Das verflixte siebte Jahr – laut Statistik scheitern da besonders viele Ehen. Ich beende nach sieben Jahren als Radprofi meine Karriere und widme mich einer neuen Herausforderung – dem Berufseinstieg. Keine Scheidung, denn das Team war für mich keine Ehe, sondern eine Familie. Ich habe mich da immer wohl gefühlt, aber nach Abwägung aller Pro und Cons steht für mich fest, dass ich nach meinem Master of Science in Wirtschaftswissenschaften vor zwei Jahren endlich beruflich Fuß fassen will. Der Radsport hat mir viel gegeben und ich konnte einige tolle Erfolge feiern. Doch inzwischen frage ich mich, was kommt da noch? Gleichzeitig werde ich älter, sammle keinerlei Berufserfahrung und steige dementsprechend Älter bei null ein. Für mich Grund genug dem Profisport Adieu zu sagen.
World Series Ornans: Wie ein Ping-Pong-Ball
Der Frankreich-Trip mit dem World Series Rennen in Ornans und den beiden Rennen beim Roc d'Azur sind damit meine letzten Rennen als Profi. Ich freue mich wahnsinnig auf diese Reise. Nach vielen Rennen auf breiten Schotterwegen bin ich hungrig nach Trails. Jungs, ich will nicht auf Waldautobahnen fahren, das ist zum kot...!
Mechaniker Giovanni, so sein Spitzname, und ich sind die einzigen vom Team in Ornans. Das Auto ist voll bepackt. Massageliege, Bikes, Ersatzteile, Kochplatte und Nahrungsmittel. Unser Hotelier sieht nicht gerne Räder auf dem Zimmer, aber dank unserer Radtaschen drückt er ein Auge zu. Für das Rennen ringe ich hart mit mir, welches Bike mich am Ende am schnellsten über den Kurs bringt. Das Wetter sieht gut aus. Ich entscheide mich für das neue Exceed-Hardtail. Bergauf fühle ich mich damit sehr gut. Vielleicht geht heute was? Doch die Wahl stellt sich spätestens auf der ersten ruppigen Abfahrt mit feuchtem Untergrund als falsch heraus. Ich fühle mich auf den Steinen wie ein Ping-Pong-Ball und hole mir zu allem Überfluss noch einen Durchschlag. Zwar war das Ergebnis nichts, aber das Gefühl im Anstieg und auf den letzten Kilometern war top – nächste Chance in Fréjus.

Traditionell feiert das Team Topeak Ergon seinen Saisonabschluss beim Roc d'Azur. Auf die Trails freuen sich auch die Rennfahrer jedes Jahr.
Karriereende beim Roc d'Azur
Weiter geht es zur Côte d'Azur. Das Roc d'Azur war in den letzten Jahren oft unser Saisonabschluss. Meist klasse Wetter mit super Trails und einem großen Festival. Ich freue mich jedes Jahr auf die Strecken beim Roc, zumal wir mit dem Roc Marathon am Freitag über 84 km und dem Roc d'Azur über 56 km am Sonntag zwei Chancen haben, uns zu beweisen. Jetzt sind wir auch wieder (fast) vollzählig. Nur Sally fällt verletzungsbedingt aus und für Jeremiah Bishop ist die Anreise zu weit. Für den Marathon mit seinen anspruchsvollen 84 Kilometern entscheide ich mich wie in den letzten Jahren für das Lux-Fully. Zwar kommt einem das berghoch etwas zäher vor, dafür ist das Rad auf dem Trail eine Wucht. Ich werde Achter.

Mit dem Fully beim Roc Marathon. Am Ende reichte es für Mennen zum achten Platz.
Neben den Rennen beim Roc d'Azur fahren wir mit Festival-Teilnehmern eine lockere Bike-Runde und stehen für Autogramme zur Verfügung. Zwar können wir nicht mit der Popularität des französischen Canyon-Stars Fabian Barel mithalten, aber der hat hier auch Heimvorteil. Eine kurze Runde über das Ausstellungsgelände gönnen wir uns auch noch. Besonders amüsant sind natürlich die Fahrer des Rando Roc Rouge Déguisée, weil man dort nur kostümiert mitfahren darf. Einige müssen doch einen Hitzestau unter ihren Kostümen erleiden?
Im vergangenen Jahr haben wir den Samstagnachmittag für ein Kart-Rennen genutzt. Das ist zwar nicht die optimale Vorbereitung, aber beim letzten Rennen der Saison eine super Sache, um auch mal mit den Betreuern und gleichem Motor um die Wette zu fahren. Nach dem Vergnügen im Vorjahr war es auch dieses Jahr wieder fester Bestandteil unseres Programms. Wer meint, das wäre ein teaminternes Rennen, der irrt: Neben uns sind auch noch Betreuer des Team Bulls, des Team Centurion-Vaude und des Kreidler Teams vertreten. Aber die Fahrer der anderen Teams kneifen. Zwar schaffe ich es nicht den Vorjahressieg zu wiederholen, aber wenigstens bleibt der Pott im Team – dank Peter.

Mennen auf den letzten Meter vor dem Ziel und seiner Profi-Karriere als Mountainbiker.
Ein 11. Platz zum Abschluss
Sonntag ist mein letztes Rennen. Kein Grund, die Sache nicht ernst zu nehmen. Nachdem das Lux-Fully für den Marathon die richtige Wahl war, stelle ich mir nun die Frage, ob es auch für die 56 Kilometer die beste Waffe ist? Die Strecken sind relativ identisch, nur die am Sonntag ein gutes Stück kürzer. Überstehe ich zwei Stunden harte Trails auf dem Hardtail? „Exceed beyond Limits“ – noch einmal alles geben für das letzte Rennen meiner Karriere. Ich kratze konstant am Drehzahlbegrenzer, denn meine Erfahrung bei dem Rennen sagt mir, dass das sonst nichts wird. Auf dem Hardtail fühle ich mich gerade in den ersten Anstiegen deutlich besser, bergab bin ich trotzdem nicht langsamer als am Freitag. Pushen, pushen! An der letzten Feedzone liege ich noch in der Gruppe um Platz sieben, doch leider schwächle ich im folgenden Anstieg etwas. Ich werde Elfter. Zwar ist man als Rennfahrer erst zufrieden, wenn man gewinnt und irgendwie hatte ich mit den guten Beinen mehr erwartet, aber ich bin trotzdem überglücklich. Geile Strecke, super Stimmung, speziell am Col de Bougnon – das hat Spaß gemacht! So wie man nach der BIKE Transalp traditionell in den Gardasee springt, so geht es für uns jetzt mit allen ins Meer. Ganz realisieren, dass es nun vorbei ist, kann ich es noch nicht. Sicherlich werde ich irgendwann wieder beim Roc d'Azur an der Startlinie stehen, nur dann vielleicht mit Haaren an den Beinen.
Euer Robert
BIKE Race-Offensive: Robert Mennens Marathon-Blog 2015
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