Während sich bei den meisten Deutschen Urlaubsgefühle gegen Ende Juli breit machen, läuft im MTB-Rennzirkus gerade die Hochsaison. Nach einem kleinen Heimatausflug in die Bayerischen Alpen letzte Woche, lockte dieses Wochenende mit der 3-Länder-Region Reschenpass-Nauders wieder mal ein etwas größerer Tourismusverband uns Rennfahrer auf seine Trails.
Bereits letztes Jahr stoppte die European Enduro Series zwischen Österreich, der Schweiz und Italien und machte sich mit extrem harten, aber geilen Rennstages einen Namen in der Szene. Wer letztes Jahr schon hier war, wusste, dass die ganze Angelegenheit mit knapp 40 Minuten gewerteter Abfahrtszeit, massiven Wurzelfeldern und ein paar Tretpassagen eine stattliche Männersache wird.

Andreas Vigl Traumhafte Kulisse am Reschensee. Da wird einem auch auf dem Transfer nicht langweilig.
Auch das Wetter meinte es dieses Wochenende gut mit uns, verbrachten wir doch die letzten drei Rennen entweder in Winterklamotten oder in extremster Hitze. Abgesehen von einem kurzen Gewitter am Samstagabend blieb die Veranstaltung von den sonst üblichen Wetterkapriolen verschont, was es diesmal einfacher machte, den Flüssigkeitshaushalt unter Kontrolle zu behalten und auch das Material vor einer weiteren Fango-Packung bewahrte.
Doppelte Trainingsschicht. Eine gute Idee?
Das samstägliche Training absolvierte ich mit meinem Teamkollegen Gusti Wildhaber. Fünf der sechs Stages waren per Lift erreichbar, was uns auf eine nicht allzu gute Idee brachte. Viele Rennfahrerkollegen nutzen ein freies Wochenende Anfang Juli um sich schon mal auf die Begebenheiten in Nauders einzustellen und auf den angelegten Trails rund um den Reschensee zu trainieren.
Und dann waren da natürlich noch die Engländer im Starterfeld, welche bereits seit Anfang der Woche in der Region verweilten, um sich die tückischen Stellen der Trails genauestens einzuprägen. Für Gusti und mich bestand kein Zweifel, dass wir unseren Rückstand bezüglich der Streckenkenntnis mit einer Doppelschicht Training am Samstag aufholen wollten.
Der Liftzugang zu den jeweiligen Startgattern kam uns dabei natürlich gerade recht und wir trainierten die meisten Stages doppelt. Bei 40 Minuten Renndauer bedeutete das allerdings am Samstag über 80 Minuten bergab zu knüppeln, was sich am Abend als absoluter Kraftakt für meinen Körper entpuppte. Völlig ausgelaugt vom Training war ich heilfroh darüber, dass der Veranstalter Trailsolutions ab sofort keinen Prolog mehr ausrichtet, um Ressourcen und vor allem Fahrer zu schonen.
Was zu viel ist, ist zu viel
Generell ist es zwar etwas schade, weil der einzige gemeinsame Treffpunkt des Fahrerfelds nun die Startnummernausgabe am Freitag bzw. Samstagsmorgen ist und das "Fahrerlager-Flair" dadurch etwas verlorengeht, aber an diesem Wochenende war ich wirklich froh darum.

Andreas Vigl Derek Laughland aus Großbritannien fegt über den (noch) trockenen Wurzelteppich.
Die Anstrengungen der letzten Wochen mit immer wiederkehrenden Fotoshootings und dem normalen Arbeitsalltag zwangen meinen Körper am Samstag nach getanem Training und Bikewash in die Knie, oder viel mehr auf die Couch unserer Pension. Regeneration war angesagt. Irgendwie musste ich es schaffen, bis zum nächsten Morgen wieder fit zu werden.
