Timo Dillenberger
· 01.09.2024
Im Pkw-Sektor gehören Alarmanlagen zumindest in der Oberklasse seit 30 Jahren zur Standardausstattung. Es beruhigt die Besitzer offenbar, dass es etwaigen Einbrechern, Dieben oder Vandalen so schwer und unangenehm wie möglich gemacht wird. Wie uns die Polizeistellen in Berlin und Münster bestätigen: Das beste Mittel gegen Diebstahl ist, den eigentlichen Vorgang der Entwendung so lange und öffentlich wie möglich zu machen, auch im Fahrradsektor. Mit steigenden Durchschnittswerten der Räder werden auch die Diebstahlmethoden professioneller, so das Fachkommissariat für Raddiebstähle Münster.
Vorgänge mit Akkutrennschleifern seien heute viel häufiger als noch vor Jahren, auch zu Tagzeiten. Aus Berlin werden gerade Methoden bekannt, wo Radständer vorbereitend durchtrennt werden und der Spalt dann mit Aufklebern unauffällig wieder verschlossen wird. Wird ein entsprechend wertiges Rad an diesem Ständer fixiert, können Bike und Schloss durch den Spalt binnen Sekunden von der vermeintlichen Sicherung entfernt werden, selbst wenn die Diebstahlsicherung vorbildlich war. Außerdem schützen auch Hightechschlösser kaum von Teilediebstahl oder mutwilligen Beschädigungen geparkter Räder.
Gut, sowohl für die Seele als auch den Geldbeutel, ist zusätzlicher elektronischer Diebstahlschutz. Der einfachste ist der Alarm. Im Allgemeinen werden Geräte von der Größe einer Zigarettenschachtel fest am Rahmen montiert, in ihnen sitzt ein Sensor für Neigung, Bewegung und/oder Erschütterung des Rades über ein gewisses Niveau hinaus. Meldet der einen möglichen illegalen Zugriff, ertönt ein unangenehmer Ton, der zumindest Aufmerksamkeit erregt. Gelegenheitsdiebe und Amateure werden so recht wirksam abgeschreckt.
Wenn Profis mittlerweile sogar Schlösser bei Tag aufflexen, dürfte die der Alarm aber wenig stören. Dafür kosten solche Geräte, die gerne auch in Rücklichtern integriert werden, nur 20 bis knapp 50 Euro. Mehr und mehr tauchen auch Schlösser auf, in deren Korpus ein solcher Sensor samt Sirene eingelassen ist. Alarme bringen natürlich umso mehr, je öffentlicher der Abstellort ist. Auch wichtig: Die Demontage sollte nicht zu simpel sein; gute Alarme nutzen verdeckte Schrauben und massivere Schellen oder bieten sogar Fixpunkte passend zu Flaschenhaltergewinden. Je versteckter und robuster die Anbringung, desto höher die Abschreckung.
Wie aber sowohl die Polizeidienststellen als auch die Anbieter von Schlössern und Schutzsystemen, mit denen wir gesprochen haben, einheitlich sagen: Den hundertprozentigen Schutz gegen Diebstahl gibt es nicht! Der neuste Trend im Wettrüsten mit den Raddieben ist nicht der eigentliche Schutz vor Diebstahl, sondern die Möglichkeit der Verfolgung des geklauten Bikes. GPS-Tracking kennt man schon von Mobiltelefonen oder Hundehalsbändern. Örtliche Bewegungen werden über das Satellitensystem erfasst und meist über einen kommerziellen Anbieter aufgefangen. Solch ein Sendechip muss mit einer Stromquelle ausgestattet und fest am Rad montiert sein.
Im Allgemeinen über Handyapps lässt sich dann das abgestellte Rad in eine Art “Parkmodus” versetzen – wird seine Position währenddessen verändert, erhält der Besitzer einen Alarm auf sein Smartphone, und die Bewegungen des Bikes werden erfasst und gespeichert. Wichtig: Man sollte den Tracker nicht mit einem dauerhaften Positionsanzeiger verwechseln, der zum Beispiel die Fahrrouten aufzeichnet, wie uns Katerine Pauwels von bikefinder erklärt.
Setzt uns ein Bürger auf die GPS-Fährte seines gestohlenen Rades, nehmen wir sobald irgend möglich und grenzübergreifend die Verfolgung auf. - Pressestelle Polizei Berlin
Die Position des Rades werde nicht dauerhaft gesendet, das würde den Akku binnen Stunden statt Wochen leeren, außerdem könnte das datenschutzrechtlich schwierig sein. Erst bei bestätigter Entwendung funkt der Sender die Route konstant, sodass man das Rad verfolgen kann. Wobei das wiederum die Polizei übernehmen sollte. Wenn es auf fremde Grundstücke gehe oder gar in Gebäude, befinde man sich im Bereich des Hausfriedensbruchs, selbst wenn es um das eigene geklaute Rad gehe, so die Berliner Polizei.
