Dieser Artikel erschien erstmals im März 2022 und wurde im Juni 2024 überarbeitet.
Wenn am Ende der Ronda Extrema jede Muskelfaser nach der Ziellinie fleht, werden schon kleinste Störfaktoren in der Radhose zu Folterinstrumenten. Da raspelt eine kratzige Naht auf einmal wie eine Säge am Oberschenkel. Der Sattel drückt wie ein Nadelkissen durch das erschlaffte Sitzpolster. Und zu straffe Hosenträger lasten wie zentnerschwere Hantelstangen auf den Schultern. Die Radhose ist das wichtigste Bindeglied zwischen Fahrer und Fahrrad. Glücklich ist, wer bereits ein perfekt passendes Exemplar gefunden hat. Für alle anderen haben wir 18 langstreckentaugliche Bib Shorts für Frauen und Männer getestet.
Dass sich die aktuellen Radhosen-Modelle enorm von den oft labbrigen Pellen früherer Tage unterscheiden, wird schon bei der ersten Anprobe klar. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an den Hosenstandard von vor wenigen Jahren: Schmale, klebrige Silikon-Beinabschlüsse drückten unangenehm auf die Muskulatur, reizten die Haut und rutschten dennoch hoch. Dünne Träger mit dicken Nähten rollten sich auf den Schultern zusammen. Und das Material der Radhosen hatte schon mal die Spannkraft der Haut eines chinesischen Faltenhundes. Was zur Folge hatte, dass das Sitzpolster zwischen Sattel und Hintern wanderte, statt stützend unter den Sitzknochen zu liegen.
Dagegen sind aktuelle Bib Shorts wahre Luxusartikel. Selbst die günstigeren Modelle von Gonso, Protective oder Sportful sind mit nahtlosen Trägern ausgestattet, die sich bequem auf den Schultern breitmachen und den Druck großflächig verteilen, statt punktuell einzuschneiden. Auch die Spannkraft der Träger hat sich geändert und ist in der Regel ausreichend straff, um den Rest der Radhose sauber in Position zu halten. Auch die Schnitte der Hosen haben sich über die Jahre verändert. Es findet sich keine Bib Shorts mehr im Test, bei der wir tatsächlich vom Kauf abraten würden. Und dennoch gibt es klare Unterschiede bei den 18 getesteten Radhosen für Männer und Frauen.
Beim Hosenpolster – dem eigentlich elementaren Bestandteil der Radhose – findet sich vom bildhaft gesprochenen Plüschsofa bis zur harten Bierbank eine immense Bandbreite an Dicken und Härten. Während Gelegenheitsfahrer gerne zum weichen „Sofakissen“ greifen, das sich aber auf lange Sicht leicht durchsitzen kann, sollten Langstrecken-Biker lieber die straffere Polsterung wählen. Ihre Sitzknochen sind durch das regelmäßige Training an den Druck des Körpergewichts auf den Sattel in der Regel gut gewöhnt. Zudem birgt ein dünnes, hartes Polster weniger die Gefahr, dass Druckstellen im Dammbereich entstehen und dort Gefäße abgeschnürt werden. Passt dann auch noch die Polsterbreite zum Sitzknochenabstand, rollt man selbst nach vielen Stunden im Sattel noch entspannt über die Ziellinie der großen Marathon-Runde.
Fazit: Die halten die Hosenbeine gut in Position, können an dicken Schenkeln aber etwas spannen. Besonders bequem ist das luftige Wabenmaterial an der Frontpartie. An der Hüfte kann die hoch geschnittene DC34-2 aber etwas einengen. Dort sitzt sie so stabil, dass die etwas lascheren Träger fast schon überflüssig erscheinen. Das breite Polster passt zwar zu vielen Fahrertypen, gibt aber auf längere Sicht etwas mehr Druck an den Körper weiter als so manches Konkurrenzprodukt. Die Nähte tragen teilweise etwas dick auf.
BIKE-URTEIL gut 49 Punkte
Fazit: Bei der Me Hose lassen sich Polster und Schnitt auf die eigenen Bedürfnisse anpassen. Im Konfigurator stehen neun Polsterhärten sowie ein etwas erhöhter Bund zur Auswahl. So deckt die Everve einen breiten Einsatzbereich ab. Die sehr leichte Hose sitzt eng und geschmeidig. Trotz kleiner Silikon-Dots tendieren die eher kurzen Hosenbeine leicht zum Hochrutschen. Das erneute Ausrichten ist fummelig. Die kleinen Polster lassen wenig Positionsänderung zu. Über eine spezielle Konstruktion mit kleinen Taschen lassen sich die Polster tauschen. Sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und Made in Germany!
