Es war eine spannende Saison in der Enduro World Series. Im Vorfeld rechnete man mit einem Duell zwischen Fabien Barel (Canyon) und Jérôme Clementz (Cannondale), die beide nach Verletzungen Ende 2014 wieder erfolgreich auf das Bike zurückkehrten. Doch die beiden ließen auf sich warten. Barel kämpfte mit Defekten, Clementz mit Form und Gesundheit. Überzeugen konnten dagegen in der ersten Saisonhälfte Justin Leov (Trek) und dann Richie Rude (Yeti), der auch als eindeutiger Favorit für den Gesamtsieg in das letzte Rennen ging.

Matt Wragg,Enduro World Series Von Kommerzialisierung des Rennsports kann hier wohl keine Rede sein. Die Enduro World Series bewahrt den Spirit.
Dagegen konnte man schon zu Beginn der Saison auf Tracey Moseley (Trek) zählen. Alles andere als ein erster Platz wurde zur Ausnahme, nichts konnte sie aus der Ruhe bringen. In steilen Passagen überzeugte sie durch Fahrkönnen und Erfahrung, in Tretstücken stellte sie ihre erstklassige Kondition unter Beweis. Ein echtes Allround-Talent. Aber auch Cécile Ravanel (Commencal) brachte konstant gute Leistungen und konnte Moseley den Sieg auf der einen oder anderen Stage streitig machen. Daneben befanden sich auch noch Ines Thoma (Canyon) und Anneke Beerten (Specialized) in Reichweite. Trotz der Dominanz von Tracey Moseley war der Kampf um den Gesamtsieg vor dem letzten Rennen noch nicht endgültig entschieden.
Schlechtes Wetter in Finale Ligure
Finale Ligure ist seit jeher das letzte Rennen der Enduro World Series und das nicht nur wegen des Namens. Die kleine Stadt, die circa eine Autostunde südwestlich von Genua an der Riviera liegt, überzeugt häufig auch noch im Oktober mit gutem Wetter. Dazu gibt es perfektes Terrain, das auch lange und trotzdem steile Stages mit hohem technischem Anspruch zulässt. Dieses Jahr fiel allerdings das Wetter etwas aus der Reihe und so konnten Stage eins und sieben leider nicht befahren werden.

Matt Wragg,Enduro World Series Tracey Moseley war dieses Jahr nicht zu stoppen.
Doch auch mit nur noch fünf verbleibenden Stages lieferte Finale alles, was Enduro ausmacht. Stage zwei forderte die Kondition, Stage drei die Fahrtechnik und Stage vier die Konzentrationsfähigkeit. Am Ende des ersten Renntages lag der Favorit für den Gesamtsieg bei den Männern, Richie Rude, auf Platz acht. Er musste nur noch das Rennen innerhalb der Top 13 beenden, um den Sieg in jedem Fall sicher zu haben. Weniger auf Sicherheit hatte dagegen Rudes Teamkollege und einer der Altmeister des Enduro gespielt. Jared Graves überzeugte auf allen Stages und führte nun mit sieben Sekunden die Rennwertung an.
6,5 Kilometer, 780 Höhenmeter: Eine Stage
Die wahre Prüfung folgte am Sonntagmorgen mit Stage fünf, der klaren Königsetappe des Rennens. 6,5 Kilometer Wertungsdistanz und dabei 780 Höhenmeter sprechen eine deutliche Sprache. Nicholaz Vouilloz holte den Stagesieg für Lapierre, gefolgt von Fabien Barel und Jérôme Clementz. Vouilloz bewältigte die Strecke in nur 11.40,05 Minuten. Das entspricht einem Schnitt von 33,42 km/h.

Matt Wragg,Enduro World Series Richie Rude wird von Teamkollege Jared Graves und Damon Smith auf die Bühne zur Preisverleihung getragen.
Feiern konnten nun auch Richie Rude und Tracey Moseley. Für beide reichte ihr Ergebnis auf Stage fünf aus, um den Gesamtsieg endlich sicher in der Tasche zu haben. Es folgte Stage sechs, die wieder Jared Graves für sich entscheiden konnte. Mit einer Gesamtzeit von 35 Minuten 42 Sekunden ging damit auch der Rennsieg an Graves. Bemerkenswert auch die Zeit von Renn- und Gesamtsiegerin Tracey Moseley: 40.50,38 Minuten. Wäre sie im Männerfeld mitgefahren, hätte sie sich damit auf Platz fünf hinter Jérôme Clementz einreihen könnten. Ein wahres Weltklasseergebnis.
Moseley und Barel ziehen sich aus dem Enduro-Sport zurück
Wenns am schönsten ist, soll man aufhören, sagt ein Sprichwort, das so richtig keiner hören will. Dennoch gab Tracey Moseley in Finale Ligure ihren Rückzug aus dem Enduro-Sport bekannt. Sie geht damit auf der Höhe ihrer Karriere und in bester Form. Drei EWS-Titel und zahlreiche andere wichtige Rennsiege haben sie zu einer der erfolgreichsten Frau im Mountainbikesport gemacht.

Matt Wragg,Enduro World Series Ines Thoma hielt bei der EWS die deutsche Fahne hoch. In Finale Ligure wurde sie Dritte, in der Gesamtwertung Fünfte.
Auch Fabien Barel wird man nächstes Jahr vergeblich suchen. Der ehemalige Downhillmeister stürzte vergangenes Jahr bei der Enduro World Series in Chile schwer. Zwar erholte er sich von seinem Unfall, doch sein Rückzug aus dem Sport ist verständlich. Seit 1995 war Fabien Barel ganze 20 Jahre lang ein Top-Fahrer in jeglichen Gravity-Diziplinen. Der Rang des Enduro-Vizeweltmeisters 2015 ist dafür ein schöner und verdienter Abschluss.