesen. Das hier getestete Talkie ist der neueste Wurf der Kommunikations-Experten und verfolgt einen anderen Ansatz. Es lässt sich problemlos überallhin mitnehmen und bei vielen unterschiedlichen Sportarten nutzen. In der Hand wirkt das Gerät kompakt und robust. Es ist spürbar schwerer als die Konkurrenz. Dafür ist die Bedienung an einem Gerät und mit drei Tasten deutlich intuitiver. Die unkomplizierte Nutzbarkeit macht von Anfang an Spaß und ist die vielleicht größte Stärke des Talkies als Intercom-Lösung im Vergleich zu Aleck und Cardo. Via Bluetooth verbindet sich das Gerät mit der Sena Cycling App. Bei dieser merkt man, dass Sena seit vielen Jahren Intercoms für Motorradfahrer im Programm hat. Sie macht einen ausgereifteren Eindruck als die Anwendung von Aleck, und sie hat mehr Funktionen als bei Cardo. Von hier aus haben Nutzer auch Zugriff auf Anleitungen und UKW-Radio.
Vom Audio-Prinzip her ist das Sena Talkie eine Art tragbarer, intelligenter Lautsprecher. Der offensichtliche Nachteil: Jeder kann mithören. Zum Musikhören könnte das System - je nach Sensibilität für die ungestörte Ruhe der Natur - deshalb ausscheiden. Selten werden beim Radfahren sensible Informationen ausgetauscht, doch zum Beispiel in der Liftschlange des Bikeparks, braucht es eine Portion Selbstbewusstsein, um den fragenden oder genervten Blicken anderer Biker Stand zu halten. Die Paarung zweier Geräte im Intercom-Modus ist einfach. Wie bei Cardo führen Sprachansagen durch den Prozess. Obwohl das Gerät und damit das Mikrofon weiter weg vom Kopf sitzt, werden Gespräche klar und deutlich übertragen. Die eingebaute Geräuschunterdrückung funktioniert gut. Auf neun unterschiedlichen Kanälen kann gefunkt werden. Die Anzahl der Nutzer ist damit quasi unbegrenzt. Deutlich begrenzt ist dagegen die maximale Reichweite zwischen zwei Geräten. Mit einem 400-Meter-Radius empfiehlt sich das Sena-System nur für den Einsatz in weniger weitläufigen Gebieten.
Interessant sind die neuesten Kommunikationssysteme allemal. Da die teuren Geräte im Vergleich zu anderen Kopfhörer-Systemen einen überschaubaren Mehrwert bieten, sollten Biker genau überlegen, ob sie das schmale Einsatzgebiet dieser Intercoms anspricht. Für den Besuch im Bikepark und als Lösung für lose Familiengefüge funktionieren alle drei Systeme gut. Cardo und Sena sind in ihrer Reichweite eingeschränkt. Die Verwendung von In-Ear-Kopfhörern (Cardo) und die Möglichkeit, für Dritte mitzuhören (Sena), können Ausschlusskriterien sein. Trotz Mängel bei der Handhabung und der Abhängigkeit vom Mobilfunknetz kommt das überzeugendste System von Aleck. Ohne Reichweitenprobleme und mit offenen Ohren kommuniziert es sich auf dem Bike unbeschwert.