Es ist ein Tag im Dezember 2015. Für uns eigentlich ein Tag wie jeder andere, doch irgendetwas ist trotzdem anders heute. Wir, das sind John, Marc und ich. Ich bin Hans und wir sind professionelle Mountainbiker. Den Winter verbringen wir auf Curacao, einem kleinen Archipel in der Karibik, vornehmlich zu Trainingszwecken. Denn schon Anfang des nächsten Jahres steht das wohl wichtigste Etappenrennen der Welt an, das Cape Epic. Und das will nunmal vorbereitet werden.
Doch Berge sind rar auf Curacao, der längste Anstieg misst lediglich 1,5 Kilometer und so sind wir heute, wie so häufig, zum Training auf das kolumbianische Festland ausgewichen. Genauer nach Medellín, eine traumhafte, von Bergen umgebene Stadt nordöstlich von Bogotá im Herzen Kolumbiens. Und wieder einmal hat die "Stadt des ewigen Frühlings" ihrem Namen alle Ehre gemacht. Gute Luft, milde Temperaturen, selbst auf den hohen Bergen, die Medellín umgeben. Kein Wunder, dass wir nach dem Training wieder einmal nicht aufhören können, von Kolumbien zu schwärmen.
"The Legend of El Dorado"
Kolumbien ist ein fantastisches Land zum Mountainbiken. Das Wetter ist konstant angenehm, die Berge sind unglaublich, die Natur kann mit Flora und Fauna beeindrucken, die politische Lage ist lange nicht mehr so unsicher, wie sie es einmal war und die Menschen haben gute Laune und sind freundlich. Uns fehlt hier nur eines: Die Rennen! Bis an jenem Nachmittag einer von uns erwähnt, er habe da was gehört, es solle 2016 ein großes Etappenrennen geben.

Igor Schifris Hans Bensik (links) mit seinem Partner Marc nach sieben Etappen durch Kolumbien.
Marc und ich sind sofort angefixt und finden bei unserer Internetrecherche heraus, dass das "The Legend of El Dorado" mit sieben Etappen, 600 Kilometern und 13000 Höhenmetern Bogotá mit Medellín verbindet und sich bis auf stattliche 4145 Meter hinaufschwingt. Ein ausgewachsenes Etappenrennen durch das "El Dorado" des Mountainbikens, Kolumbien. Die Entscheidung teilzunehmen ist in diesem Moment längst gefallen.
Das Cape Epic wird zum Vorspiel degradiert
Gegenüber dem "Legend of Eldorado" trat das Cape Epic plötzlich völlig in den Hintergrund. Also ja, wir nahmen natürlich teil und wir beendeten das Rennen auch erfolgreich. Doch kaum waren nach dem Finish die ersten Schlucke Bier meine Kehle hinuntergelaufen, da fragte ich schon: „Und jetzt? Kolumbien! The Legend of El Dorado!“
Ein grandioses Abenteuer
Gesagt, Getan! Die Vorbereitung verlief reibungslos, Organisatoren unterstützen uns vorbildlich bei der Quartiersuche und beantworten alle offen gebliebenen Fragen. Wir hatten von Anfang an ein gutes Gefühl bei der Sache. Und wir sollten nicht enttäuscht werden. Als wir Ende Juli endlich am Start stehen, ist die Atmosphäre freundlich, beinahe familiär. Ein Etappenrennen mit persönlichem Touch und so ganz anders, als die anderen Etappenrennen, die wir bisher erlebt haben.
In den nächsten Tagen folgt eine Berg- und Talfahrt im wahrsten Sinne des Wortes, ein absolutes Rennen der Extreme. Wir schwitzen bei fast 47 Grad in der Wüste bei Rio Magdalena und frieren auf dem schneebedeckten Vulkan Nevado del Ruiz auf 4145 Metern Höhe, wo die Temperaturen auf vier Grad fallen. Ganz schön kalt, wenn man die Karibik gewohnt ist! Wir fahren durch tropische Wälder vorbei an unzähligen Früchten in allen Formen und Farben, an steilen Hängen voller Kaffeepflanzen und durch malerische Bergdörfer voller begeisterter Dorfbewohner.
The Legend of El Dorado
Da kam keine Langeweile auf, auch wenn sich die fahrtechnischen Schwierigkeiten in Grenzen hielten. Wir wurden von lokalen TV-Sendern interviewt, gaben Autogramme für die Kinder und ließen uns mit den Einheimischen zusammen fotografieren, die uns wie Weltstars des Radsports feierten. Einfach toll. Ich könnte noch tagelang von unseren Erlebnissen berichten, aber hier meine Zusammenfassung: Was für ein großartiges Abenteuer!