Erst staubig, dann schlammig, fast 30 Grad und eine Luftfeuchtigkeit wie in der sprichwörtlichen Waschküche. Dazu eine eher traditionelle Strecke mit wenigen aber langen Anstiegen und schnellen aber dennoch technischen Abfahrten. Die Bedingungen für die Mountainbike-Europameisterschaft im italienischen Chies d'Alpago am 25. und 26. Juli 2015 waren alles andere als ideal.
Das Wettkampfniveau allerdings war extrem hoch, nur unter den Herren wurden einige bekannte Gesichter vermisst – allen voran Nino Schurter und Jaroslav Kulhavy. Für die deutschen Spitzensportler lief es aber sehr gut. Zwei Bronzemedaillen und die Goldmedaille in der Staffel konnten die Fahrern mit schwarz-rot-goldenen Trikotärmeln ergattern.

Lexware Mountainbike Team Die deutsche Staffel holte gleich zu Beginn der Europameisterschaft Gold. (v. l. n. r.) Ben Zwiehoff, Max Brandl, Manuel Fumic und Helen Grobert.
Jolanda Neff wieder in Form
Drückende Hitze und hohe Luftfeuchte waren die entscheidenden Faktoren im Rennen der Damen. Vor allem Gunn-Rita Dahle Flesjå hatte damit zu kämpfen und konnte ihre Hoffnung auf eine Medaille nicht wahr machen. "Ich habe mich schon die ganze Woche nicht so frisch gefühlt, darum war das Rennen heute für mich vom ersten Tritt an ein Kampf", sagte Dahle Flesjå nach dem Rennen. Die Siegerin des letzten Worldcups in Lenzerheide fuhr vor Sabine Spitz auf den sechsten Platz.

Maxime Schmid,EGO-Promotion Jolanda Neff (ganz links) gab im Damenrennen von Anfang an den Ton an.
Besser erging es offensichtlich Jolanda Neff. Nach einem für sie eher enttäuschenden Rennen in Lenzerheide hatte sie in Chies d'Alpago ihre Form wiedergefunden. Auch die extremen klimatischen Bedingungen machten ihr offenbar nicht zu schaffen und so fuhr sie, weitgehend unangefochten, zum Titel der Europameisterin.
Fumic auf Platz drei
Bis zum Rennen der Männer hatte es nur unwesentlich abgekühlt und so hatten auch die Herren mit den extremen Temperaturen zu kämpfen. Die große Anzahl von Startern erleichterte auf der Strecke von Chies d'Alpago die erste Rennphase keineswegs. Bereits in der ersten Abfahrt trennte sich die Spreu vom Weizen. Nur fünf Fahrer, darunter Manuel Fumic, Julien Absalon und Lukas Flückiger mussten nicht absteigen und konnten sich damit deutlich vom Feld absetzen.

Armin M. Küstenbrück,EGO-Promotion José Hermida kämpft sich auf dem langen Anstieg ab.
In der Mitte des Rennens kam etwas Bewegung in die Führungsgruppe, als zunächst Lukas Flückiger etwas zurückfiel, um dann in den letzten Runden alles von hinten aufzurollen. Fabian Giger hielt dem Druck nicht stand und sogar Manuel Fumic, der sich bis dahin mit konstantem Abstand hinter dem alleine vorne fahrenden Julien Absalon halten konnte, musste den anstürmenden Lukas Flückiger ziehen lassen. Dennoch reichte es für einen dritten Platz und damit die Bronzemedaille bei der Europameisterschaft. Julien Absalon fuhr souverän seinen vierten EM-Titel ein – Rekord!
Schreck bei den Junioren
Auch die deutschen Junioren hatten bei der Europameisterschaft gute Chancen auf den Titel. Vor allem auf Max Brandl und Anna Saier aus Wombach und Offenburg lagen die Hoffnungen. Doch dann am Freitagmorgen der große Schock. Über Nacht waren alle 20 Bikes aus dem Quartier des Bunds Deutscher Radfahrer gestohlen worden. Auch die Bikes der Junioren waren darunter, und so mussten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um schnell für Ersatz zu sorgen.

Armin M. Küstenbrück,EGO-Promotion Julian Schelb ist noch ganz frisch in der Elite Klasse. Er musste in Chies d'Alpago erst einmal kräftig einstecken und landet auf Platz 50.
Doch die Sympathie mit den bestohlenen Junioren war groß, und so stellten bald Heiko Gutmann, Luca Schwarzbauer und Matthias Bettinger ihre eigenen Rennfeilen zur Verfügung. Ärgerlich war der Vorfall natürlich trotzdem, denn mit den neuen Bikes ergaben sich Probleme. Die Sitzposition passte nicht, ebensowenig die Reifen oder das Setup. Vielleicht mit ein Grund, warum Max Brandl die Führungsgruppe in den ersten Runden des Rennens ziehen lassen musste. Stück für Stück fand er seine Stärke wieder und arbeitete sich Meter für Meter an die Top-3 heran. Zwar konnte er sein Ziel, Simon Andreassen Paroli zu bieten, nicht in die Tat umsetzen, doch er ergatterte den dritten Platz.

Lexware Mountainbike Team Max Brandl war zuversichtlich, auch wenn das Bike, auf dem er saß, leider nicht sein eigenes war. Am Ende reichte es für Platz drei.
Besser lief es für Anna Staier, die gut mit ihrem Ersatz-Bike zurechtkam. Weder die Sitzposition noch die Reifen oder der Einfach- statt dem gewohnten Zweifachantrieb schienen sie zu stören. Als die Strecke jedoch immer weiter aufweichte, stürzte sie nach einem Fahrfehler und fiel um eine Position zurück. Am Ende war sie auf dem siebten Platz dennoch die beste Deutsche.