Um die wichtigen Fragen zum Thema Fahrradhelm lackieren zu klären, haben wir bei unserem Helmexperten nachgefragt: Frank Proksch, Leiter Forschung & Entwicklung bei Alpina Sports.
FREERIDE: Warum sollte man seinen Helm überhaupt schon nach 5 Jahren austauschen, wie es die Hersteller empfehlen? Mit ein bisschen neuer Farbe bekommt der doch ein zweites Leben
FRANK PROKSCH: Wir müssen 5 Jahre empfehlen, weil wir PSA (Anm. d. Red.: Persönliche Schutz Ausrüstung) herstellen. Helme sind persönliche Schutzausrüstungen. Damit unterliegen wir der europäischen Verordnung, die das vorschreibt.
Jemand, der einen Helm von Troy Lee Designs für 500 Euro gekauft hat, wird jetzt schlucken. Warum ist die Lebensdauer so begrenzt?
Man weiß nie, wie die Helme genutzt werden. Also geht man vom schlimmsten Fall aus.
Das heißt: Ich lege meinen Helm auf die Ladefläche meines Pickups. Und da liegt er, wenn ich nicht fahre, bei Regen, Schnee und Sonnenschein.
Bei Regen und Schnee wäre ich noch ganz cool, weil der EPS-Schaum das gut wegsteckt. Die größte Herausforderung ist der Freizeitradler. Der legt seinen Helm zum Beispiel beim Besuch im Freibad umgedreht in den Fahrradkorb. Dort liegt er einige Stunden in der prallen Sonne und backt vor sich hin. Der EPS-Schaum schmilzt, die Struktur verändert sich und damit auch die Dämpfungseigenschaften.
Meinen teuren Carbon-Fullface-Helm lege ich sicher nicht in den Fahrradkorb.
Genau. So ein Helm steht 85 Prozent der Gebrauchszeit im Keller, im Regal, dunkel, meist vernünftig gelüftet und bei Zimmertemperatur. So sollte man einen Helm lagern. Da verändert sich auch nach 10 Jahren nichts. Vor allem, wenn eine Hartschale den Schaumstoff umgibt.
Welche rechtlichen Folgen hat es, wenn ich einen Helm trage, der die 5-Jahres-Frist überschritten hat? Verliere ich die Zulassung oder den Versicherungsschutz, wenn ich mich verletze?
Nein. Als Hersteller von persönlicher Schutzausrüstung garantieren wir für die Dauer von 5 Jahren die 100-prozentige Schutzleistung des Helms, so wie er ausgeliefert wurde. Wenn du als Benutzer diesen Zeitraum überschreitest, sind wir aus der rechtlichen Verantwortung und räumen ein, dass der Helm durch UV-Strahlung, längeres Tragen etc. in seiner Schutzleistung nachgelassen hat.
Kann ich den Helmhersteller belangen, wenn ich bei einem Sturz z. B. eine Gehirnerschütterung erleide?
Spätestens wenn der Biker stirbt, wird die Staatsanwaltschaft aktiv. Nehmen wir das Beispiel Michael Schumacher. Da hieß es, er habe eine Helmkamera an seinem Helm montiert. Helmhalterungen können die Sicherheit eines Helms massiv beeinträchtigen. Deshalb schließen die Helmhersteller Veränderungen am Helm grundsätzlich aus, weil sie vom Hersteller nicht geprüft werden können. In solchen fatalen Fällen prüft die Staatsanwaltschaft, ob der Helm zulässig war. Die Rekonstruktion eines Sturzes ist aber nahezu unmöglich. Es kann also nur geprüft werden, ob ein Helm den vorgeschriebenen Prüfnormen entspricht.
Jemand stürzt, verletzt sich und versucht, den Helmhersteller zu verklagen, weil der Helm ihn nicht besser geschützt hat - gibt es solche Fälle?
Sehr selten, aber es kommt vor. Ich erinnere mich an ein Beispiel: Jemand war mit einem unserer Helme im Straßenverkehr gestürzt. Ohne Helm hätte er wahrscheinlich ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten oder den Sturz vielleicht nicht überlebt. So hat er sich nur eine Platzwunde zugezogen, denn auch ein EPS-Schaum hat seine Grenzen. Trotzdem wollte er für die Verletzung eine Entschädigung.
Angenommen, mir gefällt das Design des Helms nicht mehr, kann ich meinen Helm selbst neu lackieren?
Ja, aber auch eine Lackierung ist eine Veränderung des Helms. Das heißt, der Hersteller garantiert nicht mehr die volle Sicherheit des Helmes. Ich rate davon ab. Auch ein Aufkleber ist eine Veränderung, obwohl die Lösungsmittel im Kleber bei der kleinen Fläche nicht ausreichen, um die Helmstruktur anzugreifen. Eine mögliche Alternative: Alpina bietet einen Service für individuelle Lackierungen an, wie sie von Pro-Ridern gewünscht werden. Dabei liefern wir die Helme grundiert an lizenzierte Lackierer, die dann die gewünschte Lackierung aufbringen.
Die Lackierer wissen, welche Lacke sie in Absprache mit dem Hersteller verwenden dürfen. Denn falsche Lacke können die Substanz des Helms angreifen, z. B. weiß man nicht, wie das Lösungsmittel im Lack mit dem Epoxidharz des Helms reagiert. Wenn das Lösungsmittel die Schale aufweicht, kann sie spröde werden und schneller brechen.
Professionelle Lackierungen sind teuer. Worauf muss der Biker achten, der sich am Design seines alten Helms erfreut und zur Spraydose greifen will?
Andere Materialien sind kritischer, bei Carbonhelmen hätte ich weniger Bedenken. Denn da gibt es eine äußere Lackschicht, die ich anschleifen muss, damit der Lack haftet. Aber ich darf nicht in das Gewebe hineinschleifen. Denn das schwächt die Struktur. Ich persönlich würde nicht am Helm schleifen, sondern zu einem professionellen Lackierer gehen.
Das Internet ist voll mit Lackier-Tutorials. Wir klärten hier die Frage: Den Fahrradhelm selbst lackieren - darf man das überhaupt?