Matthias Borchers
· 15.03.2024
Unsere Testerin Birgit steht vor dem Spiegel, leicht irritiert über etwas, das nicht zu stimmen scheint. Sie dreht sich um die eigene Achse und fragt sich, warum die Hose so seltsam sitzt. Der Reißverschluss am Latz gehört doch nach vorne - oder etwa nicht? Unterscheiden sich Trägerhosen, die für den weiblichen Boxenstopp a. k. a. Pinkelpause ausgerüstet sind, in ihrer Handhabung von normalen Trägerhosen? Sie sucht nach der Bedienungsanleitung um sicherzugehen.
Die Hersteller haben verschiedene Bezeichnungen für die Pipi-Pause unterwegs entwickelt: Gore nennt es "Bio Break", was die Pause für biologische Bedürfnisse umschreibt; der "Boxenstopp" ist ebenfalls beliebt, während "Klopause" eher hölzern klingt. Im internationalen Marketing-Sprech, der vom Englischen geprägt ist, setzt sich zunehmend der Begriff "pee-friendly" durch, was letztlich bedeutet, dass es bequem ist, in speziell konstruierten Radhosen das kleine Geschäft zu erledigen, ohne sich fast ganz ausziehen zu müssen.
Früher war die Bundhose ohne Träger die bevorzugte Wahl für das beschriebene Problem. Denn ohne Träger unter dem Trikot oder der Jacke verlief jede Pause entspannt und ohne unnötiges Gefummel. Entsprechend waren Fahrradhosen mit Bund für diejenigen, die einen unkomplizierten Boxenstopp wollten, die einzige Option. Die meisten Frauen, die regelmäßig und engagiert Fahrrad fahren, stellen jedoch schnell fest, dass eine Radhose ohne Träger außer in diesem einen Punkt ansonsten überwiegend Nachteile mit sich bringt. Sie rutscht, der Bund kann sich in der Hüftbeuge einrollen, die Nierengegend wird nicht geschützt und das Sitzpolster bleibt nicht zuverlässig in Position.
Radsportlerinnen ziehen lieber Bikeshorts mit Hosenträgern (bib shorts) an, da diese viele Vorteile bieten, die eine Bundhose nicht hat. Deshalb mussten die Hersteller Lösungen finden, um das Herunterziehen der Hose zu ermöglichen, ohne das Trikot oder andere Oberteile ablegen zu müssen. Für unseren ersten großen Vergleichstest dieser pinkel-freundlichen Fahrradhosen haben wir 14 Hersteller eingeladen, von denen 10 teilgenommen haben. Viele bekannte Hersteller sind vertreten, von Assos bis Velocio; die günstigste Hose stammt von Craft und kostet 130 Euro, während das Modell von Velocio mit 260 Euro genau doppelt so viel kostet.
Die Bib-Shorts mit dem schnellen Ausstieg lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: Während bei Gore und Bioracer Reißverschlüsse die Hose trennen, ermöglichen bei Assos, Craft, Isadore und Rapha Clips, Magnetverschlüsse sowie Haken und Ösen das Abtrennen der Träger. Endura, Pas Normal Studios, SQ-Lab und Velocio hingegen setzen auf elastisches Material am Hosenbund und den Trägern, was ein einfaches Herunter- und Hochziehen ohne den Einsatz von Reißverschlüssen oder Haken ermöglicht.
Die Hosen im Test zeigen insgesamt eine solide Performance und erhalten entsprechend gute bis sehr gute Bewertungen, wobei sich größere Unterschiede beim Handling zeigen. Jede dieser Hosen übertrifft eine Standard-Trägerhose in Bezug auf das Handling, wobei Hosen nach dem Schlupfprinzip (Pull Down) die schnellste Pipi-Pause ermöglichen. Die Hosen von Assos, bei denen die Clips eingefädelt werden müssen, und von Craft mit dem etwas kniffligen Hakensystem erfordern hingegen mehr Zeit.
Übrigens: Unsere Testerin Birgit bemerkte schnell den Grund für den schlechten Sitz der Testhose mit dem Reißverschluss. Sie hatte sie einfach falsch herum angezogen, wobei der „Latz“ nach hinten gehörte. Nachdem sie die Hose einmal ausgezogen und richtig herum wieder angezogen hatte, saß sie passend und unauffällig wie jede andere Trägerhose - ganz ohne Bedienungsanleitung.
Fast alle Hersteller von Radbekleidung bieten mittlerweile pinkel-freundliche Trägerhosen für Frauen an, die einen schnellen Boxenstopp ohne lästiges Ausziehen ermöglichen sollen. Das Testergebnis ist durchweg positiv, da alle Hosen den Toilettenstopp erleichtern und verkürzen. Besonders gut bewerteten die Testerinnen dabei die Bib-Shorts, die sich dank elastischer Träger mühelos herunterziehen lassen, wie zum Beispiel die Modelle von Endura oder SQLab.
Die günstigste Hose: Craft ADV Aero Bibshort W
Die leichteste Hose: Pas normal Studios Women´s Essential Light Bib
Erfahrene und trainierte Radsportlerinnen, ähnlich wie die meisten Männer, ziehen in der Regel ein dünnes, festes und kleineres Sitzpolster in der Radhose vor. Der Grund dafür ist, dass das Schambein und die Sitzknochen auch das dickste und weichste Polster nach kurzer Zeit zusammendrücken können, wodurch das verdrängte Material zwischen Haut und Sattel Reibungen verursachen kann, was zu Hautreizungen bei jedem Pedaltritt führen kann.
Personen, die weniger trainiert sind, empfinden möglicherweise anfangs ein sehr dünnes und festes Polster als unbequem. Doch nach einer gewissen Zeit gewöhnt sich das Gewebe im Sitzbereich an die Belastung, und das dünnere und festere Sitzpolster wird in der Regel als angenehmer empfunden.
