Jörg Spaniol
· 28.11.2019
Der Dämpfer leckt, die Bremse zieht Luft, die Regenjacke löst sich auf. Da schwillt einem schon mal der Hals. Aber zum Glück gibt es ja Garantie und Gewährleistung. Doch wann tritt die in Kraft?
Innerhalb der ersten beiden Jahre muss der Händler alle Mängel beheben, die schon beim Kauf vorhanden waren auch wenn sie sich erst später zeigen. Das ist gesetzlich durch die Sachmängelhaftung/Gewährleistung vorgeschrieben. Zusätzlich sprechen viele Hersteller eine freiwillige Garantie aus, die sie nach Belieben gestalten können (siehe ganz unten: Liste der Garantieleistungen bei den top Fahrrad-Marken). Als Kunde kann man beides in Anspruch nehmen, aber nicht gleichzeitig.
Vorteile der gesetzlichen Sachmängelhaftung/Gewährleistung
Nachteile der Sachmängelhaftung
Vorteile der Garantie
Nachteile der Garantie
(*Laut BIKE-Leserumfrage 2018 in der Kategorie "Kaufabsicht". Reihenfolge alphabetisch, nicht nach Umfragewerten.)
Selbst gewiefte Konsumenten stoßen irgendwann an die Grenzen ihrer Rechtskenntnis. Dann hilft nur noch der Anruf beim Experten. Wir haben den Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Michael Heidelbach um Rat in sechs Problemfällen gebeten.
1 Was passiert mit der Garantie beim Kauf außerhalb der EU?
Beim Kauf außerhalb der EU richten sich die Gewährleistungsrechte nach den gesetzlichen Vorgaben des Landes, in dem die Sache gekauft wurde. Die davon zu unterscheidenden Garantiebestimmungen bestimmt dagegen der Verkäufer oder Hersteller. Wenn dieser beispielsweise eine weltweite Garantie anbietet, kann man diese im Land des Verkäufers oder Herstellers geltend machen. Bietet er nur eine landesweite Garantie an, fällt die für einen ausländischen Käufer weg.
2 Was tun, wenn bei einem Gewährleistungsfall die Farbe nicht gefällt oder ein Austauschrahmen nicht zum übrigen Setup passt?
Bei einer mangelhaften Kaufsache schuldet der Verkäufer Nacherfüllung. Er hat dann den Käufer so zu stellen, wie dieser ohne Mangel dastehen würde. Das heißt, er hat beispielsweise dem Käufer den gleichen Rahmen einzubauen, den er vorher ausgebaut hat. Dies gilt auch für die Farbe. Hat der Rahmen plötzlich eine andere Farbe oder handelt es sich gar um einen anderen Rahmen, darf der Käufer erneut Nachbesserung vom Verkäufer fordern.
3 Geht beim Gebrauchtkauf die Gewährleistung auf den neuen Besitzer über?
Bei der gesetzlichen Gewährleistung ist die Regelung einfach: Der gewerbliche Händler schließt mit dem privaten Käufer einen Vertrag – und nur mit diesem. Veräußert der erste Käufer die gekaufte Sache später weiter, gibt es einen neuen Vertrag zwischen dem ersten Käufer und dem neuen Käufer. Will der neue Käufer reklamieren, ist damit der private Verkäufer der richtige Ansprechpartner. Oft schließen private Verkäufer jedoch jegliche Gewährleistungsansprüche aus. Der zweite Käufer kann dann keine Gewährleistungsansprüche mehr geltend machen.
4 Nach neuester Rechtslage muss der Händler im Gewährleistungsfall eine "sperrige Sache" auf seine Kosten abholen lassen. Ist ein Fahrrad so eine sperrige Sache?
Ja. Wenn der Käufer Verbraucher ist, ist der Verkäufer verpflichtet, alle erforderlichen Aufwendungen zu tragen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten.
5 Selbst bei einem Racebike kann der Hersteller den Renneinsatz oder das Training dafür von der Garantie ausnehmen. Aber kann er sich damit auch der Gewährleistung entziehen?
Nein. Solange das Rad dem "bestimmungsgemäßen Gebrauch" nach genutzt wird, können bei einem auftretenden Mangel Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden. Kauft man also ein Racebike, kann man Gewährleistungsrechte geltend machen, wenn das Rad bei einem Rennen kaputtgeht. Das Radrennen ist dann der "bestimmungsgemäße Gebrauch".
6 Bei einem Individualaufbau wird der Radhändler zum Hersteller. Habe ich dann noch Garantieansprüche an den Rahmenhersteller?
Bei einem Individualaufbau wird zwischen dem Radhändler und dem Käufer in der Regel ein Werkvertrag über die Herstellung eines individuellen Rades geschlossen. Eventuelle Ansprüche des Käufers richten sich dann nicht mehr gegen den ursprünglichen Rahmenhersteller, sondern – nach Werkvertragsrecht – gegen den Verkäufer des Rades.
Wolfgang Schobert leitet den Technischen Service bei Scott Sports. Die umfassende Garantie von Scott verpflichtet den Kunden zu einem jährlichen Service bei einer Fachwerkstatt. „Der Stempel ist uns im Zweifelsfall auch mal egal, wenn der Gesamtzustand des Bikes passt. Wir wollen einfach ein Bewusstsein dafür schaffen, dass ein technisches Produkt Service und Pflege braucht. Beim Auto wird das als selbstverständlich akzeptiert.“
Diesen Artikel finden Sie in BIKE 9/2019. Die gesamte Digital-Ausgabe können Sie in der BIKE-App (iTunes und Google Play) lesen oder die Print-Ausgabe im DK-Shop nachbestellen – solange der Vorrat reicht: