Die Köpfe über einer Trail-Karte zusammengesteckt, drängen wir uns um die Motorhaube eines Vans. Andreas Oster und seine Kumpels Tim und Martin haben ihre Autos in einer Seitenstraße am östlichen Stadtrand von Saarbrücken geparkt. „Hier startet gleich der Angry-Jens-Trail – mein absoluter Favorit!“, grinst Andreas und deutet auf eine blaue Schlangenlinie, die sich über den grün gekennzeichneten Wald auf der Karte windet.

Max Fuchs Sailor Moon oder Wellensittich – bei den Trail-Namen war maximale Kreativität gefragt.
Andreas ist Vorsitzender des Mountainbike-Vereins Saarbrücken. Ein gemütlicher Geselle. Sein leichter Bauchansatz und die mit Proviant vollgestopfte Hüfttasche entlarven ihn als überzeugten Genuss-Biker. Tim und Martin lassen sich mit ihren Rückenpanzern und Bikes mit massig Federweg eher der adrenalinhungrigen Abfahrtsfraktion zuordnen. Gemeinsam mit über 200 weiteren Vereinsmitgliedern kämpfen die Jungs für den Erhalt und die Legalisierung des Streckennetzwerks rund um Saarbrücken. Doch bislang fehlte es dem Verein an finanziellen Mitteln, um sich mit ihrem Anliegen bei den Behörden Gehör zu verschaffen. Das soll sich nun ändern. Denn seit Kurzem werden die Saarbrückener Locals von Treks Trail-Advocacy-Programm unterstützt. Eine Initiative, die mit Lobby-Arbeit und finanzieller Unterstützung den Trail-Bau voranbringen will. Mit dem namhaften Hersteller im Rücken und einer Finanzspritze hoffen die Saarbrückener, endlich die bestehenden Trails legalisieren zu können und weitere Abfahrten anlegen zu dürfen. Die bevorstehende Tour ist quasi eine Kostprobe des Menüs, das Andreas und sein Team schon bald der gesamten Bike-Community servieren wollen.
Dabei kommt der MV Saarbrücken nicht als einziger in den Genuss von Treks finanzieller Unterstützung. Insgesamt helfen die Amis noch drei weiteren Initiativen aus dem bayerischen Oberland, dem Erzgebirge und Bonn auf dem Weg zu einer offiziell abgesegneten Infrastruktur für Biker. „Die Gelder, um Gutachten von Behörden, Werkzeuge und Trail-Beschilderung zu bezahlen, sind die Grundlage, um unsere Trails auch in Zukunft nutzen zu können“, versichert Andreas. Noch wichtiger sei die Zusammenarbeit mit Trek, wenn es um die Kommunikation nach außen gehe:
„Mit einem so großen Hersteller als Partner wird unser Verein mit seinem Vorhaben zum ersten Mal überhaupt ernst genommen.“
Die Initialzündung dafür, dass Hersteller nicht nur Bikes entwickeln, sondern sich auch an der Schaffung geeigneter Infrastrukturen für ihre Sportgeräte beteiligen, kam von der US-Marke Specialized. Schon seit 2018 unterstützt die Firma mit dem sogenannten Soil-Searching-Programm Trail-Bauer aus aller Welt mit Spenden, Marketing- und Manpower: „Wir wollen dabei nicht nur den reichen Onkel spielen“, sagt Fanie Kok, der Initiator des Programms, „sondern auch selbst mit anpacken und uns die Hände schmutzig machen.“

