Ein Chamäleon wechselt seine Farbe wie es ihm gerade passt. Bei starker Sonneneinstrahlung färben sich die Tiere hell und reflektieren so das einfallende Licht. Knallig bunt machen sie bei der Partnersuche auf sich aufmerksam. Sinken die Temperaturen, nutzen sie dunkle Farben, um Sonnenenergie zu tanken. Bei den ständig wechselnden Lichtverhältnissen im Gelände könnten auch wir Biker eine solche Funktion gut gebrauchen. Mit dem schnellen Wechsel zwischen Licht und Schatten sind unsere Augen nämlich häufig überfordert. Doch es gibt eine adäquate Lösung für dieses Problem: Selbsttönende oder photochrome Sonnenbrillen heißen die Chamäleons unter den Sportbrillen. Sie passen ihre Tönung mit Hilfe eines chemischen Prozesses der Stärke der UV-Strahlung an und sorgen damit für gleichbleibend gute Sicht.
Der Wechsel von klar zu dunkel und wieder zurück geht aber leider nicht auf Knopfdruck – und hier liegt auch das größte Manko der Selbsttöner. Während die meisten Brillen binnen zehn Sekunden knapp zur Hälfte abdunkeln, dauert das Aufhellen wesentlich länger: Selbst gute Exemplare benötigen eine Minute und mehr, um wieder einigermaßen aufzuklaren. Weil sich das menschliche Auge nur langsam an Dunkelheit gewöhnt, tappt man bei der Einfahrt aus vollem Licht in ein schattiges Waldstück erst einmal im Dunkeln – bei voller Fahrt nicht ganz ungefährlich.
Ich will eine Brille, die von Level 0 bis 3 reicht, weil ich die Brille auch bei schlechtem Wetter tragen möchte. Eine Brille für jeden Einsatz! Kategorie 0 bis 2 reicht mir in der Regel von der Abdunklung her nicht, vor allem weil der chemische Prozess im Sommer bei Hitze oft nicht optimal funktioniert. - Laurin Lehner, BIKE-Redakteur
Auch das Wetter spielt eine Rolle: Bei Kälte reagieren die Moleküle schneller, bei Hitze eher träge. Das kann dazu führen, dass im Sommer die Tönung zu schwach und im Winter zu stark ausfällt. Im Auto funktioniert die Technik kaum, da Windschutzscheiben UV-Strahlung filtern. Wichtig ist auch: Dunkel ist nicht immer besser. Wer eine Brille für alles sucht, sollte die Anfangstönung nicht stärker als 20 Prozent wählen oder Modelle, die schon bei Kategorie 0 starten, weil damit auch Fahrten in der Dämmerung noch möglich sind.
Viel getan hat sich vor allem bei den Filterfarben. Während bis vor wenigen Jahren die meisten Brillen nur von klar zu grau wechselten, haben viele Hersteller heute Filter im Programm, die in kontrastverstärkendes Rot oder Violett eintönen – bei trübem Wetter oder bedecktem Himmel eine Wohltat für die Augen. Besonders überzeugend sind hier die Gläser von Evil Eye und Julbo. Mit ihnen erscheint der Trail selbst an tristen Tagen so farbenfroh wie ein Chamäleon im Balzgewand.
Wichtig ist auch die richtige Pflege! Bitte nicht zu viel auf der Scheibe rumreiben, weil ansonsten die Abdunklung leidet. Wascht eure Brille unter fließendem Wasser ab und lasst sie trocknen oder reibt sie mit einem sauberen Tuch ab. UND: Die Brille muss euch stehen, also nicht einfach bestellen, sondern auf jeden Fall vorher probieren. - Dimitri Lehner, BIKE Redakteur
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Testkandidaten sind gewaltig. Die Preisspanne reicht von günstigen 89,99 Euro für die Sonnenbrille von Van Rysel (Decathlon) bis zu 315 Euro für die Shift Split Mag von Smith. Dass der Preis nicht zwingend über die Qualität entscheidet, zeigt Giant: Die Agos kommt mit üppiger Ausstattung und überzeugt auch im Labor mit schneller Anpassung an wechselnde Lichtverhältnisse. Wer eine besonders leichte Brille möchte, wird bei 100% oder Julbo fündig. Den besten Kompromiss aus allen Eigenschaften bietet die Evil Eye Trailsense II - allerdings zum stolzen Preis von 299 Euro.
Mal Hand aufs Herz: Wer wechselt denn wirklich bei seiner Sonnenbrille die Scheiben? Bei den meisten Brillen hat man dabei eher Angst die Gläser zu brechen und dann erst die nervigen Fingerabdrücke! Für mich gibt es beim Biken nur eine Option: eine selbsttönende Sonnenbrille mit kontrastverstärkendem Filter mit Kategorie 0 bis 3. - Stefan Frey, BIKE-Testredakteur
Die automatische Verdunklung der phototropen oder photochromen Gläser beruht auf in den Scheiben eingeschmolzene oder als Schicht aufgetragene Silberverbindungen. Diese Moleküle verändern bei Kontakt mit UV-Strahlung ihre chemische Struktur. Im unangeregten Zustand sind die Moleküle nahezu unsichtbar und machen sich lediglich durch eine leichte Grundtönung bemerkbar. Bei Bestrahlung vergrößern sie jedoch ihre Oberfläche und klappen auf wie die Blätter einer Blume. Das Glas wird dunkler. Nimmt die UV-Strahlung ab, gehen die Moleküle wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Die Geschwindigkeit und Intensität der Verdunklung ist auch von der Temperatur abhängig. Je kälter, desto schneller erfolgt der Prozess und desto dunkler wird das Glas. Ein Problem können daher etwa neblige Wintertage darstellen. Weil die UV-Strahlung auch im Nebel kräftig sein kann, werden die Gläser dann mitunter zu dunkel.
Von völlig klar bis ziemlich dunkel – diese Filterkategorien gibt es bei Sonnenbrillen:
Zur Messung der Selbsttönung simulieren wir mit einer UV-Lampe Sonnenlicht. Unter einer definierten Beleuchtungsstärke und entsprechender UV-Strahlung werden Anfangshelligkeit und Tönungsverlauf in regelmäßigen Zeitabständen protokolliert. Die Geschwindigkeit und der Grad der darauffolgenden Aufhellung (relativ zum Umfang der Abdunklung innerhalb von zwei Minuten) werden bewertet.
Neben der Größe der Gläser und eventuell störenden Rahmenteilen im Sichtfeld haben wir (in Bike-Haltung, mit Helm) vor einem Gebläse mit etwa 60 km/h Windgeschwindigkeit die Schutzwirkung der Brillen getestet.
An mehreren Testpersonen prüfen wir den Sitz der Brillen, sowie deren Anpassbarkeit und ob störende Kanten für Druckstellen sorgen.
Die Addition der Einzelpunkte für Lieferumfang (wie Etui, Textilbeutel, zusätzliche Wechselscheibe, Gläserbeschichtungen) und Konstruktion (Justierbarkeit von Bügeln und Nasenauflage, etwaige Extras).