So langsam kehrt Ruhe ein am Brechhornhaus. Gegen Abend, wenn der Berg seinen Schatten über die Sonnenterrasse wirft, machen sich die Tagesgäste wieder auf ins Tal. Jetzt fällt auch Christl, die Hüttenwirtin, zurück in ihre Gemütlichkeit und zapft sich ein Bier. "Wollt Ihr auch noch eins?" Drei Leute heben die Hand: Susie, ich – und noch ein weiterer Gast, der sich bereits eine Weile an seinem leeren Weißbierglas festgehalten hat. Offensichtlich ein einheimischer Biker, der von Westendorf hochgekurbelt kam. "Und Ihr? Seid’s von Kirchberg heraufgekommen?", will er wissen. Ich nicke: "Ja, über den Gaisberg, dann über den Harlassanger runter nach Brügglbach und von da herauf." "Schöne Runde." Christl bringt uns das Bier an den Tisch und setzt sich dazu. Übernachtende Biker hat sie nicht so oft. Die meisten Biker rund um Kichberg seien Tagesgäste, erzählt sie. Sie kämen meist wegen der angelegten Trails, die mit der Seilbahn zu erreichen sind. "Wegen dieser Trails sind wir auch da", sage ich und blicke Susie von der Seite an, ohne den Kopf zu drehen. Susie grinst ihr Bier an und weiß, worauf ich anspiele. Es gab nämlich im Vorfeld eine Diskussion über das gemeinsame Wochenende: Trails mit Seilbahn? Oder mal wieder eine ehrliche Tour?
Mit Lift die besten Trails in den Kitzbüheler Alpen verbinden
Heraus kam diese Mischung in den Kitzbüheler Alpen. Eine Rund-Tour von Kirchberg bis ins Sperten- und Windautal mit Übernachtung im Brechhornhaus. Die Route ist dabei so gelegt, dass wir Gaisberg- und Lisi-Osl-Trail mitnehmen – und dank Liftticket auch schnell noch mal fahren können. Natürlich nur, wenn uns noch genügend Zeit bleibt. Aber apropos Zeit, draußen ist es mittlerweile dunkel geworden. Das fällt jetzt auch dem Tagesgast auf. Schnell packt er seinen Kram zusammen und verabschiedet sich bei der Wirtin mit einem "Pfiadi!" Im Tagesrestlicht sehen wir ihn noch die Forststraße runterschießen. Ob man sich Sorgen machen muss? "Aber na!", die Wirtin lacht, " Des macht der immer so."
Zwei-Tages-Hütten-Tour rund um Kirchberg
Zwei Tage hintereinander den Harlassanger Trail
Ich stelle mir gerade vor, wir wären heute auf unserer Tour ins Dunkle gekommen. Die eng gesteckten Kurven des Lisi-Osl-Trails waren schon bei Tageslicht nicht ohne. Die kreuz und quer laufenden Wurzeln sollte man schon rechtzeitig erkennen. Der Harlassanger war dann mehr Susies Ding. Der Pfad über den Anger führt durch bucklige Almwiesen. Stets im gemütlichen Flow, immer mit Blick übers Tal – bis er im Wald plötzlich Fahrt aufnimmt und die Hände wieder fest am Lenker gebraucht werden. "Eigentlich war das der schönste Trail heute", resümiert Susie jetzt über ihre Rommée-Karten hinweg. Die Bergsilhouette gen Westen zeichnet sich nur noch schwach vom Nachthimmel ab. Die Hüttenwirtin verabschiedet sich ins Bett: "Wenn Ihr noch was trinken wollt, nehmt’s Euch und macht’s an Strich. Gute Nacht!"
Am nächsten Morgen führt uns die Route nach Aschau, ein kleiner Weiler, der letzte im Spertental. Beschaulichkeit pur, ansteckende Ruhe. Der Gredwirt, eine urtypische Tiroler Wirtschaft am Wegesrand, hat leider noch zu. Und als wir am Ortsende angelangt sind und noch keinen Dorfladen gefunden haben, kommen Zweifel auf, ob es hier überhaupt noch einen gibt. Die Aussicht, ohne Brotzeit weiterfahren zu müssen, verhagelt Susie fast den Morgen. Doch als wir zurück ins Dorf rollen und den ersten Passanten befragen, gibt es die Entwarnung. Unten an der Hauptstraße Richtung Kirchberg gebe es einen kleinen Laden. Na also, mit frisch belegten Semmeln und 20 Minuten Verspätung geht es weiter in den Oberen Grund. An der Rackstattalm machen wir schließlich die Kehrtwende auf den Aschauer Höhenweg. Bis hierhin war alles noch schön zum Dahinpedalieren, doch jetzt kommt der Abzweig zum Pengelstein. Dass es 500 Höhenmeter bis dorthin hinaufgeht, war mir beim Blick in die Karte bewusst. Nicht aber, dass es so dick kommen würde: eine einzige Steilauffahrt mit drei Extra-Rampen!
Die Streif für Skifahrer, der Fleckalm-Trail für Mountainbiker

Der Fleckalm-Trail führt direkt an der Fleckalm-Hütte vorbei: Es duftet nach Apfelstrudel. Keine Chance, da ohne Pause vorbeizukommen.
Oben am Pengelstein ist wieder mehr los. Wegen seiner freien Aussicht in alle Himmelsrichtungen ist der Bergrücken offenbar beliebt. Ach ja, und die Kabinenbahn von Kitzbühel zum Hahnenkamm endet in unmittelbarer Nähe. Doch, was die Streif für den Skifahrer, ist hier der Fleckalm-Trail für Biker. Auf den freue ich mich schon den ganzen Morgen. Er startet auf der Ehrenbachhöhe und wickelt sich dann über sieben Kilometer und 1000 Tiefenmeter nach Kirchberg hinunter, und zwar so: rumpelige Wiesenpfade, Wurzelwege im Wald, kleine Wellen, Anlieger und Northshore-Elemente. Plus eine kurze Sektion, die den Namen Der Graben mit Fug und Recht verdient, denn der fies verwurzelte Geländeeinschnitt erfordert Mut und allerbeste Fahrtechnik. Oder das richtige Gespür dafür, wann es Zeit wird, abzusteigen. Unterwegs führt der Pfad leider an der Sonnenterrasse der Fleckalm vorbei. Es duftet. Irgendjemand hat da oben wohl einen warmen Apfelstrudel bestellt. Susie möchte jetzt auch so einen. "Aber fahr Du ruhig den Trail weiter, ich setze einfach ’ne Runde aus", sagt sie und meint es offensichtlich auch so. Das ist der Vorteil dieser Runde. Mit dem Liftticket ist man ja gleich wieder oben.
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