Max Fuchs Wer fahren will, muss mit anpacken. Wenn die Saarbrücker Trails genehmigt werden sollen, muss sich der Verein auch um die Pflege kümmern.
Santa Cruz dagegen greift ähnlich wie Trek etwas tiefer in die Tasche: Eine Million Dollar stellen die Kalifornier im Rahmen ihres PayDirt-Programms über einen Zeitraum von drei Jahren für Trail-Projekte zur Verfügung. Bewerben kann sich dafür jeder, egal, ob Verein oder Privatperson. Projekte in Deutschland befinden sich derzeit lediglich in der Planung. Doch in der Garfagnana-Region in der Toskana entsteht mit den Geldern der Kalifornier gerade ein gewaltiges Wegenetz zur Ankurbelung des Bike-Tourismus.
Dass die Hersteller, die Trail-Bau im großen Stil unterstützen, allesamt aus den USA kommen, ist kein Zufall. „Das Bauen von Trails hat bei Amerikanern eine lange Tradition und ist fest in der Mountainbike-Kultur verankert“, erklärt Max Schumann, Medien-Koordinator von Santa Cruz. Denn während Biker in Deutschland aufgrund des Natur-Betretungsrechts einen Großteil aller bestehenden Wege nutzen können, dürfen in Amerika nur ausgewiesene Bike-Strecken befahren werden. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wer Bikes verkaufen will, muss auch geeignete Strecken dafür schaffen. Das haben auch die Hersteller begriffen, die den Trail-Bau nun nicht mehr allein den Bikern überlassen.

Max Fuchs Kreuzungen zwischen Wanderweg und Trail müssen mit Bremsschikanen entschärft werden.
Auch in Deutschland wächst der Bedarf nach einem Wegenetz speziell für Biker. „Der Fahrrad-Boom seit der Corona-Krise hat das nur noch deutlicher gemacht“, schnauft Andreas, als er die letzten Meter zum Einstieg des Angry-Jens-Trails hinaufstrampelt. Am Wochenende tummeln sich Biker aus einem Umkreis von über 200 Kilometern auf den bisher illegalen Trails rund um Saarbrücken. „Eine so große Interessensgruppe braucht eine legale Spielwiese“, unterstreicht Andreas das Anliegen des MV Saarbrücken, bevor er sich in die ersten Kurven des Angry Jens stürzt. Perfekt geformte Anlieger winden sich den dichten Buchenwald hinab, gefolgt von Wurzelfeldern, Felspassagen und sanften Sprüngen. Mit einem lauten „Halt“ bringt Andreas die Gruppe vor einem querenden Fußweg zum Stehen. „Das wird unsere erste Aufgabe sein, sobald wir die letzten Bauanträge bei den Behörden durchgeboxt haben“, sagt Andreas und nickt in Richtung des Steilstücks, über das wir soeben auf den Fußweg geschlittert sind. Alle Kreuzungen von Fuß- oder Forstwegen müssen von Bremsschikanen entschärft werden, bevor die Trails offiziell genutzt werden dürfen.
So vorbildlich sich die amerikanischen Firmen bei Trail-Projekten wie in Saarbrücken einbringen, das Engagement seitens der deutschen MTB-Industrie hält sich bisher noch in Grenzen. Klar, durch das Natur-Betretungsrecht war der Bedarf an speziellen Trails bislang nicht sehr hoch. Doch Corona-bedingte Sperrungen oder die neuen Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Naturschutzgesetzes vernahm die Industrie wie einen Weckruf:
„Wir sind schon lange Partner der DIMB (Deutsche Initiative Mountainbike e.V., Anm. d. Red.) und setzen uns so für unseren Sport ein. Angesichts des großen Trail-Bedarfs wollen wir uns in Zukunft aber noch stärker engagieren“, so Julian Öncü, Marketing-Manager des deutschen Versenders Canyon. Auch kleinere Hersteller wie YT Industries sind inzwischen bereit, sich an Trail-Bau-Projekten zu beteiligen. Als die Bundesregierung am ersten Juli 2020 die Mehrwertsteuer für einen Zeitraum von sechs Monaten von 19 auf 16 Prozent senkte, beschlossen die Forchheimer, den Differenzbetrag nicht direkt an ihre Kunden weiterzugeben, sondern der MTB-Community zu spenden. Drei Prozent eines jeden verkauften Bikes gingen so an die Initiativen ausgewählter Vereine.
Der Anfang ist also gemacht. Sollten sich in Zukunft weitere Hersteller an Projekten wie in Saarbrücken beteiligen, könnte auch in Deutschland der Traum von mehr legalen Trails Realität werden.

Max Fuchs Trotz der kurzen Trails ist ein Enduro auf den kurzen Abfahrten um Saarbrücken eine gute Wahl.

Max Fuchs Felspassagen und steile Stiche verlangen nach guter Fahrtechnik oder viel Federweg.
In vier Schritten zum legalen Trail
1. Organisieren
Um bei Verhandlungen mit Grundbesitzern und Behörden besser wahrgenommen zu werden, sollten sich möglichst viele Biker mit den gleichen Interessen zusammentun. Je mehr Leute für die Legalisierung eines Trails einstehen, desto größer wird der Handlungsbedarf seitens der Behörden.
2. Recherchieren
Wem gehört der Grund, auf dem der Trail verläuft? Privatpersonen, der Gemeinde oder dem Staat? Das findet man am einfachsten über das Forst- oder Landratsamt heraus. Dort weiß man genau, wem das Land gehört. Wer selbst recherchieren möchte, muss in den öffentlich einsehbaren Grundkarten stöbern.
3. Verhandeln
Unabhängig davon, ob die Grundbesitzer der Legalisierung des Trails zugestimmt haben, sollten alle Parteien an einen runden Tisch kommen und ihre Interessen austauschen. Sprich: Biker, Behörden und Grundbesitzer.
4. Verein gründen
Wird der Trail genehmigt, bleibt noch die Frage, wer ihn betreibt. Die meisten Behörden nehmen die Verantwortung für Bike-Strecken nicht auf sich. Hier hilft ein Verein. So verhandeln sie mit einer juristischen Person, die Verträge zu Versicherung und Haftung unterzeichnen kann.
Interview mit Sebastian Maag, Brand-Manager bei YT Industries
BIKE: Obwohl zu Beginn der Corona-Krise die Mehrwertsteuer gesenkt wurde, habt Ihr die Preise Eurer Bikes nicht angepasst. Was habt Ihr mit den gewonnenen drei Prozent angestellt?
Sebastian Maag: Wir haben ein Förderprogramm für MTB-Projekte ausgeschrieben, die der gesamten Bike-Community zugute kommt. Unter den Bewerbern haben wir die sieben wertvollsten Projekte in den Bereichen Nachwuchsförderung und Trail-Bau ausgewählt und finanziell unterstützt.
Sehr uneigennützig für ein wirtschaftliches Unternehmen. Was habt Ihr von dem Engagement?
Uns geht es in erster Linie darum, den Bikern, die ja die Grundlage unserer Existenz bilden, in Form einer besseren Infrastruktur etwas zurückzugeben. Natürlich freut es uns, wenn es dem Image der Marke schmeichelt, das ist in diesem Fall aber zweitrangig.
Du sprichst von zurückgeben. Habt Ihr dann neben dem Aufpreis, den die Kunden während der Mehrwertsteuersenkung gezahlt haben, auch noch selbst in die Taschen gegriffen?
Klar, wir haben es uns vorbehalten, neben dieser Aktion speziell lokale Trail-Projekte bei uns in Forchheim mit Spenden und auch mit Hilfe beim Bau selbst voranzutreiben.
In der Corona-Krise wurde deutlich, dass der Bike-Sport in Deutschland ein größeres und vor allem legales Trail-Angebot braucht. Welche Rolle nehmen Hersteller wie YT hier ein?
Natürlich hat die Bike-Industrie ein großes Interesse daran, die Infrastruktur auszubauen, um noch mehr Leute für unseren Sport begeistern zu können. Fürsprecher, die sich aktiv für die Umsetzung neuer Trail-Projekte einsetzen, kommen aber idealerweise von einem Verband oder Verein. Sie können sowohl die Interessen der Biker als auch die der Industrie am besten vereinen. Uns sehe ich in diesem Prozess eher als monetären Unterstützer und Impulsgeber im Hintergrund. Wenn dadurch die Kosten für Personal, Recherche und Logistik aufgefangen werden und der Konsens transportiert wird, sichern wir die notwendige Basis, auf der aufgebaut werden muss.
BIKE-Kampagne „Love Trails – Respect Rules“