Solche Verfolgungen kämen in den letzten Jahren übrigens immer häufiger vor, so alle befragten Dienststellen. Man nehme derartige Meldungen sehr ernst und sei sogar dankbar und froh über diese Hilfen. Im Falle von bikefinder erleichtern sogar zusätzliche Signale wie Bluetooth die Ortung auf wenige Meter genau, selbst Etagen könne man bestimmen, so Katerine Pauwels. Die Norweger können mit einer Wiederauffindungsquote von rund 80 Prozent protzen. Das ist etwa das Vierfache dessen, was Statistiken von Polizei und Versicherungsunternehmen ausweisen.
Die Anbieter für solche Ortungssysteme kann man in drei Kategorien aufteilen. Erstere sind am günstigsten, der Sender benötigt aber ein Gerät in recht unmittelbarer Distanz wie die Airtags von Apple, die eher zum Auffinden von Schlüsseln sind. Meist mit laufenden Kosten sind reine GPS-Systeme verbunden. Sie senden ihren Standort, und ein externer Dienst übernimmt die Lokalisierung und Meldung des Diebstahls und den letzten Standort.
Etwas teurer in Anschaffung und Betrieb, dafür aber am erfolgversprechendsten, sind Mehrfachsender. Bikefinder arbeitet neben dem GPS- und Bluetooth-Netz auch im GSM-Handynetz, eine SIM-Karte ist ab Werk verbaut. Über die Mobilfunkzellen ist eine Ortung auch oft noch möglich, wenn die anderen Signale z.B. durch Bauwerke begrenzt sind. Neben der Anschaffung für knapp unter 200 Euro muss man bei den Top-Trackern mit Abokosten von 2,29 Euro bis etwa acht Euro pro Monat rechnen. Für den Fall, dass die Wiederbeschaffung doch nicht funktioniert, bietet bikefinder selbstbewusst noch Versicherungen an. Ein Riesenvorteil für Tracker ist sicher eine versteckte Einbauweise, der Dieb soll gar nicht wissen, dass er oder sie getrackt wird.
Profilangfinger besitzen laut Berliner Polizei teils speziell präparierte, abgeschirmte Transporter oder verbringen die Beute so schnell es geht in entsprechend geschützte Räume, bis man den Chip entfernt hat oder dessen Akku sicher leer ist. Bei ab Werk integrierten Trackern in E-Bikes wie beim neuen Bosch-System kann das aber lange dauern; das Dauersignal eines Nachrüstsenders hält etwa drei Tage. Was Diebe auch gern tun, um der Verfolgung zu entgehen: Sie parken das Beuterad öffentlich, schließen es mit einem eigenen Schloss fest und warten ab. Sollte der Besitzer sein Rad binnen Tagen auffinden, ist der Dieb damit schwer in Verbindung zu bringen. In diesem Fall ist es paradoxerweise illegal das fremde Schloss am eigenen Rad zu knacken – Sachbeschädigung!
Sowohl Alarme als auch Tracker sind übrigens kein Ersatz für ein wertiges Schloss, sondern nur eine Extraabsicherung. Eine All-in-one-Lösung bietet ein ostdeutscher Hersteller. Das Rahmenschloss von “I lock it” mit integrierter Kettenschlaufe (siehe Foto) an sich ist schon ein guter Schutz. Mit dem Smartphone gekoppelt und per Fernbedienung aktiviert, fährt der Schließbügel nicht nur sehr imposant motorisiert zu, sondern es wird auch ein Alarm scharfgeschaltet, der bei mehrmaligen Erschütterungen am Bike ertönt. Der 110 Dezibel laute Ton ist markerschütternd. Gleichzeitig zum Alarm aktiviert sich in den Versionen “GPS” und “Pro” der Tracker, und der Besitzer bekommt eine Meldung per Smartphone, kann in diesem Modus jetzt das Rad auf der Karte verfolgen.
Die Kosten liegen auch bei etwa 200 Euro, dafür sind Schloss, Alarm und die ersten zwei Jahre Betrieb schon integriert. Natürlich ist das Rahmenschloss nicht ganz so elegant wie unsichtbare Lösungen. Wir haben übrigens sechs Versicherungen angefragt, ob sich die Prämien für Hausrat- oder Bikeversicherung durch ein solches Sicherheits-Plus senken lassen würden. Alle fanden den Gedanken interessant, aber weder sie noch der Verband der Versicherer konnte hier konkrete Angebote machen. Pflicht sei eine elektronische Zusatzsicherung aber auch bei fünfstelligen Werten nicht. Bei 2023 auf 1100 Euro durchschnittlichen Schaden pro Versicherungsfall kein Wunder.