In dieser Ausführung verlaufen die Reißverschlüsse entweder senkrecht am Rücken oder waagerecht beidseitig über der Hüfte. Bei einem senkrechten Reißverschluss teilt sich die Radhose vertikal und lässt sich zu beiden Seiten hin öffnen, was für kurze Boxenstopps gut funktioniert, aber beim Toilettengang eine erhöhte Sauberkeit erfordert. Waagerecht verlaufende Reißverschlüsse bieten etwas mehr Spielraum. Beide Varianten beschränken die Elastizität der Bike-Hose etwas und können auf nackter Haut leicht zwicken.
Die Träger können entweder nur hinten oder vollständig von der Fahrradhose abgetrennt werden. Bei den meisten Modellen dienen mechanische oder magnetische Clips als Verschlussmechanismus, während Craft eine Reihe von Haken und Ösen verwendet, über die sich die Spannung der Hosenträger gleichzeitig anpassen lässt. Diese Ausführung ermöglicht es, die Hose weit herunterzuziehen. Das Wiedereinfädeln der Träger kann jedoch aufgrund der Spannung der Hosenträger eine Geduldsprobe darstellen.
In der Pull-Down-Variante sind sowohl die Träger als auch die Hose so flexibel gestaltet, dass die Hose mitsamt der Träger ganz einfach heruntergezogen werden kann. Diese Methode ist die unkomplizierteste und schnellste, jedoch können die Träger aufgrund des Zugdrucks auf den Schultern im Laufe der Zeit Druckstellen hinterlassen.
Anleitung zum Herunterziehen: Um die Hose herunterzuziehen, führt man beide Hände hinter den Rücken. Mit den Daumen sucht man die Innenseite der Träger und führt sie am Ansatz zur Hosenbox unter den Stoff. Von dieser Position aus kann man sich langsam hinhocken oder hinsetzen, während die Daumen bzw. Hände gleichzeitig die Hosenbox nach unten schieben. Die Träger gleiten dabei am Gesäß vorbei.
Gesamtnote (100%): 1,7
Das Material ist fest und dicht, was sich angenehm anfühlt, aber möglicherweise bei sehr heißen Temperaturen zu warm sein kann, besonders mit langen Hosenbeinen. Das Polster ist weich und scheuert dank der schwimmenden Befestigung kaum. Die Clip-Verschlüsse sind gut erreichbar.
Gesamtnote (100%): 2,1
Der vertikale Reißverschluss zum Öffnen und Teilen der Hose am Rücken ist gut erreichbar, reduziert jedoch die Elastizität der Hose etwas. Die Träger haben die Tendenz, sich einzurollen.
Gesamtnote (100%): 2,3
Die preisgünstigste Hose im Test. Das Material wirkt etwas schlaff, wodurch das Polster nicht optimal fixiert wird. Der Hakenverschluss am Rücken funktioniert zwar gut, erfordert jedoch einiges an Geschick. Die Mesh-Träger fühlen sich auf nackter Haut etwas kratzig an.
Gesamtnote (100%): 2,1
Die Vorderseite der Radhose ist wie ein Ganzkörperanzug geschlossen, was sie etwas schwerer macht. Die Pinkel-Funktion gehört zu den besten in diesem Bereich. Allerdings verlängert sich das Anziehen aufgrund des sehr klebrigen Gelprints an den Beinabschlüssen etwas.
Gesamtnote (100%): 2,1
Beim Treten der Pedale sind die waagerechten Reißverschlüsse kaum spürbar, können jedoch etwas kratzen, wenn man die Hose an- oder auszieht. Das Polster ist gut platziert, trägt jedoch etwas auf und ist beim Treten der Pedale stärker spürbar als bei den anderen getesteten Hosen.
Gesamtnote (100%): 1,8
Dank der Magnetverschlüsse lassen sich die Träger problemlos von der Hose trennen; allerdings sind die Magnete beim Treten der Pedale spürbar. Das Polster ist äußerst angenehm und sitzt perfekt. Außerdem verfügt die Hose über eine Riegeltasche am rechten Hosenbein.
Gesamtnote (100%): 1,3
Im Test ist dies die leichteste Hose; ihr Material fühlt sich vergleichsweise dünn an und eignet sich besonders für sommerliche Temperaturen. Sie bietet sehr gute Trageeigenschaften und ein unauffälliges Polster, ist jedoch relativ teuer.
Gesamtnote (100%): 1,9
Der Clipverschluss ist sehr einfach zu handhaben. Die Hose verfügt über ein relativ festes und sehr großes Polster, das jedoch nicht optimal in Position gehalten wird, was ein gewisses Windelgefühl erzeugt. Die luftigen Hosenträger aus Mesh-Material neigen dazu, sich einzurollen.
Gesamtnote (100%): 1,2 (TOUR-Testsieger)
Die Testsieger-Hose erfüllt in allen funktionalen Kriterien höchste Ansprüche, lediglich das Reflexmaterial fehlt. Das dünne, feste und sicher positionierte Sitzpolster sorgt für Komfort. Der Boxenstopp ist unkompliziert und schnell.
Gesamtnote (100%): 1,5
In allen Kategorien überzeugt die teuerste Hose im Test mit hohem Tragekomfort. Lediglich die umlaufenden und etwas auftragenden Nähte an den vergleichsweise schmalen Beinabschlüssen könnten stören.
Der Test wurde von unserem Schwestermagazin TOUR durchgeführt. Vor dem Test wurden alle Fahrradhosen nach Anleitung gewaschen und von unseren Testerinnen nach vier unterschiedlich gewichteten Kriterien bewertet: