Regelmäßige BIKE-Leser haben es schon mitgekriegt: Das Rad dreht sich weiter und zwar breiter als zuvor. Für 2016 geht es nicht um einen neuen Laufraddurchmesser, sondern um eine neue Reifenbreite: Midsize, Slim- oder Semifat, 6Fattie – 27,5+ oder einfach B-Plus-Format genannt. Sind fette Reifen auf breiten Felgen wirklich eine Bereicherung? Und wenn ja, für wen? Plus-Bikes schießen jedenfalls wie Pilze aus dem Boden. Für uns sind dabei einige Fragen ungeklärt.
Was ist denn da eigentlich los? Nach 29 Zoll und der Ablösung von 26 Zoll durch 27,5 Zoll rollt jetzt die nächste Welle an. 27,5+, 6Fattie, Midsize oder Plus-Format heißen die nächsten Ideen der Entwicklungsabteilungen – ein Zug, auf den viele Firmen aufspringen, ohne genau zu wissen, wohin die Reise geht.
Fakt ist, der Biker weiß weder ein noch aus. Weil mit dem Plus-Format viele neue Standards auf den Markt kommen (z. B. Boost 148/110), bleibt die Kompatibilität von Rahmen und Laufrädern auf der Strecke.
Wer soll das kaufen? Gute Frage. Wir haben die Vor- und Nachteile der dicken Reifen erforscht (BIKE 8/15) und festgestellt: In der Idee steckt Potenzial, die Leistungsfähigkeit hängt aber vom Reifenmodell, -format und -gewicht ab. Leichtbau, jahrelang Priorität Nummer eins bei Bikes, rückt beim Plus-Format in den Hintergrund. Das klingt absurd.
Überraschend ist, dass Specialized, 29er-Vorreiter und 27,5-Zoll-Nachzügler, dem Plus-Format große Chancen einräumt. Im Trail-Einsatz "… könnte 6Fattie sogar 29 Zoll ablösen", heißt es aus dem Produkt-Management. Kein Wunder, dass eingefleischte Biker jetzt die Augen rollen.

Georg Grieshaber Plus ist nicht gleich Plus. Reifenmodell und -breite machen den Unterschied. Vor einigen Jahren experimentierten Biker mit 2,5 Zoll und breiteren Reifen – durchgesetzt hat sich das nicht. Warum also sollen jetzt 2,8 oder sogar 3,2 Zoll breite Reifen die Lösung sein? Sie sind immer schwerer als schmale, und ob der Touren-Biker tatsächlich die Vorteile nutzt, bleibt individuell offen und hängt vom Reifenmodell und dem Gesamtkonzept des Bikes ab. Die Entwicklung steht am Anfang, die Eigenschaften und damit Funktion der verfügbaren Reifen unterscheidet sich stark. Die Agilität leidet in jedem Fall.
Wir meinen: 27,5+ ist ein Format für Trendsetter. Wer sich eines der teuren (und trotzdem noch schweren) Top-Modelle leisten kann, erweitert damit eventuell seinen Horizont. Erfahrene Touren-Biker, die ein modernes 27,5er oder 29er haben, brauchen den Umstieg nicht unbedingt.

Georg Grieshaber