Ohne Vertragsbindung und ohne Mindestmengen: Über ein Web-Tool können stationäre Fahrradhändler in Deutschland ab dem ersten Quartal 2022 auf nahezu das komplette Sortiment von Online-Versender Bike-Components zugreifen. BC Remote heißt das neue Portal für Geschäftskunden, mit dem der Online-Versender versucht, die Brücke zum stationären Handel zu schlagen. Damit begegnet der Aachener Online-Händler einem der Kernprobleme des stationären Handels: Die Produktvielfalt am Markt bei Zubehör und Komponenten können lokale Bike-Shops nicht annähernd abbilden, dafür ist das Angebot zu groß und es fehlt oft an Lagerkapazität. „Wir können die Zubehörwelt im Laden nicht annähernd darstellen“, sagt Ralf Rätzel vom Radladen Bamberg. Allerdings suchen Kunden immer öfter ganz bestimmte Produkte. Der Großhandel, wo lokale Händler benötigtes Zubehör oder Ersatzteile gewöhnlich beziehen, bedient Bestellungen von kleinen Mengen oder Einzelteilen oft nicht. Und genau dort will Bike-Components seine Stärken ausspielen und an Fahrradläden weitergeben: Das Sortiment ist riesig, die Lieferung klappt in der Regel innerhalb eines Tages und auch einzelne Produkte können geordert werden.

Andreas Dobslaff Auf etwa 60000 Artikel, die meisten davon in Würselen bei Aachen lagernd, können lokale Radläden in Deutschland ab 2022 über die BC Remote-Plattform zugreifen.
Schulterschluss mit dem stationären Fachhandel
„BC Remote ist kein Großhandelsangebot“, sagt Philipp Simon, CEO von Bike-Components. „Eine Analyse der Bestellungen, die Händler bereits in der Vergangenheit bei uns getätigt haben, zeigt, dass es um Warenkörbe in einer Größenordnung bis 150 Euro geht.“ Die Produkte werden versandkostenfrei verschickt, nicht benötigte Teile können kostenfrei zurückgeschickt werden. Die Preise und die jeweiligen Konditionen können Händler direkt über die Web-Plattform einsehen. Welche Marken und Produkte letztendlich aus dem riesigen Bike-Components-Sortiment auch in der Händler-Plattform auftauchen, daran wird derzeit noch gearbeitet und verhandelt. Bike-Components selbst spricht von 300 Marken, die verfügbar sein sollen, und sieht das Portal als Schulterschluss mit dem stationären Handel.

17 Jahre ist es her, dass MTB-Freak Philipp Simon sein Maschinenbaustudium geschmissen hat, um bei Bike Components zu arbeiten. Heute ist er Chef von etwa 300 Mitarbeitern.
„Erste Adresse bleibt der Großhandel, BC Remote vergrößert das Portfolio“
Die Lieferengpässe und Nachschubprobleme in den letzten zwei Jahren betreffen die gesamte Wirtschaft. In der Fahrradbranche kämpfen Komplettbike-Hersteller, Online-Shops und lokale Radhändler gleichermaßen mit stockendem Nachschub und einer hohen Nachfrage. Dabei war und ist es keine Seltenheit, dass Shop-Besitzer dringend benötigte Ersatzteile kurzerhand im Netz bestellen statt auf die wochen- und monatelang im Rückstand befindlichen Teile zu warten. Auch Ralf Rätzel vom Radladen Bamberg machte das gelegentlich bei Werkstattbedarf so. „Die schlechteren Preise sind dabei verschmerzbar, denn wichtiger ist, dass dem Kunden schnell geholfen wird. Er steht an der Spitze.“ Rätzel durfte als einer von drei Shops deutschlandweit die BC Remote-Plattform bereits vorab testen. Sein Fazit fällt positiv aus, wobei er auch vorher schon mit dem Online-Handel nicht auf Kriegsfuß stand. „Der Online-Handel hat ein Stück vom Kuchen, das wahrscheinlich nicht kleiner werden wird. Aber wir bieten den Service drumherum an, also beispielsweise auch Beratung und Service für Räder aus dem Versandhandel. Deshalb war es für uns auch kein besonders großer Schritt auf Bike-Components zuzugehen.“ Trotzdem sieht Rätzel das Händler-Portal von Bike-Components eher als Ergänzung für sein Sortiment. „Unsere erste Adresse bleibt immer der Großhandel und unser Warenlager. Falls es dort Lieferengpässe gibt, oder es um Produkte geht, die wir nicht im Sortiment führen, dann vergrößert BC Remote mein Portfolio.“
„Über alle Kanäle das nehmen, was man bekommt.“
Deutlich zurückhaltender beurteilen andere Händler gegenüber BIKE den Vormarsch von Bike-Components. Andre Paschke von Bonsai Bikes in Wieseth sagte uns: „Wir sind schon angemeldet für BC Remote. Aber nicht aus Überzeugung für den Onlinehandel, sondern weil man sich als Händler derzeit überall dranklammert, wo man an Teile kommt.“ Er schätzt die über Jahre gewachsene Zusammenarbeit mit Großhändlern, bei denen man fixe Ansprechpartner und eine funktionierende Retouren-Abwicklung hat. Denn das könne ein selbst ein großer Onlineshop nicht leisten, sondern hier muss im Zweifelsfall dann der Vertrieb oder Importeur übernehmen. „Deshalb ist BC Remote für mich nur ein Lückenfüller. Aber im Extremfall zählt für uns der Kundenservice, und dass das Rad des Kunden so schnell wie möglich fahrbereit ist“, sagt Paschke.

Privatfoto Andre Paschke gehört der Bike-Shop Bonsai Bikes und er ist mehrfacher BIKE Transalp-Finisher.
Ähnlich sieht es Marco Schreiber, der mit seinem Shop Radl Rasti in Lenggries sitzt: „Es ist eine Ergänzung. Ich gucke erst bei meinen Großhändlern, mit denen ich seit Jahren zusammenarbeite und ein gutes Verhältnis habe. Denn der persönliche Kontakt und eine engere Beziehung sind mir wichtig. Aber die Vielfalt von BC Remote ist gut, weil man für ein paar Teile so eventuell nicht zwei oder drei verschiedene Lieferanten anschreiben muss.“ Inwieweit die niedrigen Online-Preise allerdings dem lokalen Fahrradhandel das Leben schwer machen, muss sich zeigen. Denn manche Teile bieten Online-Shops günstiger an als er sie als Händler bei seinem Lieferanten einkaufen kann.

Robert Niedring Marco Schreiber kennt man in der Bike-Szene nur als "Radl Rasti", so heißt auch sein Laden in Lenggries.
Und was sagen Distributoren, deren Marken seit Jahren zum Bike-Components-Sortiment gehören? Unsere Anfragen bei drei großen deutschen Importeuren und Vertriebsgesellschaften blieben unbeantwortet. Ein Importeur aus Bayern wollte sich ganz bewusst nicht dazu äußern, weil man noch mit Bike-Components in Verhandlungen stehe. Auch die anderen beiden hielten sich uns gegenüber bedeckt.