BIKE-URTEIL: sehr gut - 51 Punkte
Fazit: Auch wenn die Gonso beim Schnitt nicht ganz mit den besten Hosen im Test Schritt halten kann, ist sie ein absoluter Preis-Leistungs-Tipp. Das dünne, straffe Polster bleibt selbst auf längsten Strecken druckstabil, verlangt aber gut eingesessene Sitzknochen. Für Einsteiger ist die Gonso daher nicht die optimale Wahl. Der Stoff sitzt bequem, wenn auch manchmal minimal kratzig. Die nahtlosen Träger sind ausreichend straff und halten die Hose sauber in Position. Gut gefallen haben uns auch die etwas längeren Hosenbeine, deren breite, nahtlose Abschlüsse ein Hochrutschen effektiv verhindern.
BIKE-URTEIL: gut - 50 Punkte
Fazit: Mit der Mille GTO findet Assos den perfekten Kompromiss aus Komfort und Kompression. Die Hose sitzt straff, ohne einzuengen. Sämtliche Bündchen kommen ohne Nähte aus. Silikon-Dots fixieren die Hose unauffällig am Oberschenkel. Die nahtlosen und am Rücken kreuzenden Träger halten das Polster optimal in Position. Fühlt man sich im Stand noch wie in eine Windel gepackt, spenden das extrem dicke Polster und der flauschige Einsatz im Schritt auch nach Stunden noch Komfort. Kleine Kritik gibt es für die leicht kratzigen Trägeransätze. Die Verarbeitung ist top, das Geld aus Erfahrung für Jahre gut investiert.
BIKE-URTEIL: super - 58 Punkte
Fazit: Die Mathilde kommt am Oberschenkel mit nur einer Naht aus, was sehr bequem ist, die Abschlüsse werden von langen Silikonstreifen gut in Position gehalten. Dafür ist die Passform nicht optimal. Das schmale Polster passt nicht zu jedem Fahrer und kann in Aktion schon mal etwas verrutschen. Die etwas old-schooli-gen Mesh-Träger umschließen den Körper fast wie ein Body, sind aber gewöhnungsbedürftig. Zwar tragen sie sich angenehm luftig, ihre Nähte sind aber während der Fahrt ständig spürbar, das Material zwickt etwas. Für die Langstrecke ist das Polster nur bedingt geeignet und lässt früh spürbar Druck an die Sitzhöcker.
BIKE-URTEIL gut - 48 Punkte
Fazit: Die Castelli ist der absolute Minimalist und voll auf Race getrimmt. Sie besteht aus nur drei Bahnen und verzichtet nahezu vollständig auf Nähte. Extrem leichtes, gleichzeitig aber straffes Material kühlt und stützt die Muskulatur. Gummierte Nähte halten Beinabschlüsse und Träger sehr gut in Position. Das Ausrichten beim Anziehen ist jedoch ein kleines Geduldsspiel, die Träger rollen sich stark ein. Das Polster fällt etwas schmal aus, ist aber an der richtigen Stelle in der Hose platziert und bietet mit seinem Gel-Einsatz auch auf langen Ausfahrten sehr guten Komfort. In der Hüftbeuge können beim Treten Falten entstehen.
BIKE-URTEIL: sehr gut - 54 Punkte
Fazit: Auf den ersten Blick ist die SQlab eine hochwertige Standard-Bib – breite, luftige und nahtlose Beinabschlüsse, komfortable, ausreichend straffe Träger, die die Hose noch gut in Form halten. Das Spannende enttarnt erst der Blick ins Innere. Die Ergo-Experten setzen auf ein vier Millimeter dünnes und sehr straffes Polster, das auch auf langen Touren formstabil bleibt und sich nicht durchsitzt. Gut eingesessene Fahrer empfinden diese Art Polster als sehr angenehm. Die breite Bauweise bietet Platz für Positionswechsel, vorne im Schritt bleibt etwas wenig Platz. Beim Gehen drückt das ausladende Polster in die Gesäßmuskulatur.
BIKE-URTEIL: sehr gut - 51 Punkte
Fazit: Aufgrund ihres aufwändigen Schnitts schmiegt sich die Sportful besonders gut um den Träger. Die vielen Nähte sind aber nicht immer optimal platziert, die Hose fällt zudem sehr klein aus. Luftige Mesh-Beinabschlüsse sorgen für Kühlung und halten auch ohne Silikon die Stellung. Die straffen Mesh-Träger lassen sich dagegen nur schwer ausrichten. Cordura-Gewebe schützt die Oberschenkel im Fall eines Sturzes. Das Sitzpolster ist eines der weichsten im Testfeld und auf längeren Ausfahrten schneller durchgesessen. Das Mesh am Oberschenkel ist nicht blickdicht, was gewöhnungsbedürftig ist.
BIKE-URTEIL: gut - 50 Punkte
Fazit: Angenehmer als die Velocio trägt sich keine andere Hose im Test. Der Stoff umschmeichelt förmlich die Haut, Nähte sind nur sichtbar vorhanden, aber nicht spürbar. Selbst die am Rücken kreuzenden Träger liegen geschmeidig auf den Schultern, besitzen aber trotzdem ausreichend Spannkraft, um die Hose während der Fahrt in Position zu halten. Die kann auch gerne länger dauern, denn das mittelharte Polster ist gut platziert und bietet ausreichend Komfort. Ansonsten ist die stylische Velocio eher schlicht gehalten, dafür aber in vielen schicken Farben erhältlich und sauber verarbeitet, das Material aber wenig abriebfest.
BIKE-URTEIL: sehr gut - 54 Punkte
Fazit: Der Exot im Test kommt mit wasserabweisender Behandlung und keramikbeschichteter Oberfläche damit ist die Isadore bestens für den Geländeeinsatz gerüstet. Tatsächlich gibt sich das Material erstaunlich robust, allerdings auch extrem straff. So greift man bei der eh schon eng sitzenden Gravel Bib besser zu einer Nummer größer. Sonst schneidet das Material beim Treten in der Hüfte ein. Beinab- schlüsse und Träger sind nahtlos gefertigt und sitzen solide. Praktisch ist die große Rückentasche. Das dünne Polster ähnelt dem der Gore-Hose, ist aber auf lange Sicht nicht ganz so druckstabil.
BIKE-URTEIL: gut 50 - Punkte
Fazit: Die Gore ist ein echter Hautschmeichler, das Material weich und anschmiegsam, die wenigen Nähte kaum spürbar. Trotz des dünnen Silikon-Bands rutschen die Beinabschlüsse nicht hoch, solange die Oberschenkel kräftig genug sind. Das Material könnte etwas mehr Spannkraft vertragen. Trotz Gummierung halten die Träger die Hose nicht optimal in Position, zudem rollen sie beim Anziehen stark ein. Auch Gore setzt auf ein dünnes, eher hartes Polster, welches das Gewicht des Fahrers gut aufnimmt und auch für lange Fahrten geeignet ist. Windstopper im Schritt schützt auf langen Abfahrten vor Auskühlung.
BIKE-URTEIL: sehr gut - 52 Punkte
Fazit: Einfacher Schnitt, klassische Beinabschlüsse und etwas dicker auftragende Nähte – man merkt der Protective den eher günstigen Preis an. Das Polster fällt extrem schmal aus und sollte wirklich gut zum Sitzknochenabstand passen, sonst sitzt man schnell daneben. Den Materialien mangelt es etwas an Spannkraft, die Beinabschlüsse sind dagegen eher straff. Auch die komfortablen Träger halten die Hose nicht optimal in Position. Durch den wenig vorgeformten Schnitt wirft die P-Traverse in der Hüftbeuge Falten, die auf langen Fahrten unangenehm werden können. Solide Einsteigerhose für kürzere Touren.
BIKE-URTEIL: befriedigend - 44 Punkte
Fazit: Typisch Assos sitzt auch die Dyora erst im Sattel perfekt. Das robuste Material bietet leichte Kompression und liegt stramm am Körper. Die breiten, straffen Träger werden angenehm seitlich an der Brust geführt, halten die Hose perfekt in Position, können aber an den Schultern drücken. Wir empfehlen, eventuell eine Nummer größer zu kaufen. Beinabschlüsse mit eingewobenem Silikon und der leicht erhöhte Bund sorgen auch auf langen Fahrten für viel Komfort. Das Polster sitzt gut platziert und bewegt sich mit der Fahrerin mit. Kleine Kritik: Die Nähte in der Hüftbeuge und am Trägeransatz sind leicht kratzig.