Ein Recoveryshake und viel Schlaf sollten dabei helfen. Der Start des Rennens am Sonntag um 8:30 Uhr morgens ließ jedoch nicht allzu viel vom Schlaf zu. Etwas müde zwang ich mir ein kleines Frühstück in den Magen und torkelte zum Start. Auch die Liftfahrt zur Stage eins lies mich nicht wirklich wach werden. Ich rollte aus dem Start und schon bei den ersten Kurven merkte ich, dass ich auf Stage 1 wohl eher Passagier als Pilot war.
Der Integralhelm als Resonanzkörper
Extrem schlüpfrige Bedingungen durch das Gewitter am Vortag verwandelten die erste Wertungsprüfung in eine reine Rutschpartie. Ich kämpfte also früh am Morgen mit mir selbst und der Strecke bis zu dem Zeitpunkt an dem die Strecke mich bezwang. Ich bremste schlaftrunken wie ich noch war in einer Wurzelpassage etwas zu viel, verlor daraufhin die Traktion und schlug mit voller Wucht in einen Baum ein.
Der Integralhelm vibrierte gefühlt wie der Resonanzkörper einer Akustikgitarre auf meinem Kopf aber wenigstens war ich danach wach. Auf Stage 2 waren die Oberschenkel bei langen Tretpassagen gefragt, gewürzt wurde die Wertungsprüfung mit Trial-Einheiten rund um den Grünsee und einem Wurzelmassaker.
Eigentlich repräsentierte dieses Rennen unseren Sport besser als jedes andere, auch die Tatsache, dass niemand über die Strecken lästerte, was sonst durchaus üblich ist, sprach dafür. Aber es wäre kein Endurorennen gewesen, gäbe es nicht irgendeinen Grund, beim Veranstalter zu reklamieren. Auf Etappe 6, der mit knapp zehn Minuten längsten Etappe, fanden besonders kreative Rennfahrer Mittel, aber vor allem Wege, die vom Veranstalter gedachte Streckenführung zu umgehen.
Gibt es eigentlich immer was zu meckern?
Eigentlich war die Streckenführung für mich klar, denn es zieht sich ein klarer Trail von der Haideralm zur Talstation der Gondel. Sicherlich holt jeder Rennfahrer hier und da mal eine Kurve etwas weiter aus, oder hält sich am Rande der Strecken mit dem Arm am Absperrband auf, aber das pure Auslassen von zwei bis drei Kurven, war für meinen Geschmack etwas viel.
Es ist unklar, ober der Veranstalter vergessen hatte, die Kurven zu wenig abzubändeln oder mit den für die Rennserie üblichen Fahnen zu versehen, oder ob ein etwas übereifriger Rennfahrer die Streckengestaltung selbst in die Hand genommen hat. Eigentlich war die Streckenführung wirklich klar durch einen angelegten Trail ersichtlich.
Hätten sich alle daran gehalten, wäre auch keine Diskussion um die Shortcuts entfacht worden. Doch je hitziger die Diskussion wurde, desto mehr Abkürzungen kamen zum Vorschein. Ich hielt mich im Rennen dann größtenteils an die Streckenführung und verließ den Trail nicht, wie manch andere Sportler, um 20 bis 30 Meter einzusparen, und um mir einen Vorteil zu verschaffen.
Eigentlich ist es schade, dass die meisten Teilnehmer hier wieder mal alle Schuld auf den Veranstalter abwälzen wollen, anstatt mal selbst das Köpfchen einzuschalten. Wenn eine Region schon mal Initiative zeigt und extra Trails für uns Biker anlegt, ist es wohl nicht so wünschenswert seitens der Grundstückseigentümer, Liftbetreiber… auch noch den umliegenden Wald zu durchpflügen.
Und Spaß gemacht hat's trotzdem
Am Ende sprang Platz 10 für mich raus, womit ich eigentlich ganz zufrieden bin. Aber vor allem hatte ich richtig Spaß auf den wahnsinnig geilen Trails rund um Nauders und den Reschensee. Dieses Wochenende geht es schon wieder weiter in der Bikewelt Schöneck zum nächsten Lauf der Specialized Sram Enduro Series.
Hier finden Sie die
Ergebnisse.
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