Heute stand Etappe zwei an. 50 Kilometer über 1800 Höhenmeter. Wir – die Teilnehmer der Rally di Romagna – sind zusammen in einem Startblock hinter den 70 Profis, aber vor fast 650 rennwütigen, italienischen Marathon-Bikern gestartet. Zwei Sekunden nach Startschuss war die Luft schon erfüllt von wilden Flüchen und dem gruseligen Kreischen von Scheibenbremsen bei der Arbeit. Marathon-Startphasen sind immer nervös, doch das heute morgen war echt nervenaufreibend. Mit den ganzen Flüchen, die ich heute auf den ersten zehn Kilometern gehört habe, hätte man einen Duden füllen können. Der erste Anstieg, natürlich Vollgas. Mein Plan bis Kilometer 27 bei meinem Zimmerkollegen Vinz zu bleiben, habe ich nach den ersten drei Schotterkehren aufgegeben. Alle Unter-60-Kilo-Jungs sind schrecklich schnell davongeprescht, als würden sie die Pedale gar nicht spüren.
Wenn man keine guten Beine hat und im hinteren Mittelfeld den Berg hochkurbelt mit den mehr oder weniger ambitionierten Gelegenheits-Marathonisten, muss man sich bergab auf einen heißen Tanz gefasst machen. Die durch mangelnde Fitness bergauf verlorene Zeit wird mit vollem Wagemut bergab wieder reingeholt – um JEDEN Preis!
Bei Kilometer 24 ist mir eine Biene ins Trikot geklettert und hat beim Verabschieden ihren Giftstachel vergessen. Bis acht Kilomter vor dem Ziel lief es dann relativ geschmeidig. Auf dem letzten Teilstück, einem ständigen Auf und Ab, wie übrigens die ganze Etappe, hat ein 15-minütiger Platzregen die Piste in ein einziges Schlammloch verwandelt. Ich musste teilweise auf allen vieren die 25-Prozent-Rampen hochkriechen. So etwas habe ich noch nie erlebt! Das Bike war als solches gar nicht mehr zu erkennen. Ich habe für vier Kilometer 50 Minuten gebraucht.
Die Schenkel sind nach der Etappe gut durchgekaut und morgen gibt es 88 Kilometer mit leckeren 3000 Höhenmetern "al dente". Morgen werde ich im Eco-Modus starten, um die Rally di Romagna zu überleben. Vinz ist heute gestürzt und hat versprochen, morgen nicht so zu heizen.

Privatfoto Abens mit Zimmerkollege Vinz und dem Führenden der Rally di Romagna beim Plausch
Nach dem Abendbrot sind wir noch mit Rodrigo Gomez, unserem Zimmernachbarn und aktuellem Träger des Rosa Trikots, über eine Art Dorffest geschlendert, dass an Szenen aus "Maria, ihm schmeckt’s nicht!" erinnert hat: Kellnernde Schönheitsköniginnen, streunende Katzen und eine Cranberries-Coverband in der lauen Abendluft. Wenn morgen Ruhetag wäre, hätte ich wohl das Bierzelt geentert, aber so ist es bei Cola geblieben.
Der Sommer ist hier schon angekommen und benimmt sich, als wäre er nie weg gewesen.
Bis morgen,
Alexander
Rally di Romagna Blog