BIKE-URTEIL: sehr gut - 55 Punkte
Fazit: Wer mal eine richtig stylische Radhose möchte, sollte sich bei den Franzosen umschauen. Die Mathilde überzeugte zudem alle Testerinnen mit geschmeidigem Tragekomfort. Ihr angenehmer Stoff umschmeichelt die Beine, es sind keinerlei Nähte spürbar. Auch die silikonlosen Abschlüsse der länger gehaltenen Hose sind top. Zudem fühlt man sich in ihrem Mesh-Body rundum gut verpackt. Lediglich am Nacken und unter den Achseln ist der Schnitt etwas eng. Das weiche Polster ist gut platziert, sitzt sich aber auf längeren Touren leichter durch. Für die Pipipause muss man sich umständlich aus dem Kokon schälen.
BIKE-URTEIL: sehr gut - 51 Punkte
Fazit: Löffler verschweißt die angenehm weichen Stoffbahnen mit speziellen, reflektierenden Nähten. Das erhöht den Komfort und die Sicherheit. Der Bund sitzt am Bauch schön hoch, zusätzlich wird der Nierenbereich von einer Vliesschicht geschützt. Während der Fahrt kann der Bund jedoch umklappen und dann am Bauch drücken. Das etwas dickere Polster sitzt an der richtigen Stelle und bleibt auch auf längeren Ausfahrten ausreichend druckstabil. Das Silikon an den eher klassisch gehaltenen Beinabschlüsse ziept beim Tragen. Auch ohne Träger sitzt die Löffler sicher und bietet somit Vorteile bei der Pipipause.
BIKE-URTEIL: gut - 49 Punkte
Fazit: In die Supergiara muss man sich förmlich reinschälen – oder man kauft sie eine Nummer größer. Die Hose zwingt einen schon fast in die Radhaltung, ihre Träger sitzen stramm und rollen sich während der Fahrt etwas ein, das fand nicht jede Testerin angenehm. Das Material bietet schon eine leichte Kompression, fühlt sich aber auch etwas kratzig an. Die eher längeren Beinabschlüsse werden von klebrigem Silikon in Position gehalten, Ziepen oder Hautirritationen bemängelte aber keine Testerin. Das Sitzpolster fällt zwar eher weich aus, ist dafür aber auch breit genug, um hin und wieder die Position zu wechseln.
BIKE-URTEIL: gut - 47 Punkte
Fazit: Dass die Träger der Ease nicht drücken, obwohl sie vorne über die Brust laufen, liegt an ihrer geringen Spannkraft. Man könnte fast auf sie verzichten. Die Hose sitzt selbst ohne gut, auch wenn die vielen Nähte – besonders die Naht am Bauch fiel den Testerinnen negativ auf – den Tragekomfort etwas mindern. Zudem ist der Schnitt nicht ideal an die Radhaltung angepasst und wirft beim Treten spürbar Falten. Das Polster wirkt eher dünn, schmiegt sich aber unauffällig und ohne Druckstellen zwischen Körper und Sattel. Trotz Silikon am Bündchen neigen die eher kurzen Hosenbeine zum Hochrutschen.
BIKE-URTEIL: gut - 47 Punkte
Fazit: Auch das zweite trägerlose Modell im Test hat das Problem, dass sich das Bündchen am Bauch einrollt und dann Druckstellen verursacht. Ansonsten trägt sich die hoch geschnittene P-Traverse aber recht angenehm und packt die Trägerin gut ein. Das Material hat rundum die gleiche Spannkraft, fühlt sich vollgeschwitzt aber etwas billig an, Nähte sind dafür kaum zu spüren. Gut: Die Abschlüsse der langen Hosenbeine drücken nicht direkt auf den Muskel. Der üppige Silikonein- satz stört etwas. Das Polster fällt wie bei der Herrenhose sehr schmal aus und lässt nur wenig Spielraum für Positionsveränderungen.
BIKE-URTEIL: gut - 46 Punkte