Auf der vorletzten Etappe der Rally di Romagna ging es noch einmal richtig zur Sache. Auf uns wartete ein wahnsinnig steiles Stück durch eine Apfelplantage, bei der die Bremsscheiben bei jedem Fahrer kurz vorm Schmelzpunkt standen.
Doch vorher ging es bergauf, und zwar richtig brutal. 200 Meter lange 20-Prozent-Rampen, eine nach der anderen. Ich wollte meinen 100. Platz in der Gesamtwertung unbedingt verteidigen und so musste ich Hügel um Hügel mit der Meute mit. Wenn schieben aus Ehrgeiz bei 30-Prozent-Teilstücken nicht drin ist, kann man sich auf einen verspannten Rücken beim Abendbrot freuen. Meine Haltung auf dem Bike und am Esstisch sind glücklicherweise nicht sehr verschieden.

Veranstalter 15 Kilometer feinste Singletrails hielt die vierte Etappe der Rally di Romagna für die Fahrer bereit.
Gestern nach der längsten Etappe und dem ganzen "il Muro"-Wahnsinn haben sich viele in Sicherheit gewähnt. Die heutige Etappe war auf dem Papier halb so lang, mit 1000 Höhenmetern weniger aber trotzdem genau so schwer. Die Streckendaten auf dem Papier spielen einem manchmal böse Streiche. Mal eben Samstagmorgen 50 Kilometer locker rollen ist genau die Einstellung, die einen stundenlang bergauf fluchend ins Reich der Schmerzen befördert. Die letzten Steilstücke kamen mir wie riesige Wellen aus grünem Gras vor. Haushoch und erbarmungslos. Beim Sprint, au der natürlich steil nach oben gerichteten Ziellinie ist mir fast das Herz aus der Brust gesprungen.
Unterm Zielbogen ein grinsender Vinz mit Cola und Kuchen in der Hand. Eine Dame, Jahrgang 30, wuschelt mir durch die verschwitzen Haare, bringt noch mehr Kuchen und will mich gleichzeitig mit ihrer Urenkelin verkuppeln. Auf einer abgewetzten Bank im pittoresken Stadtzentrum eines italienischen Bergdorfs liegend fällt mir nach 5:20 Stunden wieder ein, warum ich hier bin und wie fein es ist, hier zu biken.
Co-Organisator Davide, ein Zwei-Meter-Hüne, Playboy und Ex-Amateur-Sprinter, setzt sich neben mich und legt seine Pranke auf meine Schulter: "to slowee amici“, sagt er lächelnd, der Shuttlebus nach Riolo sei schon weg. Er erklärt uns aber gern den Weg zurück zum Hotel. Alles bergab! Ich glaube ihm kein Wort, aber beides stimmte am Ende.
Shuttle weg und alle brav bergab Richtung Riolo del Terme. Diese 17 Kilometer, die ohne in die Pedale zu treten liefen, in dem alle Italiener ohne Helm laut krakelnd von links nach rechts über die Straße kurvten, waren die endspanntesten der ganzen Woche. Die Sonne scheint, man schiebt sich gegenseitig an, um während der Fahrt zu pinkeln und sogar ein Bier dreht seine Runde durch das Feld der Erschöpften.
Morgen letzte Etappe, über 1500 Höhenmeter und 40 Kilometer. Obwohl man hier unter Bikern ist, strahlt dieses Rennen eine Art Giro d'Italia-Atmosphäre aus, der man sich nur schwer entziehen kann. Ich hoffe morgen wird's gemütlich, meine Beine fühlen sich an wie morsche Äste.
Bis morgen,
Alexander
Rally di Romagna Blog