Kirchberg in Tirol war die letzten beiden Jahre für mich immer ein gutes Pflaster, denn ich stand zwei Mal auf dem Podest. Aber diese Saison steckt irgendwie der Wurm drin! Nach meiner Stunt-Einlage und den platten Beinen beim letzten Rennen in Willingen , habe ich erst einmal ein bisschen Luft an Kopf und Körper gelassen. Ich ließ das Bike ein Paar Tage in der Ecke stehen. Voll motiviert und regeneriert ging es dann am Freitag nach Kirchberg, um abends noch schnell die Startnummern für das ganze Team abzuholen.
300 Meter lange Schlangen vor den Liften
Beim Training am Samstag waren die Trails und Lifte rund um Kirchberg absolut ausgelastet, da zeitgleich zum Enduro-Rennen im Rahmen des Kirchberger Bike-Festivals ein Marathon- und CC- Rennen stattfand. Neben knapp bemessenen Trainingszeiten auf Stage vier und fünf äußerte sich die Auslastung vor allem in 200-300 Meter langen Schlangen vor den Liften, welche zum Trainieren auf der Strecke genutzt werden durften.
Diese Verkettung von Umständen ließ Samstagmorgens um 8:30 Uhr schon leichten Stress aufkommen. In aller Früh Mann und Maschine fertig machen zur ersten Trainingsabfahrt, dabei keine Protektorschicht vergessen, um durch die Kontrolle des Österreichischen Radsport-Verband ÖRV zu rutschen, um sich dann vollkommen kalt den Fleckalmtrail mit seinen rund 15 Minuten Abfahrtszeit zu stürzen. Ziel dieser Hauruck-Aktion war es, vor den Marathonfahrern noch eine zweite Abfahrt auf den Stages vier und fünf zu absolvieren. Aber die Herren vom ÖRV machten uns da einen sauberen Strich durch die Rechnung, indem sie einfach schon um 9:30 Uhr den Lift sperrten.
Für meinen Teamkollegen André und mich hieß das erstmal tief durchatmen und in Ruhe die Stages eins bis drei am anderen Ortsende von Kirchberg anzuschauen. Hier wurde, wie die Jahre zuvor schon, feinstes High-Speed Geballer mit sauberster Kurventechnik im Lisi-Osl Trail-gepaart, welcher aufgrund seiner Brechsand-Oberfläche den Grip in den Kurven und somit auch den Speed extrem dosierte.
Beim Prolog liegen die besten innerhalb weniger Sekunden
Nach absolviertem Training polierte das gesamte Fahrerfeld die Fahrräder, um für den Prolog – auf einer kleinen Motocross Strecke – mit blitz-sauberem Material parat zu sein. Die 30 Sekunden lange Strecke des Prologs hatte ein Paar knackige Sprintpassagen auf Lager, aber ließ die Top-Fahrer nicht weiter als eine Sekunde auseinander klaffen. Die Rennstrategie für Sonntag war klar: Auf den ersten drei Stages den Ball flach halten und Kraft sparen, um auf den beiden langen Stages des Fleckalmtrails die Sau raus zu lassen und einige Sekunden gut zu machen.
Unwetterwarnung entpuppte sich als ertragbarer Schauer
Zu allem Überfluss war für Sonntag auch noch eine heftige Unwetterwarnung raus gegangen, welche die Veranstalter schon von Rennabbruch sprechen ließ. In meiner nun 10-jährigen Rennkarriere wurde noch nie ein Rennen wegen Unwetter abgesagt und so sollte es auch diesmal sein. Zumal sich das Unwetter eher als ertragbarer Schauer entpuppte. Setzte ich die Rennstrategie auf den ersten drei Stages perfekt um und durchfuhr diese fast fehlerfrei, patzte ich diesmal in der vierten Tagesetappe.

Boris Nachbauer Schräglage um jeden Preis, der Fleckalmtrail war dieses Wochenende schwer befahren.
Nach der Liftfahrt auf über 1800 Meter Höhe konnte man oben kaum noch den eigenen Lenker sehen. Dichter Nebel hing überall und erschwerte die Bedingungen. Strategie ist Strategie und will umgesetzt werden, also gab ich ordentlich Gas in Stage vier und schmiss mich ohne zu Bremsen mit voller Wucht in die Anlieger und doubelte über Bodenwellen, als gäbe es kein Morgen mehr.
Doch auf der Hälfte der Strecke, als ich richtig gut in Fahrt war, fuhr ich leider auf eine vor mir startende Frau auf und musste erst einmal den Anker werfen, bevor ich überholen konnte. Nach dem ersten Überholmanöver kam auch gleich die zweite Frau, hinter der ich mich auf der kompletten Highspeed-Passage einreihen musste. Ohne es zu wissen war ich oben zu knapp hinter den beiden Damen gestartet und vermasselte so mein Rennen.
Das Podium selbst verbaut
In Stage fünf attackierte ich nochmal und konnte ungehindert eine richtig gute Zeit fahren, aber das Podium hatte ich mir wieder einmal verbaut und reihte mich am Ende auf Platz sieben ein. „Mr. Comeback“ Wagenknecht holte nach Willingen wieder den Hammer raus und gewann diesmal mit beeindruckendem Speed auf allen Stages, vor den beiden Neuseeländern Lee Hayden und Joseph Nation. Den zweiten Platz in der Gesamtwertung konnte ich dennoch vor dem Finale im September in Leogang verteidigen. Jetzt heißt es weiter hart trainieren und irgendwann auch einmal ein bisschen Glück haben.
ride on
Ludwig
Ludwigs Enduro Diaries: Tagebuch aus der Enduro-Rennszene